Hamburg. Annegret Heberlein hilft ehrenamtlich im Tagestreff – und wurde nun als Kandidatin für den Bergedorfer Bürgerpreis vorgeschlagen.

Nenne drei salzige Snacks und drei Länder mit K. Gerhard Grandt überlegt, der 83-Jährige aus Zollenspieker hat zwar gerade seinen Geburtsjahrgang vergessen, aber Kuba, Kolumbien und Kroatien fallen ihm doch noch ein: „Es ist eine unheilbare Krankheit, aber hier machen wir Gehirntraining“, sagt der Mann im Bergedorfer Tagestreff der Alzheimer Gesellschaft – und schaut auf die einzelnen Worte an der Tafel: Tisch, Tuch, Halter und Hunde, Futter, Napf müssen irgendwie zusammenpassen.

„Wir reden langsam, achten aufeinander und haben viel Spaß. Manchmal lese ich auch Gedichte vor“, erzählt Annegret Heberlein, die jeden Donnerstag zwischen 10 und 16 Uhr dabei ist, mit den Erkrankten auch spazieren geht und Bewegungsspiele macht, die beide Hirnhälften aktivieren. Seit gut zehn Jahren ist die 58-Jährige ehrenamtlich dabei und hilft den Gästen mit Demenz, sich im Leben zu orientieren: bedächtig und sehr herzlich. Das ist der Grund, warum sie als Kandidatin für den Bürgerpreis Bergedorf vorgeschlagen wurde, der am 16. Oktober im Rathaus Bergedorf vergeben wird. Bergedorfer Zeitung und die Volksbank Bergedorf vergeben 6000 Euro an Menschen, die unserer Gesellschaft guttun.

Bürgerpreis Bergedorf: Im Ehrenamt für die Alzheimer Gesellschaft

Das Essen auf dem Herd ist mal wieder angebrannt. Wo habe ich gleich das Auto geparkt? Und wo den Einkaufswagen abgestellt? Solche Fragen zermürben die Betroffenen im Anfangsstadium ihrer Krankheit. „Ich habe mich einmal nachts im Sachsenwald verlaufen. Seither kann mich meine Frau über einen Tracker orten“, berichte Eberhard Ohm aus Schönningstedt. Dem 66-jährigen Controller wurde gekündigt. Seither hat er Zeit, auch mittwochs an die Holtenklinker Straße 44 zu kommen, wo sich von 10 bis 12 Uhr die Malgruppe trifft.

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Am 16. Oktober wird der Bergedorfer Bürgerpreis im Rathaus an der Wentorfer Straße vergeben. © bgz | bz

Vor allem für die Angehörigen ist der Treff eine „enorm wichtige Entlastung“, weiß Annegret Heberlein, die in Oldenburg Sozialpädagogik studiert hat. Noch immer fasziniert erzählt sie von einer kurzen Zeit im Brunsbütteler Seemannsheim: „Wir haben die Bücherkisten für die internationalen Kapitäne und Decksleute aufgefrischt.“

Orientierungshilfe bei Tagesausflügen

Ihre erste richtige Arbeitsstelle im Bergedorfer Elim-Seniorenheim musste Annegret Heberlein leider aufgeben: Zur Altentherapeutin ließ sie sich umschulen, nachdem sie von ihrer Netzhautablösung erfahren hatte, nicht mehr optimal gucken kann. Aber ihre dementen Gäste hat sie perfekt im Blick – auch wenn sie bei Tagesausflügen etwa nach Lüneburg mal eine Jacke vergessen oder den Gehstock oder ganz einfach den Rückweg zum Bus.

Annegret Heberlein
Annegret Heberlein lacht im Tagestreff beim Gesellschaftsspiel mit Eberhard Ohm (l.) und Gerhard Grandt. © bgz | Anne Strickstrock

Bei einem Praktikum im Bergedorfer Dr.-Carl-Kellinghusen-Heim lernte sie Helga Kretschmer kennen, die dort gerade eine Demenzstation aufbaute: „Seit 2014 ist Annegret Heberlein ehrenamtlich mit dabei. Erst half sie bei der Dienstagsgruppe im Haus im Park, dann im Tagestreff in Lohbrügge und seit 2018 an der Holtenklinker Straße“, sagt sie und bedankt sich für die „unendlich fruchtbare und wertschätzende“ Arbeit, so Kretschmer: „Annegret findet durch ihre offene empathische Art schnell Zugang zu den erkrankten Menschen, aber auch zu den pflegenden Angehörigen.“

Boule und Tango in der Freizeit

Menschen mit Demenz können sich ungewöhnlich verhalten und reagieren nicht, wie erwartet. Das strapaziert manchen Freundeskreis, daher ist der Tagestreff für Gleichgesinnte umso wertvoller. „Wir sind hier sehr spontan und können viel lachen“, sagt Heberlein, die zugleich auch noch ihren 88-jährigen Vater betreut, der seit einem Schlaganfall halbseitig gelähmt ist.

Außerdem spielt die lebensfrohe Frau gern Boule im Bergedorfer Schlosspark, tanzt leidenschaftlich gern Tango und dazu griechische und bulgarische Volkstänze. Und wenn es die Zeit erlaubt, besucht sie ihre 26-jährige Tochter, die in Ulm Biochemie studiert.

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Andere Reisen sind gerade schwieriger: Auf Rügen und zehn Tage in Bad Bevensen war sie mit der Alzheimer Gesellschaft als Begleitung unterwegs. Helga Kretschmer leitet diese Reisen – doch es werde jemand gesucht, der Helga Kretschmer ablöst. Wer Interesse an der Organisation solcher Ausflüge hat, kann sich im Tagestreff melden bei der neuen Leiterin Clarissa Rago unter Telefon 0157/50 15 09 67.