Hamburg. Ehrenamtliche setzen Technik ein, um versteckte Jungtiere auf den Feldern zu entdecken. Wie jeder in dem neuen Verein helfen kann.

Bereits im vergangenen Sommer retteten Torsten Riecken, Gerd Großweischede und weitere Tierfreunde Rehkitze und andere Tiere aus Feldern und Wiesen vor großen Mähmaschinen, indem sie die Flächen mit Drohnen samt Wärmebildkameras überflogen haben. Inzwischen haben die ehrenamtlich arbeitenden Tierfreunde den gemeinnützigen Verein Rehkitzrettung Vier- und Marschlande gegründet, um Spendenbescheinigungen ausstellen zu können. Denn die Drohnen und weiteres für die Tierrettungen notwendiges Equipment kosten viel Geld. In diesem Sommer wollen sie noch mehr Flächen überfliegen und Rehkitze retten als 2023. Damals waren es 167.

54 Helfer zählt die Rehkitzrettungsgruppe aktuell, darunter sieben Drohnenpiloten, denen drei hochwertige Drohnen zur Verfügung stehen. Das jüngste Fluggerät konnte der Verein in diesem Jahr für 8000 Euro erwerben. Das Bezirksamt gab 5000 Euro dazu. Bereits im vergangenen Jahr unterstützte die Verwaltung das Projekt mit 4000 Euro für die Anschaffung einer Drohne samt teurem Zubehör wie Wärmebildkamera und Akkus.

Mit den Drohnen sollen noch mehr Rehkitze gerettet werden

Weitere Helfer, die sich als „Läufer“ engagieren möchten, sind willkommen. Die mit Funkgeräten ausgestatteten, in Gummistiefel und Regenhosen gekleideten „Läufer“ bekommen von den Drohnenpiloten mögliche Sichtungen mitgeteilt und sammeln die Tiere vorsichtig ein. „An manchen Morgen laufen wir 15 Kilometer. Zum Ende der Saison werden wir auf dem Zahnfleisch gehen“, sagt Bettina Sommerbeck (48). Die Schatzmeisterin des Vereins engagiert sich als „Läuferin“. Während des Mähvorganges werden die Kitze in Transportboxen gesteckt, die an den Rand des Feldes gestellt werden. Unmittelbar nach den Mäharbeiten werden die Jungtiere wieder freigelassen. Wer ehrenamtlich helfen möchte, erreicht Torsten Riecken telefonisch unter 0162/236 63 72.

In der Regel treffen sich die Kitzretter um 4.30 Uhr am Rand der zu prüfenden Wiese. „Nach dreieinhalb, vier Stunden gehen wir dann zur Arbeit“, sagt Bettina Sommerbeck. Dadurch dauere ein Arbeitstag zwölf, 13 Stunden. „Aber diese kleinen Tiere zu retten, ist ein wunderschönes Erlebnis“, sagt sie. Schließlich treffe sie auf erst wenige Tage alte Kitze oder Junghasen. „Diese Tiere fangen erst nach 14 Tagen damit an, einen Fluchtreflex zu entwickeln. Wenn wir sie finden, liegen sie zusammengekauert im Gras.“

Für die Landwirte und Gärtner ist der Service der Tierretter kostenlos

Oft würden die Drohnen Tiere orten, die, sobald sich die „Läufer“ nähern, die Flucht ergreifen, etwa Hasen, Füchse, Fasane oder Marderhunde. „Manchmal stoßen wir auch auf ein Gelege“, sagt Bianka Heine (48, Schriftführerin/„Läuferin“). „Dann bringen wir die Enten- oder Fasaneneier natürlich in Sicherheit.“

Torsten Riecken (50) ist einer der Drohnenpiloten und koordiniert die Einsätze. Bei dem Vorsitzenden des neuen Vereins melden sich Landwirte, Gärtner und auch Privatpersonen, die ihre Flächen vor der Mahd überprüfen lassen wollen. „Der Service ist für sie kostenlos, aber wir bitten um Spenden“, sagt Riecken. Viele Flächen werden in einer Saison mehrfach überflogen, weil die Mähmaschinen dort zwei- oder sogar dreimal unterwegs sind. Die Drohnen werden von den Piloten so programmiert und mit GPS-Koordinaten gespeist, dass sie die Felder und Wiesen exakt abfliegen.

Im Mai wurden an 14 Einsatztagen bereits 805 Hektar überflogen

2023 überflogen die Tierfreunde mit ihren Drohnen rund 1400 Hektar Felder und Wiesen. „Damals haben die meisten Landwirte in den Vier- und Marschlanden unser Angebot genutzt. Diesen Sommer werden es vermutlich noch mehr sein“, sagt Riecken. An 14 Einsatztagen in diesem Jahr wurden schon 805 Hektar überprüft, berichtet er. „Wir haben bereits 44 Kitze gerettet.“ Mit dem Start am 1. Mai war man zwei Wochen früher dran als vor einem Jahr – „weil viele Landwirte witterungsbedingt da schon mit der Mahd begonnen haben“, betont Großweischede (41), stellvertretender Vorsitzender des Vereins. Viele von ihnen werden aufgrund des frühzeitigen Starts mehrfach ihr Gras oder Getreide mähen, dann erneut die Tierretter anklingeln. Die sind wiederum flexibel: „Termine können wenige Tage vor der geplanten Mahd mit uns abgesprochen werden“, sagt Bianka Heine.

Vorsichtig haben Torsten Riecken und Gerd Großweischede 2023 in den Kirchwerder Wiesen,  Rehkitze aufgenommen.
Vorsichtig haben Torsten Riecken und Gerd Großweischede 2023 in den Kirchwerder Wiesen, Rehkitze aufgenommen. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

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Die Flächen, die die Naturfreunde prüfen, reichen von 5000 Quadratmeter, für die die Drohne nur wenige Minuten benötigt, bis zu 20 Hektar. Wenn sie Drohnenflüge über Naturschutzgebieten wie den Kirchwerder Wiesen planen, beantragen sie eine Fluggenehmigung beim Bezirksamt. „Das klappt gut. Wir haben einen schnellen Draht zur Verwaltung“, sagt Riecken. „Die eingesammelten Tiere dokumentieren wir und geben dem Bezirksamt eine Rückmeldung.“

Weitere Infos zu dem Projekt und dem Verein und eine Bankverbindung (IBAN DE83 2019 0109 0012 0627 31) für Spenden finden sich auf der Internetseite der Tierfreunde, die sich noch im Aufbau befindet: rehkitzrettung-vum.de.