Hamburg. Kabarettist beendete mit seinem „Neustart“-Programm die Spielzeit im Lichtwarktheater. Am Ende brachte er sein Publikum zum Brüllen.
Ein Schreibtisch, ein Bürostuhl, eine Leinwand und das war‘s. Nein, ein fetziges Bühnenbild hatte wohl keiner der etwa 450 Zuschauer erwartet, die am Sonntag ins Körberhaus in Bergedorf gekommen waren, um Florian Schroeder zu sehen. Der 44-jährige Kabarettist, bekannt auch aus Fernsehformaten, beendete im fast ausverkauften Lichtwarktheater die Spielzeit 2023/24. Und um die Bergedorfer am Ende des etwa zweieinhalbstündigen Programms sogar zum Brüllen zu bringen, brauchte er absolut keine unnützen Accessoires.
„Neustart“ heißt das Programm, das er vor fast ausverkauftem Hause zeigte und das mit einer Ansammlung an Filmschnipseln startete – stotternde Politiker, Tortenschlachten, Klimakatastrophen, halt der ganze Irrsinn unserer Zeit. Sein Publikum warnte er eingangs locker vor: „Wir lassen den ganzen Billig-Comedy-Quatsch hier mal weg: Ironie, Meta-Ebene, dritte, vierte Ebene!“ Alles sei heute genau so gemeint, wie es gesagt werde. „Das Motto des Abends lautet: zuschauen, entspannen, nicht nachdenken!“ Von wegen...
Kabarett Hamburg: Florian Schroeder musste sich in Bergedorf erst warmlaufen
Der Kabarettist, der sich erkennbar erst mal warmlaufen musste und teils ein wenig zu hastig sprach, machte den Bergedorfern die Aufgabe des Abends gleich klar: Gemeinsam sollte später ein neuer Messias gewählt werden. Denn nach dem ganz Irrsinn der vergangenen Jahre, „Pandemie, Kriege und so weiter“, brauche es eben einen „Neustart“ mit neuem Personal.
Zunächst aber gab es mal ein bisschen Nachhilfe in diesen und jenen Themen. Wokeness zum Beispiel, dieses Hassthema vieler Menschen. „Woke zu sein heißt zum Beispiel, gegen Autos und Flugzeuge als Fortbewegungsmittel zu sein“, stellte er fest. „Das sind wir alle, das weiß ich; denn wer ist heute Abend mit dem Flugzeug gekommen? Richtig, keiner.“ Und, ja, vielleicht mit dem Auto, aber „um aus dem Vorort Bergedorf mal rauszukommen, braucht man eben ein Auto“. Kleine Provokationen, die ihm das altersmäßig gut durchmischte Bergedorfer Publikum, gern verzieh. Ein bisschen Selbstironie darf eben sein.
Bei Florian Schroeder klang das „böse Woke“ aber nicht nach konservativem Stammtischgerede. Der Kabarettist konnte sich im Laufe des Abends genüsslich quer durch das politische Personal lästern – von Olaf „Schlumpfi“ Scholz über Markus Söder, dessen billigen Populismus „noch nicht mal die Bayern verdient hätten“ bis zum etwas weichgespülten Robert Habeck – ohne dass sein wohl eher linksliberales Bergedorfer Publikum zuckte.
Florian Schroeder teilt gegen die AfD aus
Denn der 44-Jährige outete sich im Laufe des Abends nicht nur als Grünen-Wähler („Das ist immer der schwierigste Teil des Abends“), er lederte auch immer wieder unverhohlen gegen die AfD und deren Europa-Spitzenkandidaten Maximilian Krah. Schroeder zitierte AfD-Aussagen wie die, dass „die Einwanderer“ später sicher „nicht die Europäer“ im Alter versorgen würden und stellte ironisch fest: „Nein, sie essen sie auf.“ Und machte im zweiten Teil des Abends in einem Gedankenexperiment deutlich, wie erschreckend einfach es wohl wäre, wenn eine populistische Partei mit absoluter Mehrheit in Deutschland regieren würde.
Sukzessive schilderte er, wie er als „Bundeskanzler Florian Schroeder“ der Partei „Neustart“ das Bundesverfassungsgericht aushöhlen und langsam alle Machtapparate zu seinen Gunsten verändern würde... Nicht so einfach, das Ganze? Doch, meinte der Kabarettist: alles eine Frage der richtigen Versprechungen. Und im Falle des „Vorortes“ Bergedorf: „Ich muss Ihnen hier nur eine bessere Bahnhofsanbindung versprechen“, so der Wahlberliner.
Florian Schroeder sucht neuen Messias – und findet ihn nicht
Offen bleiben, aufmerksam bleiben, tolerant sein, auch außerhalb der eigenen gesellschaftlichen Gruppen, so ließ sich wohl zusammenfassen, was Schroeder seinem Publikum mitgeben wollte. Besonders zum Ende des Abends wurde der Kabarettist dann zunehmend warm mit seinem Bergedorfer Publikum, das er ein ums andere Mal als besonders toll lobte und das auch Späßchen mit sich machen ließ: Zettel, die in der Pause mit Vorschlägen für einen neuen Messias ausgefüllt werden mussten, wurden brav abgegeben und boten in der zweiten Hälfte reichlich Anlass für Vergnügen. Der Kabarettist las Vorschläge wie den einer Zuschauerin vor, den eigenen Ehemann zum Messias zu machen, „weil er seit 45 Jahren seine Meinung nicht geändert hat“, und brachte das Publikum mit weiteren Ergänzungen und Vorschlägen zum Lachen. An die Wand geworfene Bilder von Prominenten, die als Messias geeignet wären, durften die Bergedorfer mit „Weg!“-Rufen niederbrüllen.
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Ein Messias wurde nicht gefunden – und Schroeder fand das auch ganz gut so. Vielleicht sei dieser Messias ja schon da gewesen und wir müssten nicht länger warten, sondern könnten ins Handeln kommen, so das Schlusswort des Kabarettisten im Lichtwarktheater.
Weil er zuvor auch noch sein großes Talent zum Politikerimitieren gezeigt hatte und die Bergedorfer ihm Nachahmungswünsche zuzurufen durften, war die Stimmung am Ende des Abends mehr als fröhlich: Die Bergedorfer verabschiedeten Schröder mit tosendem Applaus und erarbeiteten sich so sogar eine kleine Zugabe.