Hamburg. Die 15-Jährige hat es als erstes JGS-Talent seit über 20 Jahren ins Jugend-Nationalteam geschafft. Trotz Corona darf sie trainieren.

„Ich habe mich gefreut wie verrückt“, sagt Sophie Scharnberg aus Bergedorf über den Moment, in dem sie von ihrer Berufung in den Jugend-Nationalkader erfuhr. Denn für die Kämpferin der Judo-Gemeinschaft Sachsenwald in der TSG Bergedorf ändert sich während der Corona-Pandemie dadurch alles. „Ich darf jetzt wieder trainieren!“, jubelt die 15-jährige Bergedorferin. Ab Montag wird sie dreimal pro Woche im neuen Landesleistungszentrum in Wandsbek Einzeltraining unter Anleitung der U18-Landestrainer Daniel Lenk und Jennifer Bieber bekommen. In ganz Hamburg genießen dieses Privileg momentan nur drei andere Judoka.

Das lässt schon ahnen, was für ein außergewöhnliches Talent die Schülerin des Hansa-Gymnasiums ist. „Sie hat einen unglaublichen Willen zu siegen“, schwärmt Lenk. „Sie ist der Typ, der sofort wieder aufsteht, wenn sie mal auf den Rücken gefallen ist.“

Sophie Scharnberg aus Bergedorf ist im Jugend-Nationalkader

Sophie Scharnberg kommt aus einer Judo-Familie. Vater Jens ist Abteilungsleiter in der JGS, ihr älterer Bruder Jan (17) und ihre jüngere Schwester Kiara (13) betreiben den Sport ebenfalls erfolgreich. Kein Wunder, dass sich in der Familie alles um den „sanften Weg“ dreht. Das nämlich bedeutet Judo wörtlich. „Mein Vater hat im Keller Judo-Matten ausgelegt und uns so ein Dojo gebaut“, schildert Sophie Scharnberg.

„Was mir aber fehlt, ist eine Gegnerin.“ Landestrainer Lenk, selbst ein ehemaliger JGS-Kämpfer, hofft darauf, dass das Vereinstraining möglichst bald wieder erlaubt wird. „Das Wesen des Judo-Trainings besteht darin, sich in eineinhalb Stunden mit zehn verschiedenen Gegnern zu messen, sich immer wieder neu konzentrieren und auf jemanden Anderes einstellen zu müssen“, erläutert Lenk. „Deshalb trifft uns der Lockdown so hart.“

Mit 14 Jahren schon „TSG-Sportlerin des Jahres“

Sophie Scharnberg bei der Jugend-DM mit Landestrainer Daniel Lenk (links) und Vereinstrainer Florian Hahn.
Sophie Scharnberg bei der Jugend-DM mit Landestrainer Daniel Lenk (links) und Vereinstrainer Florian Hahn. © TSG Bergedorf | Judo-Gemeinschaft Sachsenwald

Vor einem Jahr wurde Sophie mit gerade mal 14 Jahren zur „TSG-Sportlerin des Jahres“ gewählt. Ende Februar 2020 gab sie ihr Debüt bei den Deutschen U18-Meisterschaften in Leipzig, holte auf Anhieb Silber. Großen Anteil an ihrer rasanten Entwicklung hat ihr Heimtrainer Florian Hahn. „Sie hat auf der Matte ein unheimliches Selbstvertrauen, tritt sehr stark auf und ist enorm trainingsfleißig“, lobt er.

Fünfmal pro Woche feilt die 15-Jährige in normalen Zeiten an ihrer Technik. Die Erfolge der vierfachen Norddeutschen Meisterin sind auch ihren Mitschülern nicht verborgen geblieben. „In der Schule sagt zwar kaum jemand etwas“, schildert sie. „Aber wenn wir unterwegs sind, dann kommen schon mal Sprüche, so nach dem Motto: ,Leg‘ dich lieber nicht mit der an!’“

„Sophie hat nicht nur Kraft, sondern auch Grazie“

Sie ist eine, die nie aufgibt, und ein Energiebündel auf der Matte. Im DM-Finale von Leipzig lag sie in der Klasse bis 44 Kilogramm lange zurück, zwang ihre Gegnerin Helen Habib aus Bottrop dann aber durch einen Hüftfeger in letzter Sekunde in die Verlängerung. Nach fast neun Minuten Kampfzeit – normal sind vier – unterlag Scharnberg schließlich knapp, gewann Silber.

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Darauf will Hahn aufbauen. „Unser Ziel ist es, dass sie auch bei allen künftigen Meisterschaften Medaillen holt“, blickt er voraus. Denn ein solches Talent gab es in der erfolgsverwöhnten JGS lange nicht mehr. Vor über 20 Jahren schaffte es mit Fabian Gevert, der 1998 U18-Meister wurde, zuletzt ein JGS-Jugendlicher ins Nationalteam. Landestrainer Lenk kämpfte sich ebenfalls bis ins Nationalteam, aber erst bei den Erwachsenen. Sophies rasanter Aufstieg kommt nicht von ungefähr, findet JGS-Sprecher Torri Mahncke: „Im Vergleich zu anderen Spitzenjudoka, die eher brachial daherkommen, macht sie ein unheimlich schönes Judo. Sophie hat nicht nur Kraft, sondern auch Grazie.“

Dreimal Krafttraining pro Woche sollen nun physische Defizite ausgleichen. Dass der ambitionierten Bergedorferin auch eine solche Plackerei Spaß machen wird, davon ist Mahncke überzeugt. „Wenn Sophie nach dem Training völlig ausgepowert ist“, hat er beobachtet, „dann sieht sie immer ganz besonders glücklich aus.“