Hamburg/Neuengamme. Junge Feuerwehrleute setzten sich in KZ-Gedenkstätte Neuengamme mit NS-Geschichte auseinander. Was mit dem Preisgeld geschehen soll.

Wachsender Antisemitismus und Rassismus, geschürt durch Rechtspopulisten: In Deutschland gehen die Menschen dagegen aktuell auf die Straße. Auch den Jugendlichen, die sich um den seit 26 Jahren verliehenen Bertini-Preis beworben haben, sind diese Themen sowie die Geschichte des Nationalsozialismus ein großes Anliegen. Zu den diesjährigen Preisträgern zählt die Jugendfeuerwehr Hamburg mit Seminarleiter Sönke Langeloh aus Reitbrook.

Bei der feierlichen Preisverleihung im Ernst-Deutsch-Theater begrüßte dessen Intendantin und zugleich Vorsitzende des Vereins Bertini-Preis, Isabell Vértes-Schütter, Gäste, Laudatoren und Preisträger: „Insgesamt 30 Projekte sind von allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, Gedenkstätten, der Jugendfeuerwehr sowie der Hochschule für Angewandte Wissenschaften eingereicht worden. So viele wie in all den Jahren zuvor noch nie. Die Juroren haben sich entschieden, insgesamt 131 jungen Menschen den Preis zu verleihen. Erstmals ist auch die Jugendfeuerwehr Hamburg unter den Preisträgern.“

Gegen Rassismus: „Feuerwehr im Nationalsozialismus“ erhält renommierten Bertini-Preis

Schulsenatorin Melanie Schlotzhauer und Ruben Herzberg, ehemaliger Schulleiter und Mitbegründer der neuen jüdischen Schule in Hamburg, verwiesen in ihren Reden auf die Bedeutung der Projekte der jungen Leute, die damit den Leitsätzen des renommierten Bertini-Preises gerecht würden – „Hinschauen, wenn andere wegsehen. Erinnern, wenn andere vergessen. Eingreifen, wenn andere sich wegdrehen. Unbequem sein, wenn andere sich anpassen“. Die Preisverleihung ist immer am 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus.

Die Theaterintendantin und Vorsitzende des Vereins Bertini-Preis, Isabell Vértes-Schütter (r.), begrüßt mit eindringlichen Worten und Dank an die Preisträger alle Teilnehmer an der Ehrung. Christina Müller übersetzt die Rede in Gebärdensprache.
Die Theaterintendantin und Vorsitzende des Vereins Bertini-Preis, Isabell Vértes-Schütter (r.), begrüßt mit eindringlichen Worten und Dank an die Preisträger alle Teilnehmer an der Ehrung. Christina Müller übersetzt die Rede in Gebärdensprache. © Gabriele Kasdorff | Gabriele Kasdorff - Kasdorff@magenta.de

Das seit 2008 bereits zum fünften Mal in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme durchgeführte Projekt „Feuerwehr im Nationalsozialismus oder: Unsere Geschichte anders erleben“ der Jugendfeuerwehr Hamburg mit Seminarleiter Sönke Langeloh aus Reitbrook gehörte auch zu den Preisträgern. Langeloh (43) dazu: „Ich war überwältigt, als ich die Nachricht erhielt und finde es einfach toll, was die Jugendlichen bei dem Seminar leisten. Das Besondere für mich persönlich ist, dass der Mitbegründer des Preises, Michael Magunna, mein Geschichtslehrer war.“ Magunna sitzt noch immer mit in der Jury. Patrick Fassian, Fachwart für Bildung der Jugendfeuerwehr (JF) Hamburg, hatte die Bewerbung eingereicht.

Existierende Baracken vermitteln Grausamkeiten der NS-Zeit deutlicher als Bücher

Das Seminar führt die Jugendlichen mit Methoden der JF in das schwierige Thema ein. Mit einer Kanufahrt, Übernachtung in Zelten und einer Funk-Rallye über das gesamte Areal des ehemaligen Konzentrationslagers werden die jungen Menschen mit der Geschichte der NS-Zeit konfrontiert. Die noch auf dem Gelände stehenden Baracken vermitteln die Grausamkeiten dieser Zeit deutlicher, als es Geschichtsbücher können. Einer der Teilnehmer war Sem Bohr (15), seit vier Jahren Mitglied der JF Rönneburg, betonte: „Nicht alles, was damals passiert ist, lernt man auch in der Schule.“

Stellvertretend für alle Kameraden der JF nahmen die ehemaligen Landesjugendsprecher Olivia Stübebecke und Rupert Krempe (beide 18) sowie Noah-Amin El Alaoui Sossey (16) und Marina Rothenberger (17) von der JF Eißendorf den Preis entgegen. Pianist Axel Zwingenberger hielt die Laudatio und betonte: „Die Jugendlichen haben auf der Kanufahrt und am Wochenende die Diskrepanz zwischen Idylle und grausame Geschehen der Vergangenheit erfahren. Demokratische Prozesse erleben sie in ihrem Alltag, denn auch die Jugendsprecher wurden demokratisch gewählt und haben eine gewichtige Stimme bei der Feuerwehr.“

Seminar in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme soll in jedem Fall wiederholt werden

Rupert Krempe betonte beim Interview mit Julia-Niharika Sen: „In Hamburgs Jugendwehren gibt es etwa 1100 bis 1200 Jugendliche, die alle bei diesem Projekt mitmachen können. Das Seminar in der Neuengammer Gedenkstätte wird es auf jeden Fall wieder geben.“

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Jeweils 10.000 Euro Preisgeld werden unter den Gewinnern des Bertini-Preises nach Maßgabe der Jury aufgeteilt: „Wie viel an unser Projekt geht, wissen wir noch nicht, aber das Geld wird auf jeden Fall für die außerschulische Bildungsarbeit verwendet“, sagt Jugendfeuerwehrwart Sönke Langeloh, der gemeinsam mit Schwester Anne Langeloh das Seminar von Anbeginn an leitet.

Der Preis erhielt seinen Namen durch das Buch „Die Bertinis“ von Ralph Giordano

„Schüler:innen gegen Rechts“ von der Carl-von-Ossietzky-Schule, „emPower“, eine Performance der Otto-Hahn-Schule, „Ich wandre durch Theresienstadt – Erinnern, um zu verhindern“, ein Theaterstück der Stadtteilschule Mümmelmannsberg, der Diversity-Rat Heinrich-Herzt-Schule und „architecture of hope“, ein Begegnungsprojekt des Helmut Schmidt Gymnasiums wurden mit kurzen Filmen, Laudationes und von Moderatorin Julia-Niharika Sen geführten Interviews mit den beteiligten Jugendlichen sowie Übergabe der Urkunden geehrt.

Der Preis erhielt seinen Namen durch den an das eigene Familienschicksal im Nationalsozialismus angelehnte Buch „Die Bertinis“ von Ralph Giordano. Der Preis entstand auf Initiative des Autors und des Geschichtslehrers Michael Magunna.