Hamburg. Umweltbehörde zieht Veto gegen Photovoltaik im Forschungs- und Innovationspark am Schleusengaben zurück. Unter einer Bedingung.
Pünktlich zum Start der Brutsaison hat Hamburgs Umweltbehördejetzt den schlechten Ruf des Flussregenpfeifers in Bergedorf wieder hergestellt. Durch einen bürokratischen Kunstgriff ist es den Wilhelmsburger Beamten nach über zehn Jahren gelungen, das anspruchsvolle Brutverhalten der kaum 40 Gramm leichten Tiere mit dem Aufstellen von Photovoltaik-Anlagen zu vereinbaren. Ausgerechnet auf den Dächern im Forschungs- und Innovationspark am Schleusengraben hatten die Winzlinge das Installieren von Kollektoren nämlich bisher weitgehend verhindert.
Überraschend positive Post vom Bezirksamt als Genehmigungsbehörde bekam nun unter anderem Dr. Eckard Jantzen vom Lebensmittel-Forschungslabor Galab, das vor gut zehn Jahren im Innovationspark am Schleusengraben seine Firmenzentrale gebaut hat und hier heute mehr als 200 Mitarbeiter beschäftigt: „Es war schon sehr merkwürdig, dass wir die ganze Zeit über Vorkehrungen für Tiere treffen mussten, die hier brüten sollten, aber offenbar gar nicht wollten. Gut, dass es jetzt ein Einlenken gibt“, sagt der Galab-Geschäftsführer, dessen sehr energieintensives Unternehmen den Sonnenstrom immer schon sehr gut hätte brauchen können. „Wir werden umgehend reagieren und Sonnenkollektoren aufstellen.“
Bergedorf: Photovoltaik und brütende Vögel – geht etwa beides?
Bisher standen dem die Vorgaben des Bebauungsplans entgegen: Das Regelwerk nimmt Bezug auf die Sichtung zweier Flussregenpfeifer-Brutpaare um das Jahr 2010 im damals noch unbebauten Gelände zwischen A25, Schleusengraben und Curslacker Neuer Deich. Um ihnen trotz der Erschließung des Areals diese Brutplätze zu erhalten, wurde festgelegt, dass alle Neubauten mindestens zu 50 Prozent freie Kiesdächer ohne jeglichen Bewuchs bekommen müssen. Auch aufgeständerte Sonnenkollektoren für Photovoltaik wurden verboten, weil sie den anfliegenden Vögeln im Weg stehen würden.
Die Beobachtungen von Eckard Jantzen und seinen Mitarbeitern, dass nie ein brütender Vogel auf dem Galab-Dach gesichtet wurde, ließen die Behörden stets kalt. Selbst detaillierte, langfristig angelegte Gutachten zur Flussregenpfeifer-Population hatten keine Aussicht auf Erfolg gehabt, weil stets Ausweichflächen in direkter Umgebung gefordert wurden. Und die gibt es im Forschungs- und Innovationspark am Schleusengaben nicht mehr.
Plötzlich genügt es, dass der Flussregenpfeifer in den Vier- und Marschlanden brüten könnte
Dass es jetzt anders kommt, liegt offenbar am intensiven Nachfragen der FDP vom Februar im Bergedorfer Stadtentwicklungsausschuss – und sicher auch am internen Nachbohren des Bezirksamts bei der Umweltbehörde. Denn die Lösung des Problems ist ebenso schnell wie unbürokratisch: „Die Vorgaben des Bebauungsplans bleiben, wie sie sind. Aber ab sofort wird jeder Antrag auf Photovoltaik auf den Dächern im Forschungs- und Innovationspark als Ausnahmegenehmigung positiv beschieden“ sagt Bezirksamts-Sprecherin Gabriele Günter. Die Umweltbehörde sei zu der Einschätzung gelangt, dass Befreiungen fortan erteilt werden könnten.
Eine Lösung, im Gegensatz zu einer Änderung des gültigen Bebauungsplans, die ganz ohne jahrelangen Weg durch die Instanzen möglich ist. Und das „kleine“ Hindernis, dass für Ausnahmegenehmigungen eigentlich Ersatzflächen in direkter Umgebung der Gebäude zwingend erforderlich sind, wird ebenfalls elegant umgangen: „In den gesamten Vier- und Marschlanden gibt es genügend Wasserläufe mit von Kiesflächen geprägten Uferbereichen“, sagt Gabriele Günter. „Die sind ideale Brutflächen für den Flussregenpfeifer.“
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Ganz ohne Bedingung kommen die nun bei jedem Antrag auf Photovoltaik automatisch erteilten Ausnahmegenehmigungen aber doch nicht aus: Alle bisher aufwendig als reine Kiesdächer ganz ohne Bewuchs hergerichteten Dächer müssen neu als Gründächer angelegt werden, hat die Umweltbehörde festgelegt. Das sei wichtig für das Stadtklima und als Regenwasserschwamm.
Karsten Schütt, der das Umdenken mit seinem Antrag in der Februar-Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses angestoßen hatte, ist dennoch zufrieden: „Es freut uns, dass auch die Umweltbehörde ein Einsehen hat und nicht weiter an Regelungen festhält, die ihren Zweck nicht erfüllen“, sagt der FDP-Bezirksabgeordnete. „Einem zügigen Ausbau von Photovoltaikanlagen auf den Flachdächern im Forschungs- und Innovationspark am Schleusengraben sowie seinen benachbarten Wohn- und Gewerbeimmobilien am Schilfpark sollte jetzt nichts mehr entgegenstehen.“