Hamburg. Mitten in der Bergedorfer City ist ein Wohnprojekt entstanden. Die Gruppe möchte nun den Weg für weitere Initiativen ebnen.
Eine Kommune hier im Bergedorfer Tor? Bei diesem Begriff muss Hans Ruzanska doch sehr herzlich lachen. Denn so würde der 72-Jährige die Hausgemeinschaft, in der er mit seiner Frau Elfriede (69) sowie 15 weiteren Parteien lebt, nun wirklich nicht nennen.
Dass eine Kommune eigentlich nur Menschen beschreibt, die nicht verwandt oder verpartnert sind und dennoch verbindlich zusammenleben, trifft es zwar durchaus. Aber Hippies, eher nein. Die bunt gemixte Schar aus Älteren, Jüngeren, Berufstätigen, Rentnern, Ehepaaren und Alleinerziehenden im Verein „Hausgemeinschaft Bergedorfer Tor“ versteht sich einfach als Wohnprojekt, in dem Menschen füreinander einstehen.
Die Hausgemeinschaft im Bergedorfer Tor lebt den Zusammenhalt
Vor einem Jahr hat sich die Gruppe in Hausnummer 13c des Bergedorfer Tors zusammengefunden. Und ist damit eines von nur wenigen Wohnprojekten im Bezirk, die bisher verwirklicht werden konnten. Die Initiative Greves Garten hatte um das Jahr 2000 herum in Bergedorf dem Trend den Weg bereitet; ein weiterer Ableger folgte am Gojenbergsweg.
Doch „seitdem ist nicht viel passiert“, stellt auch Hans Ruzanska fest. Zusammen mit seinen Mitstreitern möchte er das ändern, plant im März gemeinsam mit dem Vermieter, der Baugenossenschaft Bergedorf-Bille, eine Podiumsdiskussion unter dem Titel: „Wohnprojekte erwünscht!“
In der Gemeinschaft werden viele Kompetenzen gebündelt
Denn es war auch für Hans Ruzanska und seine Frau nicht einfach, einen Weg in so ein Gemeinschaftswohnen zu finden. Als die drei Kinder aus dem Haus waren, stellte sich dem Paar die Frage, was kommen soll. Ein Tausch vom Neuallermöher Haus zu einer Eigentumswohnung schien sich finanziell nicht zu lohnen. Schließlich kam der Gedanke, sich einem Wohnprojekt anzuschließen. Menschen, die sich gut kennen, gegenseitig unterstützen und auch aufeinander aufpassen: Das sieht der 72-Jährige noch immer als Wohnform der Zukunft.
„Es wirkt der Isolation entgegen“, meint er. Und es zahle sich übrigens auch für den Staat aus, weil Menschen nicht mehr durchs Raster ausfallen. „Dazu kommen noch all die persönlichen Benefits, denn es werden ja ganz viele Kompetenzen in der Gemeinschaft gebündelt.“ Der eine kann eine Lampe anbohren, der Nächste Nachhilfe geben oder einfach mal aufs Kind der Alleinerziehenden aufpassen.
Baugenossenschaft Bergedorf-Bille hat angefragt
Doch obwohl es eine große Nachfrage nach Wohngemeinschaften gibt, sind Grundstücke rar oder kaum erschwinglich. Finanzstarke Investoren machen oft das Rennen, kleine Projekte bleiben außen vor – trotz politischer Versprechungen. So war es auch mit dem „Wohnprojekt Bergedorf3“, in dem sich Hans Ruzanska und seine Frau mit anderen Interessenten zusammenschlossen. Bis heute hat dieses Projekt kein geeignetes Grundstück in Bergedorf gefunden. Es tat sich aber etwas anderes.
Die Baugenossenschaft Bergedorf-Bille habe irgendwann angefragt, ob Interesse an einem Wohnprojekt im Bergedorfer Tor bestehe, berichtet Hans Ruzanska. Das kam nur für zwei der acht Parteien in der Initiative „Bergedorf3“ infrage. Denn im Bergedorfer Tor konnte die Gemeinschaft nur bereits bestehende, „normale“ Mietwohnungen beziehen und nicht nach eigenen Vorstellungen neu bauen.
So ging die Hausgemeinschaft Bergedorfer Tor aus der anderen Initiative hervor. Der neu gegründete Verein fand schnell weitere Interessenten. Vor einem Jahr bezog schließlich die bunt gemixte Schar aus sieben Nationen – Menschen unter anderem deutscher, syrischer oder polnischer Herkunft – in die Mietwohnungen der Bergedorf-Bille im Bergedorfer Tor.
Im Gemeinschaftsraum wird geklönt, gekocht, gesungen
Ein ganzer Hauseingang wird belegt, plus eine Wohnung nebenan. Doch auch wenn jeder sein eigenes Reich hat: Die Gemeinschaft ist immer spürbar, meint Hans Ruzanska. „Ich komme nach Hause, und das nicht nur in meiner Wohnung“, sagt er. Im Gemeinschaftsraum der Bergedorf-Bille wird geklönt, gekocht, gesungen, beraten, es werden Sommerfeste oder kleine Gartenprojekte geplant – und vieles mehr. Oder alle packen in einer Wohnung beim Möbelaufbau mit an. Dass der eine geselliger ist als der andere, macht dabei nichts. „Hier wird nichts aufgerechnet“, sagt der 72-Jährige.
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Dass viele Menschen sich für diese Art zu wohnen begeistern, hat längst auch die Stadt Hamburg begriffen: Sie fördert Baugemeinschaften und Wohnprojekte. „Das Problem liegt dann aber doch manchmal bei der Umsetzung“, meint Hans Ruzanska. Deshalb möchte das befreundete „Wohnprojekt Bergedorf3“ nun im März mit Vertretern aus Politik und Verwaltung diskutieren.
Es soll um den „sozialen und politischen Wert von Wohnprojekten“ gehen, zudem um eine Bestandsaufnahme. Und schließlich konkret um die Frage: Was können wir gemeinsam tun, um Wohnprojekte in Bergedorf zu ermöglichen? Die Hoffnung ist, bei den richtigen Adressaten Gehör zu finden – und weiteren Projekten in Bergedorf den Weg zu ebnen.