Hamburg. Angefangen haben sie als Schülerband. Jetzt füllen die aus Schwarzenbek stammenden Musiker große Clubs, spielten sogar beim Hurricane.

Nur noch wenige Wochen, dann wird die Wutzrock-Sau durch Allermöhe gejagt: Am Freitag, 9. August, startet um 18 Uhr das dreitägige Open-Air-Festival am Eichbaumsee. Es werden immer mehr Bands verkündet, die auf den beiden Bühnen in die Saiten greifen. Ein noch unvollständiger Zeitplan ist bereits online einzusehen. Für die 45. Ausgabe des „umsonst & draußen“-Events werden bereits mehrere hervorragende Bands angekündigt, etwa The Skatoons (10. August, 21 Uhr) und Panteón Rococó, die das Spektakel mit ihrem Auftritt am 11. August, 17 Uhr, beenden.

Mit Montreal haben die Organisatoren einen weiteren dicken Fisch an Land gezogen. Die ursprünglich aus Schwarzenbek stammende Punkrockband spielt sonst in großen Clubs, hat gerade erst 20.000 Besucher des Hurricane-Festivals in Partystimmung versetzt. Das Trio ist bei Wutzrock für den 10. August, 22.45 Uhr, also zu Primetime am Sonnabend, gesetzt.

Punkrockband Montreal feiert Premiere beim Wutzrock-Festival in Allermöhe

Montreal sind Yonas Farag (42, Gesang, Gitarre), Sebastian „Hirsch“ Sievers (43, Gesang, Bass) und Max Seibt (44, Schlagzeug). Agieren die Musiker als Montreal, nennen sie sich nur Yonas, Hirsch und Max. Kennengelernt haben sich die Freunde in Schwarzenbek, wo sie aufwuchsen, die Schule besuchten und 1998 ihre erste Band (Financial Freaks) gründeten. Sie lösten die Schülerband, die unter anderem im Café Flop aufgetreten war, 2003 auf, sattelten von englisch- auf deutschsprachige Texte um – und gründeten Montreal. Die Band spielt melodiösen, eingängigen Punkrock.

Hirsch ist der einzige im Montreal-Bunde, der sich beruflich ausschließlich mit der Band beschäftigt. Er kümmert sich auch um das eigene Plattenlabel und das Management. Yonas arbeitet auch als Richter am Sozialgericht in Berlin, wo alle Bandmitglieder wohnen. Max betreut Menschen mit Handicap in Wohngruppen. „Dadurch haben wir als Band weniger finanziellen Druck und müssen keine Kompromisse eingehen“, sagt Hirsch. „Wir sind als Schwarzenbeker zwar eine Band aus dem Wutzrock-Orbit, haben da aber noch nie gespielt. Es hat sich bisher nie so ergeben“, sagt Hirsch.

Montreal
Die aus Schwarzenbek stammende Band Montreal (von links): Max, Hirsch und Yonas. © Montreal | Ania Sudbin

950 Konzergetn in 19 Ländern

In der Hauptstadt treffen die Musiker häufiger auch prominente Kollegen, etwa Sebastian Madsen von der Band Madsen oder den ebenfalls in Berlin lebenden Bassisten Jared Hasselhoff von der US-Band Bloodhound Gang, für die Montreal zwischen 2006 und 2010 bei vielen Europa-Konzerten als Vorband agierten. „Damals haben wir erstmals vor sehr vielen Menschen gespielt. Wir waren Mitte 20 und standen plötzlich vor 7000 Konzertbesuchern. Bei den Auftritten, bei denen wir der Hauptact waren, erschienen damals so um die 80 Menschen. Das war natürlich ein riesiger Unterschied, aber wir haben uns schnell an Massen gewöhnt“, sagt Hirsch.

Auch mit anderen namhaften Bands waren Montreal auf Tour, etwa Madsen, Royal Republic und der Hamburger Punklegende Slime. Inzwischen haben die Schwarzenbeker rund 950 Konzerte gespielt – in 19 Ländern.

Für die beiden Abende mit Montreal in der Markthalle in Hamburg gibt es noch Eintrittskarten

Die Konzerte im Vorprogramm haben Montreal einen ordentlichen Schub in Sachen Bekanntheit verschafft. Bei Montreal-Auftritten in Großstädten ziehen Montreal locker 1000 Besucher. In der Markthalle am Klosterwall 11 in Hamburg, einem Club dieser Größenordnung, wird die Band am 20. und am 21. Dezember ihr diesjähriges Live-Programm beenden. Mehr als die Hälfte der Tickets wurde bereits verkauft, weiß Hirsch. „Es gibt aber noch Karten für beide Abende.“

Wutzrock vor zwei Jahren: Mehrere Hundert Besucher verfolgen am frühen Abend das Programm auf der Hauptbühne.
Wutzrock vor zwei Jahren: Mehrere Hundert Besucher verfolgen am frühen Abend das Programm auf der Hauptbühne. © Gabriele Kasdorff - Kasdorff@magenta.de | Gabriele Kasdorff - Kasdorff@magenta.de

Tickets für die Hamburg-Gigs kosten unter 40 Euro. Auch für die anderen Auftritte müssen die Fans nicht allzu tief in die Tasche greifen: „Wir versuchen, zivile Preise zu halten. Schließlich wollen wir unser Publikum nicht überfordern“, sagt Hirsch. Der Band käme entgegen, dass sie die Produktionskosten im Vergleich zu anderen Bands bewußt niedrig halte. Mit 44 Auftritten im deutschsprachigen Raum haben Montreal 2024 gut zu tun. 2007 hatten sie allerdings noch mehr Arbeit: Damals spielten Montreal 99 Konzerte – bis heute der persönliche Rekord der Band. „Damals waren wir Mitte 20, heute sind wir mittelalt“, sagt Hirsch mit einem Augenzwinkern.

Die Gruppe hat ihr eigenes Label Amigo Records und dadurch alle Rechte an ihrer Musik

2012 brachten Montreal mit „Malen nach Zahlen“ ihr erstes Album auf ihrem eigenen Label Amigo Records heraus. Zuvor hatte die Band drei Longplayer und ein Minialbum auf einem externen Label veröffentlicht. „Nun haben wir alle Rechte an unserer Musik, sind unabhängig. Deshalb verdienen wir damit insgesamt – an den Plattenverkäufen und am Streaming – auch gut“, sagt Hirsch. Mindestens ebenso wichtig sei der Band, dass ihr nun künstlerisch niemand mehr reinredet.

Die Lieder vom aktuellen Album wurden bereits 1,5-millionenmal gestreamt. Die erfolgreichsten Montreal-Songs sind älter, haben in Sachen Streaming (der Wiedergabe digitaler Audio- oder Video-Dateien in Echtzeit) den Zeit-Vorteil auf ihrer Seite. So hat ihre Coverversion (2014) des Steinwolke-Hits „Katharine, Katharine“ (1983) mit mehr als zehn Millionen mehr Streams als das Original, betont der Montreal-Sänger. Der eigene Song „Endlich wieder Discozeit“ (2009) kratzt an der Zehn-Millionen-Marke.

Mit ihrem neuen Album „Am Achteck nichts Neues“ schaffte es die Band in die Top Ten

Das neue, achte Studioalbum der Punkrocker heißt „Am Achteck nichts Neues“. Das Cover ziert ein achteckiger Bierstand – aus gutem Grund: Um ihr Debütalbum aufzunehmen, benötigte die Band Geld. Also jobbten die Musiker oft in solchen Achtecks, „auf Stadt- und anderen fragwürdigen Festen“, wie die Gruppe auf ihrer Homepage schreibt.

Auf ihrem neuen Album greifen Montreal Erlebnisse und Geschichten aus dieser Zeit auf – mit Erfolg: Die Band landete erstmals in den Top Ten der deutschen Album-Charts, erreichte aus dem Stand Platz sechs. Wovon die Lieder handeln? „Beziehungen, Tod – alles, was normalen Menschen passiert, vertonen wir – ohne dabei kitschig zu werden“, sagt der Bassspieler. Die Texte stammen von ihm, die Musik von Yonas.

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Für die Produktion ihrer Alben und für die Realisierung ihrer Liveshows holen sich die Musiker nur selten externe Verstärkung: „Wir bekommen viel Unterstützung aus dem eigenen Freundeskreis und Netzwerk“, sagt Hirsch. So ist ein alter Schulfreund auf Tourneen dabei, um Band-T-Shirts zu verkaufen. Um den Verkauf von Fan-Artikeln (etwa Kleidung, Tonträger, Montreal-Bier) im weltweiten Netz kümmert sich auch ein alter Freund: „Er hat vor 15 Jahren mit einem kleinen Shop angefangen, inzwischen hat er eines der größten Unternehmen dieser Art in Deutschland“, sagt Hirsch.

Nach vielen Jahren kehrte das Trio gemeinsam mit einer Fotografin in seine Heimatstadt zurück

Mit der befreundeten Fotografin Ania Sudbin kehrte das Trio erstmals nach vielen Jahren gemeinsam wieder nach Schwarzenbek zurück, um dort die Fotos für das neue Album aufzunehmen. In der kleinen Europastadt leben nach wie vor die Eltern der drei Montreal-Musiker: „Die kommen auch immer zu unseren Auftritten in der Markthalle“, sagt Hirsch.

Zurück an den Eichbaumsee: Für die Wutzrock-Durchführung werden Freiwillige gesucht: Wer ehrenamtlich an dem Festival-Wochenende mit anpacken möchte, der sollte zu einem Helfertreffen am Sonntag, 21. Juli, 15 Uhr, im Café Flop (Wentorfer Straße 26) erscheinen. Besonders dringend werden helfende Hände für Arbeitsbereiche wie Auf- und Abbau und Sicherheit benötigt. Wer nicht zu dem Treffen erscheinen kann, hat die Möglichkeit, sich übers Internet als Helfer anzubieten.

Wutzrock wird durch den Getränkeverkauf finanziert, deshalb ist das Mitbringen von Drinks verboten

Weil für das Festival kein Eintritt verlangt wird, sollten die Besucher viel Durst mitbringen: Wutzrock finanziert sich vor allem durch den Getränkeverkauf – das Mitbringen von Durstlöschern ist verboten. Internet: wutzrock.de, montrealmusic.de.