Altengamme. Ausgerechnet gegen den neuen Meister Vorwärts-Wacker Billstedt gelingt den Vierländern der entscheidende Sieg. Doch es war ein Drama!
Die letzten Minuten der Partie gegen den SC Vorwärts-Wacker Billstedt fühlten sich für Philipp Mohr wie Stunden, nein, wie Tage an. Wie paralysiert stand der Ligaobmann des Fußball-Landesligisten SV Altengamme in der Nachspielzeit des Duells mit dem bereits feststehenden Meister an der Seitenlinie und blickte immer wieder zu Schiedsrichter Gerhard Ludolph (Hoisbütteler SV).
Sehnsüchtig wartete er auf den Abpfiff und damit das Happy End einer äußerst komplizierten Saison. Als der Referee die Partie dann beendete und der Klassenerhalt der Vierländer durch den 3:2-Erfolg feststand, ballte Mohr die Fäuste, ging auf die Knie und legte dann seinen Kopf auf den Rasen.
Landesliga: SV Altengamme zittert sich zum Klassenerhalt
Eine ganze Zeit lang verharrte der Macher des SVA in dieser Stellung. Dass sein Kopf beinahe genau neben dem Fuß von Max Böttcher und damit dem dick geschwollenen Knöchel des Altengammer Verteidigers, der während des Spiels umgeknickt war, lag, es war ein äußerst symbolträchtiges Bild für die Saison des Dorfclubs. Denn nicht zuletzt wegen diverser verletzungsbedingter Ausfälle von Leistungsträgern wie Abwehrhüne Niko Reimers waren die Vierländer in den Abstiegsstrudel geraten.
Die Sorge um den Ligaverbleib, sie hatte Mohr schwer zugesetzt. „Es waren harte Wochen mit vielen schlaflosen Nächten. Da ist gefühlt gerade der Druck der letzten vier Monate abgefallen“, sagte der Ligaobmann, nachdem er sich wieder vom Rasen aufgerappelt hatte. Mit der schweren Herzens erfolgten Trennung von seinem Kumpel und Coach Ingo Carstensen nach einer „unfassbar schlechten Hinrunde“ (Mohr) hatte er die Trendwende eingeleitet.
Unter dessen Nachfolger Marco Theetz sowie dem neu hinzugeholten Co-Trainer Alexander Müller ging es langsam bergauf. „Wir haben richtig gute Fortschritte gemacht, es aber leider verpasst, in den Duellen mit den direkten Konkurrenten den finalen Schritt aus dem Tabellenkeller zu machen“, resümierte Mohr.
So musste lange gezittert werden, ob der SVA seinen Status als Klub mit den aktuell meisten Jahren der Zugehörigkeit in der Landesliga würde bewahren können. Nach dem Zittersieg gegen Billstedt steht nun fest: Der SV Altengamme bleibt Hamburgs Sechstliga-„Dino“.
HSV-Scout Florian Rogge machte es wie einst Manfred Kaltz
Großen Anteil am Erfolg gegen den Oberliga-Aufsteiger hatte dabei ein Mann, der beim früheren Bundesliga- und wohl baldigen Zweitliga- „Dino“ HSV ausgebildet wurde: Florian Rogge. Der 26-Jährige zeigte als Chef der Vierer-Abwehrkette eine grandiose Leistung und brachte die Hausherren vor „99 Zuschauern, darunter 25 Damen, keine Kinder und zwei Hunde“ (Stadionsprecher Markus Nollau) auch mit einem Kunstschuss in Führung. Aus halbrechter Position schnippelte Rogge einen Freistoß aufs kurze Eck und überraschte damit Billstedts Keeper Martinique Hoffmann (6.).
Der Treffer erinnerte stark an das 2:1 von Manfred Kaltz im Finale des DFB-Pokals 1987 für den HSV gegen die Stuttgarter Kickers. Kaltz hatte damals zwei Minuten vor Schluss einen Freistoß aus 21 Metern flach um die Mauer herumgeschlenzt und so Stuttgarts Torwart Armin Jäger ausgetrickst. Am Ende siegte der HSV mit 3:1. Es war bis heute der letzte große Titelgewinn für den Hamburger Traditionsverein.
Kalorienbomben zur Beruhigung der Nerven nach der Altengammer Führung
Ob sich der Altengammer Abwehrchef die legendäre „Bude“ des Erfinders der „Bananenflanke“ wohl ein paar Mal im HSV-Museum angeschaut hat? Wäre schon möglich, schließlich arbeitet der 26-Jährige als Scout für den Zweitligisten. Nach dem tollen Standard war für die Hausherren aber bis zur Halbzeit beinahe nur „Maloche“ angesagt.
Denn die Gäste dominierten die Partie, waren sehr ballsicher und trugen immer wieder schöne Angriffe vor. „Aber wir haben wirklich alles weg verteidigt, das war schon Wahnsinn“, freute sich SVA-Offensivmann Philip Alpen. So blieb es zur Halbzeit beim 1:0.
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Die nach der bereits feststehenden Meisterschaft nicht in Bestbesetzung angetretenen Billstedter rückten nach dem Seitenwechsel weiter auf und ermöglichten den Gastgebern so Konterchancen. Zwei davon verwerteten sie perfekt. Zunächst traf der lange verletzte Jan Lukas Stegen mit einem trockenen Schuss ins kurze Eck zum 2:0 (55.), vier Minuten später ließ Jonas Buck die Vierländer ein drittes Mal jubeln.
Mohr ballte anschließend die Fäuste und verteilte siegessicher wie immer nach Altengammer Toren ein paar zuckersüße Lutschbonbons, von denen jeder seriöse Hausarzt nur abraten kann.
21 Spieler aus dem aktuellen Kader bleiben dem SV Altengamme treu
Beinahe wären den SVA-Trainern und Ersatzspielern die Kalorienbomben im Hals stecken geblieben. Denn plötzlich schlich sich der Fehlerteufel bei den Vierländern ein. Die Gäste konnte durch Enis Djebbi (73.) und William Moje (89.), die jeweils per Kopf trafen, auf 2:3 verkürzen. Hernach begann bei den Hausherren das große Zittern – diesmal aber anders als oft zuvor in dieser Saison mit einem Happy End.
„Jetzt können wir den eingeschlagenen Weg fortsetzen und im Sommer ohne die Hypothek einer schlechten Hinrunde neu starten“, freute sich Mohr. Der Ligaobmann wird ebenso wie das Trainer-Team sowie 21 Akteure des aktuellen Kaders weitermachen. Es bleibt also alles beim Alten beim Altengammer „Dino“.
SV Altengamme: Fedgenhäuer – Garbers, Rogge, Behr, Böttcher (77. Geffert) – Kleinert, Eickhoff, Stegen (65. L. Pax), Buck, Alpen – Jens (90.+3 Heitbrink)