Neuallermöhe. Weil das Bundesprogramm Sprache ausgelaufen ist, fallen in der Kita Neu-Allermöhe Stellen weg. Worin Erzieher auch ein Problem sehen.

Es gibt ein neues Klettergerüst, Reckstangen und einen Balancier-Parcours an der Marta-Damkowski-Kehre: Mit einem Sommerfest am 28. Juni will die evangelische Kindertagesstätte Neu-Allermöhe ihren neuen Spielplatz einweihen, für den der evangelische Kirchengemeindeverband immerhin 30.000 Euro investiert hat. Mit dem neuen Bewegungsangebot will Kerstin Engert-Röhl, die seit vier Jahren die Kita leitet, die „Flaute“ abfangen und macht reichlich Werbung mit Flyern und einem großen Banner: Von 195 Plätzen sind aktuell bloß 160 besetzt.

Das liege einerseits daran, dass generell weniger Krippenkinder angemeldet werden („wir mussten eine ganze Gruppe schließen“), aber auch daran, dass das Haus keine offizielle Sprachförder-Kita mehr ist und auf zusätzliche Fachkräfte verzichten muss: „Mit dem Wegfall des Bundesprogramms Sprache mussten wir zum Jahresende 120 Personalstunden abbauen und drei Kollegen abgeben“, klagt die 41-Jährige. Dabei haben mehr als die Hälfte der Kitakinder einen Migrationshintergrund, sprechen mit ihren Eltern Arabisch, Russisch oder Farsi.

Eltern wollen sich „gut integriert“ zeigen

„Bei uns sind es zu 80 Prozent migrantische Kinder. Das ist gerade in Neuallermöhe natürlich eine Katastrophe, wenn es weniger Sprachförderung gibt“, bestätigt auch Ria Albert, die das DRK-Kinderhaus Springmaus am Wilhelmine-Hundert-Weg leitet und zwei Stellen streichen musste. Nun wolle Hamburg zwar mit einem Landesprogramm aushelfen, doch das „akute Problem“ liege im System: Als erstes nämlich gehen die Eltern zum Jugendamt, um einen Kita-Gutschein zu beantragen. Dort werden sie gefragt, ob zu Hause Deutsch gesprochen wird. Und damit sie als „gut integriert“ dastehen, kreuzen die meisten im Formular ein „Ja“ an. Nach dieser Datenerhebung gibt es für die Kitas aber weniger Geld für die sprachliche Betreuung.

Dabei sind viele Satzstellungen wirr, gibt es den „kleinen Bruda“, wird manchmal gar nicht gern gesprochen, sondern lieber am Computer gespielt. „Viele Eltern verstehen das Formular und die deutsche Bürokratie nicht“, meint Ria Albert und will sich an den Landeselternrat wenden. Auch Bergedorfs Politik schüttelt den Kopf: „Das ist politisch sehr fragwürdig und fachlich für die Kinder nicht haltbar. Zumal auch Kinder mit deutscher Herkunft zunehmend logopädische Förderung brauchen“, meint Heribert Krönker, der für die Grünen im Landes-Jugendhilfeausschuss sitzt.

Beim Rollenspiel „Sprachanlässe“ schaffen

Zweifel an der „praktischen Handhabung“ hat auch Petra Petersen-Griem (SPD): „Die Ursache liegt bei Schreibtischtätern zwischen Theorie und Praxis. Da fehlt eine Sensibilität für die Zeit, in der wir leider sind. Denn oft wird einfach aus Angst als Familiensprache Deutsch angegeben.“

Laut Statistikamt Nord liegt der Anteil von Kindern, deren Familien kein Deutsch zu Hause sprechen, bei 32,7 Prozent. Das ist jedes dritte Kind, das von einer Sprachkita oder einem Kita-Plus-Programm profitieren würde. Dabei sei es ja durchaus wünschenswert, wenn die Muttersprache aus Polen oder Ghana nicht verlernt wird, meint Kita-Leiterin Kerstin Engert-Röhl, die aus der peruanischen Stadt Lima stammt und mit ihren Töchtern (5 und 11 Jahre) Spanisch spricht.

Aber es gehe eben auch um deutsche „Sprachanlässe“ – das kann beim Rollenspiel als verkleideter Tierarzt oder Postbote sein. Auch wer im Kita-Atelier malt, den Eiffelturm nachbaut oder Bilderbücher über Fußball guckt, kann seinen Wortschatz erweitern. Und beim jährlichen Sprachentwicklungsbogen punkten, wenn vermerkt wird, ob das Kind Laute nachbildet, Aufforderungen, Präpositionen und einfache Geschichten versteht.

Immer mehr autistische Kinder

Zum Deutschlernen ist es grundsätzlich besser, viel Zeit in der Kita zu verbringen, nicht selten waren die Kleinen acht Stunden lang im Haus. „Aber seit Corona sparen auch viele Familien und nehmen nur noch den kostenlosen Fünf-Stunden-Gutschein samt Mittagessen in Anspruch“, so die Sozialpädagogin.

Doch laut Bergedorfer Bezirksamt, das die genaue Anzahl aller Bergedorfer Kinder nicht kennt, gibt es sogar einen Rückgang: So wurden 2023 insgesamt 4480 Fünf-Stunden-Gutscheine ausgegeben, im Jahr davor waren es 4580 und im Jahr 2021 sogar noch 4687.

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„Mehr Fünf-Stunden-Scheine“ jedoch zählt auch Ria Albert für die Springmaus-Kinder. Sie hat aber auf anderer Seite eine „Riesen-Nachfrage“, denn von 180 Plätzen sind 22 für Integrationskinder reserviert: „Viele Eltern fragen nach einem Platz für ihre autistischen Kinder. Darauf sind in Bergedorf jedoch nicht viele Kitas spezialisiert, da müsste man dringend nachbessern.“

Als Vertreterin der Sozialbehörde wird am Dienstag, 30. April, Angelina Ribeiro von Wersch im Bergedorfer Jugendhilfe-Ausschuss sprechen. Die Logopädin will zunächst die drei sprachlichen Förderstufen des neuen Hamburger Landesprogramms vorstellen. Die öffentliche Sitzung beginnt um 17.30 Uhr im Körberhaus an der Holzhude 1.