Bergedorf. Nirgendwo in Hamburg wohnen die Menschen so lange wie in Tatenberg. Auch Spadenland, Neuengamme und Reitbrook haben treue Einwohner.

Nirgendwo in Hamburg wohnen die Menschen so lange wie in Tatenberg. Dies geht aus einer Erhebung des Statistikamtes Nord hervor, das sich die Anzahl der gemeldeten Personen in der Hansestadt Hamburg zwischen 2002 und 2022 genau angeschaut hat. Rund 41 Prozent der Einwohner Tatenbergs leben bereits seit 20 und mehr Jahren in ihrer Wohnung oder in ihrem Haus. Auch andere Stadtteile der Vier- und Marschlande wiesen überdurchschnittlich hohe Werte auf – so etwa Spadenland (40 Prozent), Neuengamme und Reitbrook (jeweils 39 Prozent). Wir haben mit Menschen aus diesen Stadtteilen darüber gesprochen, warum sie sich dort so wohlfühlen.

Ingrid und Gerd Langeloh (beide 73) wohnen schon seit Jahrzehnten in Reitbrook – er seit 48 Jahren, sie seit ihrer Geburt. „Die Menschen hier treten für ihren Standort ein, identifizieren sich mit ihm“, sagt Ingrid Langeloh. Jahrzehntelang lebte das Paar mit Ingrid Langelohs Eltern zusammen auf dem alten Bauernhof, der seit mehr als 400 Jahren im Besitz der Familie (Körner) ist. „Wir wohnen stadtnah und sind mit dem Auto innerhalb von 15 Minuten in der Hamburger Innenstadt. Trotzdem leben wir auf dem Land“, sagt Gerd Langeloh und fügt hinzu: „Wer in Blankenese wohnt, ist nicht so schnell in der Innenstadt, wie wir es sind.“

Die Menschen in den Vier- und Marschlanden sind ihrem Stadtteil besonders treu

Das Paar genießt „die Natur um uns herum“, betont Gerd Langeloh. „Wir leben in einer Gegend, in der andere Urlaub machen“, ergänzt seine Frau. Die Senioren wohnen als Altenteiler gemeinsam mit ihren beiden Söhnen und deren Familien auf dem Bauernhof, helfen bei der Arbeit mit aus.

Günter Schwormstedt (78) genießt sein Leben in Spadenland. Er gehört zu den 40 Prozent der Spadenländer, die in dem Stadtteil bereits seit mindestens 20 Jahren leben. 
Günter Schwormstedt (78) genießt sein Leben in Spadenland. Er gehört zu den 40 Prozent der Spadenländer, die in dem Stadtteil bereits seit mindestens 20 Jahren leben.  © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Auch Günter Schwormstedt aus Spadenland weiß die Stadtnähe trotz ländlichen Idylls zu schätzen: „Wir haben die Elbe vor der Haustür“, sagt der 78-Jährige. Er lebe in einer tollen dörflichen Gemeinschaft: „Man sieht sich nicht jeden Tag, aber wir helfen uns hier gegenseitig. Wenn beispielsweise jemand krank ist, kaufen die Nachbarn für ihn mit ein.“

Für Günter Schwormstedt wäre ein Wegzug aus Spadenland nicht ohne Risiko

Schwormstedts Söhne haben seinen Garten- und Landschaftsbaubetrieb am Spadenländer Hauptdeich vor einigen Jahren übernommen. Er selbst stand schon als 14-Jähriger an der Spitze des Familienbetriebs, nachdem sein Vater gestorben war. „So ist das ja bei vielen Gärtnern und Landwirten in den Vier- und Marschlanden, dass ihr Betrieb von Generation zu Generation weitergeführt wird“, sagt der Senior und fügt hinzu: „Das ist natürlich ein Hauptgrund dafür, dass die Menschen hier ihrem Stadtteil so treu sind.“

Mit seiner Frau sowie den beiden Söhnen und deren Familien wohnt der 78-Jährige auf dem großen Grundstück am Spadenländer Hauptdeich, auf dem sich auch die Firma befindet. Schwormstedt lebt seit seiner Geburt dort, seine Familie nachweislich seit mindestens Anfang des 19. Jahrhunderts. Er selbst sei „recht bodenständig“, doch ein Wegzug aus Spadenland wäre auch nicht ohne Risiko gewesen, betont der Senior: „Es gab und gibt hier kaum Bauplätze zu kaufen. Wäre ich weggezogen, wäre eine Rückkehr womöglich ausgeschlossen gewesen.“

Selbst Bergedorf ist der Neuengammerin Bettina Wedemann zu voll gebaut

Ihr Leben lang schon wohnt Bettina Wedemann in den Vierlanden – seit 14 Jahren im eigenen Haus in Neuengamme, davor in Curslack und in Kirchwerder. In der Stadt würde sie niemals leben wollen, betont die 55-Jährige: „Selbst Bergedorf ist mir zu voll gebaut.“ Sie bevorzuge es „ländlich und ruhig“, lobt „das starke Zusammengehörigkeitsgefühl“ der Menschen auf dem Dorf. Jeder kenne jeden. Auch die drei Kinder, die mit ihr und ihrem Mann eine Patchwork-Familie bilden, leben in den Vier- und Marschlanden. Mit ihrem Mann unternehme Bettina Wedemann häufig Radtouren durch ihre schöne Heimat. „Wir genießen auch unseren großen Garten, bauen dort Blumen und Gemüse an.“ In der Stadt seien die Eheleute „nur selten“, betont die Neuengammerin.

Bettina Wedemann (55), hier in ihrem Kaufhaus Vierlanden am Neuengammer Hausdeich, lebt gern in den Vierlanden. In die Stadt ziehe es sie nur selten.
Bettina Wedemann (55), hier in ihrem Kaufhaus Vierlanden am Neuengammer Hausdeich, lebt gern in den Vierlanden. In die Stadt ziehe es sie nur selten. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Anja Schwormstedt, entfernt verwandt mit Günter Schwormstedt, lebt seit ihrer Geburt vor 57 Jahren in Tatenberg. Seit 22 Jahren bewohnt sie ihr Haus am Tatenberger Deich, davor wohnte sie gegenüber, im Fährhaus Tatenberg, das sie in vierter Generation betreibt. „Dort habe ich auch meine Kindheit verbracht.“ Tatenberg sei für sie „Hamburgs schönster Stadtteil“ – „zentral zur Stadt gelegen, direkt an der Elbe, umgeben von wunderschöner Natur“. Wichtig sei ihr auch die gute Nachbarschaft: „Man kennt sich.“ Ihr Eindruck sei zudem, dass das Wetter in Tatenberg oft besser sei als in Bergedorf und der Hamburger Innenstadt, „weil wir hier von der Elbe umschlossen sind“, betont Anja Schwormstedt.

Anja Schwormstedt springt nach Feierabend gern in Tatenberg in die Dove-Elbe

Im Sommer sei sie viel draußen unterwegs – Fahrradfahren, Spazierengehen, Schwimmen, seit jeher. „Es ist herrlich, abends nach Feierabend in die Dove-Elbe zu springen, vor allem wenn sonst weit und breit niemand in der Nähe ist.“

„Tatenberg ist Hamburgs schönster Stadtteil“, sagt Anja Schwormstedt (57), Betreiberin des Fährhauses Tatenberg. Sie wohnt am Tatenberger Deich, gegenüber dem Restaurant.
„Tatenberg ist Hamburgs schönster Stadtteil“, sagt Anja Schwormstedt (57), Betreiberin des Fährhauses Tatenberg. Sie wohnt am Tatenberger Deich, gegenüber dem Restaurant. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Das Statistikamt wertete für jeden Stadtteil aus, wie viele Menschen bis Ende 2022 mindestens 20 Jahre in derselben Wohnung lebten. In Curslack waren es 31 Prozent der Bewohner des Dorfes, in Altengamme sogar 38 Prozent, in Kirchwerder 36 Prozent, in Allermöhe 37 Prozent, in Moorfleet 36 Prozent und in Ochsenwerder 32 Prozent. Der Bezirk Bergedorf kommt auf einen Durchschnitt von 28 Prozent. Billwerder kommt nur auf zwölf Prozent, was mit dem Bezug der Flüchtlingssiedlung Gleisdreieck zusammenhängt. Die Zahl der Bewohner Billwerders stieg innerhalb von 20 Jahren von 1252 auf 3790 Menschen – ein Plus von 2538.

Im Laufe von zwei Jahrzehnten ist die Einwohnerzahl in Reitbrook nur um 38 gestiegen

In Curslack stieg die Zahl der Bevölkerung von 3165 um 978 auf 4143 Menschen. In Altengamme lebten vor 22 Jahren 2132 Menschen, 20 Jahre später waren es 2341 (209 mehr). 284 mehr Bewohner verzeichnet Neuengamme, wo die Zahl von 3436 auf 3720 Menschen anstieg. Starker Anstieg in Kirchwerder: 8760 Bewohner zählte der Stadtteil im Jahre 2002, 20 Jahre später waren es 10.311 – 1551 mehr. In Ochsenwerder wuchs die Bevölkerung von 2292 um 738 Einwohner auf 3030. Wenig Zuwachs in Reitbrook: Im Vergleich zu 2002 (502 Menschen) lebten dort 20 Jahre später 540 Menschen – 38 mehr.

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In Moorfleet stieg die Zahl der Einwohner von 1088 um 89 auf 1177. Tatenberg zählte im Jahre 2002 exakt 464 Einwohner – 109 weniger als im Jahre 2022 (573). Ähnlich die Entwicklung in Spadenland: Dort wuchs die Zahl der Dorfbewohner von 436 um 115 auf 551. Im gesamten Bezirk Bergedorf lebten vor 24 Jahren 116.904 Menschen – 15.997 weniger als Ende 2022 (132.901).