Hamburg. Werner Kleint (73) ärgert sich über die schleppende Stadtteilentwicklung und gibt sein Amt auf. Für das Bündnis ein herber Verlust.

Eigentlich wollte er noch die Schlüssel für das neue Bürgerhaus am Friedrich-Frank-Bogen in Empfang nehmen. Aber das dauert ihm zu lang: „Das ist alles so furchtbar schleppend hier in Bergedorf-West. Der Neubau neben der Kita wird frühestens in drei bis vier Jahren eröffnet“, ahnt der langjährige Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Bergedorf-West (Arge) Werner Kleint, ein Kümmerer für den Stadtteil. Er ist einfach ein bisschen müde geworden. Und beklagt: „Wir hier in Bergedorf-West werden einfach vergessen.

Ursprünglich 2019 bis 2025 sollte das gerade mal 1,2 Quadratkilometer große Gebiet entwickelt werden, von Freiraumstrategie und Mobilitätskonzept war und ist noch immer die Rede – Begriffe, mit denen die „Westler“ wenig anfangen können, bevor sie endlich mal eine Umsetzung sehen. Auch die „Handlungsempfehlungen für Fußwege“ oder das inzwischen vier Jahre alte Gutachten zur „Weiterentwicklung der sozialen Infrastruktur“ sind irgendwie bloß schlappes Papier. Und der geplante Umbau des Friedrich-Frank-Bogens macht noch längst nicht alle glücklich.

Stadtentwicklung Bergedorf-West: „Wir werden vergessen“ – Kümmerer gibt auf

Das soll Werner Kleints Sache nicht mehr sein – nach 43 Jahren im Angelverein und 21 Jahren bei der Arbeitsgemeinschaft Bergedorf-West: Jetzt hört er auf. Die Schlüssel für das 1993 eröffnete Bürgerhaus Westibül hat er ebenso abgegeben wie die PC-Dateien (samt Arbeitsverträgen für vier Leute).

Beim Newsletter hat er sich abgemeldet, und für die Alarmzentrale möchte der 73-Jährige auch nicht mehr ansprechbar sein. Lieber noch gemeinsame Zeit mit seiner Frau verbringen, die ihn bei drei Bandscheiben-Operationen begleitet hat. Und weiß, dass ihr Mann wöchentlich locker 30 Stunden für seine Ehrenämter aufgebracht hat.

Immer dieselben, wenigen Gesichter

„Was aber jetzt?“, möchte man den Aufschrei durchs Hochhausquartier hören, das nun ohne Arge-Vorsitz ist. Wer vermittelt jetzt zwischen Verwaltung, Politik und den Bürgern, die „auch ein Wörtchen mitreden“ wollen? Zudem wolle auch noch der 75-jährige Werner Omniczynski 2025 als Vize aufhören. Wer übernimmt die Arbeit? Immerhin 20 Vereine, Initiativen, Parteien, Kirche und Sportvereine tummeln sich in dem 1977 gegründeten Bündnis, das Werner Kleint seit zehn Jahren als geschäftsführender Vorstand zusammenhält.

Das ist angesichts mancher Karteileiche keine leichte Aufgabe: Es kommen immer dieselben Gesichter zur Stadtteilkonferenz. Und immer weniger. Und kaum jene, die sich engagieren könnten, wobei nach der bald neuen Satzung „nur Aktive in West“ aufgenommen werden sollen: „Das Quartier ist doch stark dominiert von Migranten, aber wie kriegen wir die ins Ehrenamt?“, fragt der Schifffahrtskaufmann: „Da wächst nichts nach.“

Ein Bürgerhaus zwischen Hochhauswelten: Welcher Trägerverein wird sich künftig für den Stadtteil engagieren?
Ein Bürgerhaus zwischen Hochhauswelten: Welcher Trägerverein wird sich künftig für den Stadtteil engagieren? © bgz | Anne Strickstrock

Am Anfang hatte er viele Freunde gefunden, mit denen er Musik, Laternenumzüge und Feste organisierte. Inzwischen sei es mühsam geworden im Rise-Entwicklungsgebiet mit seinen gut 7000 Bewohnern: „Es gab zig Konzepte und Sitzungen, bei denen wir viele Karten auf Wände geklebt haben. Aber es ist eine Hängepartie. Wir fühlen uns einfach hängengelassen von der schleppenden Vorgehensweise der Stadtentwickler, die auch noch alle Nase lang wechseln.“ Das habe er vor Jahren auch schon zu Olaf Scholz gesagt: „Wir werden hier in Bergedorf-West einfach vergessen. Man sieht hier nicht, dass sich was tun soll.“

„Gräbt uns Oberbillwerder das Wasser ab?“

Dabei soll das Einkaufszentrum moderner werden, sind 300 Wohnungen in zehn Neubauten geplant, dazu neue Wege und Plätze. Viele weitere Ideen sind „voller Elan“ gestartet, doch die Realität sehe traurig aus, so Kleint: „Der Sportplatz ist inzwischen Geschichte, der Verein hat kaum mehr 25 Kicker. Und hinter dem Umkleidehaus werden spätnachmittags Drogen vertickt.“ Auch in den Jugendclub Pink Haus am Oberen Landweg werde nicht investiert: „Es ist insgesamt traurig und hat den komischen Beigeschmack, dass Oberbillwerder uns das Wasser abgraben wird.“ Aber er betont: „Ich gehe nicht im Bösen.“

Werner Kleint vor dem P5: Der alte Schulpavillon beherbergt den Angelverein, aber auch Jugendliche aus dem Haus Warwisch und die DRK-Kita waren hier schon untergebracht.
Werner Kleint vor dem P5: Der alte Schulpavillon beherbergt den Angelverein, aber auch Jugendliche aus dem Haus Warwisch und die DRK-Kita waren hier schon untergebracht. © bgz | Anne Strickstrock

Denn für den alten Schulpavillon, den P5, den er „stets gepampert und gepflegt“ habe, schlägt sein Herz noch immer: Deshalb wird er jetzt Nachfolger für den 90-jährigen Beisitzer Ernst Böhme. Mit ihm plant er für den 7. Juni eine Abschiedsfeier. Nach der Begrüßung um 16 Uhr hat auch Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann ein paar Dankesworte am Friedrich-Frank-Bogen 5 zugesagt.

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Wobei ein knallharter Abschied noch etwas aufgeschoben wird: Im Jahr 2026 erst will Werner Kleint auch den Vorsitz des Angelvereins Bergedorf-West/Allermöhe mit seinen 300 Mitgliedern abgeben. Bis dahin nämlich wird noch ein neuer Unterschlupf für die drei Boote gebaut, die auch für den Gewässerdienst auf den Fleeten gebraucht werden. Das halbe Basketballfeld am Sportplatz Henriette-Herz-Ring ist dafür vorgesehen: Deckschicht abtragen, Fundament für drei Fertiggaragen setzen, Fläche pflastern, mit Mutterboden auffüllen, einzäunen – das alles wird 70.000 Euro kosten (40.000 davon aus Rise-Mitteln) und soll im August fertig werden.

Was Rise-Mittel angeht: Das Gebiet sollte eigentlich nur bis 2025 entwickelt werden, aber wahrscheinlich wird das Programm nochmal verlängert, meint CDU-Mitglied Kleint: „Bis dahin hat die Arge dann hoffentlich einen guten Vorstand und könnte Träger des neuen Bürgerhauses werden. Das ist zumindest eine Teilperspektive.“