Hamburg. Mitglieder der Bewegung Combatants for Peace berichten in der Stadtteilschule Lohbrügge über Nahostkonflikt und diskutieren Lösungen.

Ihre Mission ist mutig und friedlich: „Wir wollen gleichberechtigt und fair miteinander in Frieden leben“, lautet das Motto der 2005 gegründeten Bewegung „Combatants for Peace“, die sich mit gewaltlosem Widerstand für eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts einsetzt. Viele Gründungsmitglieder sind Ex-Soldaten aus der israelischen Armee oder ehemalige palästinensische Paramilitärs. Ein solches Team kam nun an die Stadtteilschule Lohbrügge, um mit 200 Oberstufenschülern über die kritische Situation und mögliche Lösungen zu debattieren, denn: „Krieg hat keine Gewinner.“

Osama Ilivat (45) stammt aus Jericho im palästinensischen Autonomiegebiet. Der Elektro-Ingenieur saß als 14-Jähriger neun Monate lang im Gefängnis, weil er eine Palästina-Flagge gehisst hatte. Sein Freund Rotem Levin (33) erzählt von seinen drei Pflichtjahren beim israelischen Militär: „Das erste Jahr war eine Pilotenausbildung, doch ich war nicht gut genug. Danach kam ich zu einer Aufklärungseinheit, bei der wir einmal nachts eine Sound-Granate auf die Westbanks (Westjordanland, Anm. d. Red.) geworfen hatten. Einfach nur zum Abschrecken, also um zu zeigen, dass wir da sind“, erinnert er sich. Und daran, dass er darüber nicht hatte reden dürfen.

Stadtteilschule Lohbrügge: Dialog für den Frieden – Aktivisten und Schüler im Gespräch

Der Krieg müsse sofort gestoppt werden, es gehe um einen israelisch-palästinensischen Dialog, betonen beide: Es brauche einen Boykott, aber nicht gegen die Zivilbevölkerung. „Was denkt ihr über die Hamas, was bedeuten die für euch?“, wollten die Gymnasiasten wissen. „Die Befreiungsbewegung spaltet die Palästinenser. Und jede Bombe auf den Gaza-Streifen, auch die Waffen aus Deutschland, bringen einen weiteren Hamas-Kämpfer hervor. Denn wer alles verliert, wird gewalttätig“, sagt der jüdische Levin. Sein muslimischer Partner Ilivat antwortet: „Es ist nicht akzeptabel, unschuldige Familien in ihren Häusern zu terrorisieren. Wir dürfen nicht gegen Menschen kämpfen, sondern gegen das System, das uns nicht als Menschen sieht.“

Es sei ein tragischer Konflikt, da letztlich beide Seiten nur um ihre Existenz kämpften, so Levin: „Es sind schon 30.000 Tote. Wir brauchen nicht täglich noch mehr Bilder von Sterbenden. Und wir dürfen nicht der Propaganda dieser radikalen Regierung glauben, die die Leute in Gaza Nazis nennt und alles rechtfertigen will, wenn Juden angeblich gegen Nazis kämpfen.“

Auch nach der zweistündigen Veranstaltung hatten die Lohbrügger Gymnasiasten noch viele Fragen an Rotem Levin (links) aus Israel.
Auch nach der zweistündigen Veranstaltung hatten die Lohbrügger Gymnasiasten noch viele Fragen an Rotem Levin (links) aus Israel. © bgz | Anne Strickstrock

Man sehe bloß die Attacken in den Medien, keine Gespräche am Runden Tisch, wundert sich der Elektro-Ingenieur: „Wir werden kämpfen, bis das internationale Recht unsere Menschenrechte anerkennt. Aber solange sie uns Waffen und Raketen schicken, damit wir uns gegenseitig umbringen, sind die anderen Staaten wohl nicht wirklich an einem Frieden interessiert.“

Ob denn ein Waffenstillstand den Krieg beenden könnte, wollten die Lohbrügger Schüler wissen. Das wäre wohl ein erster Schritt, „aber ich weiß nicht, was danach passiert“, antwortet der Israeli. „Es würde den Krieg nicht stoppen, aber Tod und Hunger vermeiden. Und die Menschen wenigstens für zwei Minuten in Ruhe schlafen lassen“, so der Palästinenser. Dann könne man nach einer politischen Lösung suchen, die nicht unbedingt in einer Zwei-Staaten-Teilung enden müsse: Das würde wohl nicht mehr funktionieren angesichts der inzwischen 650.000 bewaffneten Siedler: „Wir brauchen eine Demokratie als Lösung, vielleicht zwei Föderationen ohne Grenzen, mit einer Regierung“, überlegt der 33-Jährige und hofft, dass das Land nicht aufgeteilt werden müsse: „Wenn die Menschenrechte akzeptiert werden, gibt es auch weniger Widerstand.“

Skeptischer Blick auf eine Zwei-Staaten-Regelung

Ähnlich sieht es Osama Ilivat, aber „die Siedler müssten akzeptieren, dass sie in Palästina leben und dürfen nicht 80 Prozent des gesamten Wassers verbrauchen. Außerdem sollten sie proportional weniger Land beanspruchen, denn Palästina hat schon lange keine neue Stadt mehr bauen können. Meine Stadt Jericho zum Beispiel kann nicht wachsen.“ Wenn die Unabhängigkeit gewahrt werde, „können wir jede Lösung für ein gemeinsames Existenzrecht akzeptieren, wenn wir alle gleich und frei sind“. Im Vordergrund stehe trotz unterschiedlicher Meinungen das friedliche Miteinander, ohne Separation: „Unsere Kinder müssten in denselben Orten leben und in dieselben Schulen gehen.“

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Es sei an der Zeit, endlich aufzuwachen, denn eine militärische Lösung gebe es nicht, Frieden sei die einzige Alternative. Daher bitten die Friedensaktivisten um Mithilfe, bieten Führungen durch die besetzen Gebiete an, treffen Jugend- und Studentengruppen, organisieren gemeinsame Protestmärsche und gewaltfreie Solidaritätsaktionen. Durch Deutschland touren die beiden noch bis zum 25. Februar. „Wenn wir zurückkehren, komme ich wenigstens vor ein ordentliches Gericht“, ahnt Rotem Levin, der gerade seine Ausbildung zum Arzt abgeschlossen hat. Während sein Freund anderes erwartet: „Es sind schon 4000 im Gefängnis, ich werde dann wohl der nächste sein“, fürchtet der 45-Jährige.