Hamburg. Das Bergedorfer Krankenhaus ist das einzige Haus im Umkreis von 230 Kilometern mit dem Zertifikat des Qualitätsverbands Beckenboden

Ob plötzlich auftretender Harndrang verbunden mit einem unfreiwilligen Urinverlust oder die ungewollte Blasenentleerung beim Lachen – viele Menschen verschweigen und verdrängen diese Probleme lieber. Inkontinenz und Beckenbodensenkung sind immer noch Tabuthemen. „Dabei ist jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens davon betroffen, ab dem sechzigsten Lebensjahr sogar jede zweite“, betont Dr. Maike Kalb-Rottmann, Oberärztin in der Gynäkologie am Agaplesion Bethesda-Krankenhaus in Bergedorf. Die Medizinerin arbeitet im Kontinenz- und Beckenbodenzentrum der Klinik und weiß: Vielen Patientinnen kann geholfen werden.

Um einen hohen Standard der Behandlung zu garantieren, lässt sich das Zentrum seit 2012 von externen Gutachtern zertifizieren. „Das ist ein freiwilliger Prozess, dem wir uns unterziehen“, sagt Markus Linniek, der bei Bethesda für das Qualitätsmanagement zuständig ist. Im Zentrum der Zertifizierung steht die systematische Vor- und Nachsorge, gerade nach einer möglichen Operation. „Normalerweise verschwindet die Patientin nach der OP, was drei Monate später passiert, bekommt das Krankenhaus unter Umständen gar nicht mehr mit“, sagt Andreas Lang vom Qualitätsverbund Beckenboden.

Bergedorf: Bethesda-Krankenhaus ist für Frauen wichtige Anlaufstelle bei Inkontinenz

Im Bethesda setzt das Team dagegen auf Nachuntersuchungen sechs und zwölf Monate nach dem Eingriff. Die Ärzte halten das subjektive Empfinden der Frauen jeweils in Fragebögen fest und beurteilen den Gesundheitszustand aus Sicht der Fachleute. Auch die Fragebögen werden durch den Qualitätsverbund validiert. „Die Formulare müssen schließlich so gestaltet werden, dass alle Patienten den Inhalt auch richtig verstehen“, betont Andreas Lang. Die genau festgelegte Dokumentation von Beratung und Behandlung soll die Nachsorge ebenfalls erleichtern.

Dr. Martin Neuß, Chefarzt der Gynäkologie am Bethesda-Krankenhaus (von links), Ärztin Dr. Maike Kalb-Rottmann, Qualitätsmanager Markus Linniek und Andreas Lang vom Qualitätsverband Beckenboden bei der Übergabe des Zertifikats.
Dr. Martin Neuß, Chefarzt der Gynäkologie am Bethesda-Krankenhaus (von links), Ärztin Dr. Maike Kalb-Rottmann, Qualitätsmanager Markus Linniek und Andreas Lang vom Qualitätsverband Beckenboden bei der Übergabe des Zertifikats. © Bergedorfer Zeitung | Julian Willuhn

Im Schnitt kommen im Beckenbodenzentrum im Jahr 60 Frauen unters Messer. „Insgesamt haben wir seit 827 Patientinnen seit dem Jahr 2012 operiert“, sagt Maike Kalb-Rottmann. Das Bethesda-Krankenhaus ist die einzige Klinik in Norddeutschland, die sich entsprechend einmal im Jahr zertifizieren lässt. Im Umkreis von 230 Kilometern kann kein anderes Krankenhaus mit entsprechenden Standards aufwarten. „Deswegen haben wir auch Patientinnen aus der ganzen Region, teilweise bis aus Rostock“, erzählt Kalb-Rottmann.

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Im Beckenbodenzentrum behandeln die Gynäkologen ausschließlich Frauen, was der Fachrichtung geschuldet sind. Die sind allerdings statistisch auch deutlich häufiger von Inkontinenz betroffen. „Die kürzere Harnröhre macht Frauen empfindlicher, dazu kommt dann oft die Belastung von Geburten und die Hormonumstellung in den Wechseljahren gibt dem Beckenboden dann den Rest“, sagt Kalb-Rottmann. Dann werden die Schleimhäute im Unterleib dünner und verletzlicher. Der Behandlungsplan wird im Bethesda-Krankenhaus nach gründlichen Untersuchungen gemeinsam mit den Patientinnen festgelegt.

Dabei ist ein chirurgischer Eingriff keinesfalls immer nötig, wie die Gynäkologin betont. Stattdessen können konservative Behandlungsmethoden wie Beckenbodentraining oder eine Hormontherapie das Problem schon beheben oder zumindest deutlich lindern. „Viele Frauen entscheiden sich auch, erst eine konservative Behandlung durchzuführen und verschieben eine mögliche Operation auf einen späteren Zeitpunkt, zum Beispiel nach dem Rentenbeginn“, sagt Ärztin Maike Kalb-Rottmann. Bei älteren Frauen bespreche man die Belastung einer möglichen OP mit den Kollegen aus der Anästhesie und entscheide dann, ob die Belastung durch einen Eingriff zumutbar ist.