Dassendorf. Der neue Coach Thomas Seeliger gehörte als Profi zur legendären Elf des SC Freiburg, die 1999 in die Bundesliga aufstieg

Vor einigen Wochen erhielt Thomas Seeliger einen Anruf von einem Redakteur der „Badischen Zeitung“. Der Journalist trat mit der Bitte um ein Interview an den 56-Jährigen heran, der ab der kommenden Saison den Hamburger Meister TuS Dassendorf trainieren wird. In dem Gespräch ging es dann allerdings nicht um das Engagement des Fußballlehrers beim Oberligisten, sondern um dessen Vergangenheit beim SC Freiburg. Seeliger gehörte zum sogenannten „Dream Team“ der Breisgauer, das mit dem Club 1999 unter Trainer-Legende Volker Finke erstmals den Bundesliga-Aufstieg schaffte. Fast 30 Jahre später sind „Seele“, wie der heutige Coach gerufen wird, und seine damaligen Mannschaftskameraden in Freiburg noch immer unvergessen.

„Wir waren damals so ein bisschen ein Team von anderswo Gescheiterten. Aber wir haben uns entwickelt. Da passte alles zusammen. Das war schon eine tolle Zeit, daran erinnere ich mich gerne zurück“, erklärt Seeliger, der damals Innenverteidiger spielte. Geschichten wie diese aus seinen Zeiten beim Sportclub kann der in Norderstedt wohnhafte Trainer unzählige erzählen. Zwölf Jahre lang verdiente er seinen Lebensunterhalt als Berufsfußballer und bestritt in dieser Zeit 86 Bundesliga-Partien, 238 Zweitliga-Spiele und 28 Begegnungen im DFB-Pokal. Hinzu kommen vier Einsätze für den damaligen französischen Erstligisten AS Nancy.

Ein Ex-Profi coacht jetzt Feierabend-Fußballer

Der künftige TuS-Coach bringt also jede Menge Erfahrung an den Wendelweg mit. So war seine Zusage bei den Dassendorfern durchaus überraschend. Schließlich wird der zweifache Familienvater – seine Kinder sind 13 und 17 – beim Oberligisten „nur“ Feierabend-Fußballer coachen.

„Die TuS Dassendorf ist in Hamburg eine Top-Adresse“, erläutert der 56-Jährige seine Motive. „Bei den Gesprächen hatte ich von Beginn an ein gutes Gefühl, hier arbeiten zu wollen. Ich denke jetzt sowieso anders. Ich möchte mich nicht nur vom Fußball abhängig machen und werde im Sommer zudem einen Teilzeit-Job im Büro anfangen. Ich will einfach nicht in ein tiefes Loch fallen, wenn ich irgendwann mal keinen Fußball mehr habe.“

Er spielte mit den Großen: Thomas Seeliger (links) 1993 als Profi in Freiburg im Duell mit Schalkes niederländischem Nationalstürmer Youri Mulder.
Er spielte mit den Großen: Thomas Seeliger (links) 1993 als Profi in Freiburg im Duell mit Schalkes niederländischem Nationalstürmer Youri Mulder. © picture-alliance / dpa | Franz-Peter Tschauner

Einen Wechsel zu einem Regionalligisten, „der im Mittelmaß ohne Ziele spielt“, hätte er sich nach seiner Entlassung in Flensburg hingegen nicht vorstellen können: „Dem würde ich nicht nachjagen wollen, nur um in der Regionalliga Trainer zu sein.“ Offen, kommunikativ und immer geradeaus – so ist der erste Trainer in der Geschichte der TuS Dassendorf, der eine Fußballlehrer-Lizenz hat. Das ist der höchste Trainerschein, der dazu berechtigt, Mannschaften bis hinauf zur Bundesliga zu coachen.

Der aus dem Sauerland stammende Seeliger kennt den Profi-Fußball noch aus einer Zeit, als es weder Internet noch Social Media gab. Statt zum Handy griffen die Spieler damals nach den Partien gerne zum Kartenspiel. „Wir sind in den Bus eingestiegen und haben sechs Stunden Klabberjass gespielt. Und natürlich wurden dabei auch mal ein paar Bier getrunken“, weiß der 56-Jährige viele Anekdoten zu erzählen. Auch feucht-fröhliche Disco-Mannschaftsabende seien damals keine Seltenheit gewesen: „Heute kannst du als Profi ja nirgendwo mehr hin, ohne dass gleich jemand kommt und mit dem Handy ein Foto macht.“

Seeliger spielte auch für Wolfsburg und den FC St. Pauli

Auch Training und Ansprache müssten heute anders sein, als zu seinen Zeiten als Spieler. Zu Seeligers Lehrmeistern gehörten mit Uwe Reinders (Eintracht Braunschweig), Aleksandar Ristic (Fortuna Düsseldorf) und Werner Lorant (1860 München) Trainer, die als „harte Hunde“ galten. Der Gegenpart dazu war Freiburgs Aufstiegstrainer Volker Finke. „Er war seiner Zeit ein bisschen voraus, hat schon sehr modern gedacht. Aber ich habe von allen Trainern, die ich hatte, etwas mitgenommen“, blickt der künftige Dassendorfer Coach zurück.

Als Profi lief er auch für den VfL Wolfsburg und FC St. Pauli auf, bevor er seine Karriere bei den Amateurclubs SC Norderstedt, SC Victoria, Lüneburger SK und SV Todesfelde ausklingen ließ. Im Alter von 41 Jahren beendete dann ein Kreuzbandriss seine Karriere als Spieler. Seeliger wurde Coach, zunächst als Freundschaftsdienst für seinen Bruder Kai beim Kreisligisten TSV Holm, dann bei Altona 93, SV Blankenese, Eintracht Norderstedt und Weiche Flensburg.

Seine Fußballlehrer-Lizenz hat Seeliger 2015 gemeinsam mit den heutigen Bundesliga-Trainern Thomas Reis (Schalke 04), Steffen Baumgart (1. FC Köln) und Marco Rose (RB Leipzig) gemacht. Dass er selbst trotz Lizenz nicht im Profibereich angekommen ist, verbittert den 56-Jährigen dennoch nicht. „Wenn du ganz nach oben willst, dann bist du in meinem Alter heutzutage ja schon ein altes Eisen. Und ich bin ja noch gar nicht so lange Trainer, weil ich so lange noch selbst gespielt habe“, sagt Seeliger.

Dassendorfer spielen im Derby beim SV Curslack-Neuengamme

In Flensburg erhielt er trotz Meisterschaft in der abgebrochenen Corona-Saison 2020/21 sowie Rang zwei in der darauffolgenden Spielzeit im Oktober 2022 den Laufpass, obwohl seine Mannschaft zu dieser Zeit auf Rang vier lag. „In meiner ganzen Zeit haben wir nicht einmal zwei Spiele hintereinander verloren“, kann er das bis heute nicht nachvollziehen.

Während in Flensburg vom Drittliga-Aufstieg geträumt wird, sind die Ambitionen bei der TuS Dassendorf ganz andere. Die Oberliga ist für den Serienmeister aus infrastrukturellen Gründen das Maß aller Dinge. Das weiß auch Seeliger. Angeheuert hat er trotzdem. „Man muss das Gesamtkonstrukt sehen. Damit musst du dich als Trainer arrangieren. Und das kann ich auch“, sagt er. Ob die Dassendorfer der Titelverteidigung im Derby beim SV Curslack-Neuengamme einen Schritt näher kommen, wird Seeliger am Sonnabend (18. Februar) wie gewohnt als Zaungast verfolgen (15 Uhr, Gramkowweg).