Hamburg. Eine alltägliche Verkehrssituation eskalierte an der nächsten roten Ampel. Das Urteil ist für den Taxifahrer besonders schmerzhaft.
Diese Taxifahrt dürften Paul Hansen und Jan Lorenz (die Namen aller Beteiligten wurden geändert) so schnell nicht vergessen. An einem warmen Sommernachmittag stiegen die beiden Freunde am 30. Juli 2022 in ein Taxi, um sich zu einem Fest in Glinde bringen zu lassen. Auf der B5 in Bergedorf geriet ihr Taxifahrer, der heute 45-jährige Georg Berger, mit den Insassen eines anderen Autos in Streit. Beim Anfahren an einer Ampel zog Berger plötzlich nach links und rammte das andere Auto. Der Taxifahrer wurde vom Amtsgericht Bergedorf am Freitag zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt – der Führerschein ist ebenfalls vorerst weg.
Taxifahrer Berger zeigte sich zu Beginn der Verhandlung reumütig. „Es tut ihm leid“, betonte seine Anwältin in einer Erklärung. Der Angeklagte selbst schilderte die Ereignisse in der Bergedorfer City. Er sei fälschlicherweise auf der Linksabbiegerspur der B5 unterwegs gewesen. Als er den Fehler bemerkte, zog er auf die rechte Fahrbahn. Ein von hinten kommendes Auto habe ihn daraufhin angehupt. „Ich habe außerdem im Rückspiegel gesehen, wie mir einer der Insassen den Vogel zeigt“, sagte der Taxifahrer. Daraufhin bremste Berger ab, seiner Aussage nach, weil vor ihm ein weiteres Auto angehalten hätte. An der nächsten Ampel, auf Höhe des CCB, eskalierte die Situation – da sind sich alle Beteiligten einig.
Nach Streit: Taxifahrer rammt Auto vor dem Bergedorfer CCB
Die Fahrer des anderen Wagens, der heute 60-jährige Hermann Jakobs, und sein heute 20 Jahre alter Sohn Frank, hielten links neben Georg Bergers Taxi, die Seitenfenster waren offen. Nach Bergers Aussage habe ihm jemand aus dem anderen Auto entgegen gebrüllt: „Willst du sterben?“. Die beiden Männer der Gegenseite, am Freitag als Zeugen geladen, betonten, der Taxifahrer habe sie vorher beim Spurwechsel ohne zu blinken geschnitten und dann ausgebremst. „Wir wollten ihn fragen, was das sollte“, sagte Frank Jakobs aus. Genau wie sein Vater räumt er den schnell hitzig werdenden Streit aber ein: „Wir haben uns angepöbelt.“
Plötzlich habe ihm einer der Männer ins Gesicht gespuckt, sagte Taxifahrer Berger. Für den 45-Jährigen brachte diese Aktion das Fass zum Überlaufen: „Ich habe eingelenkt und bin einfach losgefahren.“ Hermann und Frank Jakobs waren sich vor Gericht sicher: Keiner von ihnen habe den Taxifahrer angespuckt. Von den beiden Kunden meinte sich einer zu erinnern, dass Speichel in das Auto geflogen sei. „Ich bin mir aber nicht 100 Prozent sicher“, sagte er aus.
Aufklären ließ sich der Sachverhalt aus Sicht des Gerichts nicht. Der Vorsitzende Richter fragte Frank Jakobs, ob er vielleicht in der Hitze des Wortgefechts eine „feuchte Aussprache“ gehabt habe. „Kann sein“, sagte der 20-Jährige. Wie sein Vater beschreibt er, wie sich der Blick des Taxifahrers plötzlich verändert habe. „Kalt und starr sind die Augen geworden“, so Frank Jakobs. Dann habe er den Motor aufheulen gehört. Er habe seinen Vater aufgefordert, schnell wegzufahren, doch der Weg sei versperrt gewesen.
Taxipassagiere nehmen das Geschehene mit Fassung
Georg Berger drückte – nach eigener Aussage – das Gaspedal seines Autos voll durch, rammte den VW Golf der Jakobs rechts am Heck und schob den Wagen über die B5. Vater und Sohn erlitten dabei leichte Verletzungen an der Halswirbelsäule, waren wochenlang krankgeschrieben. Nach dem Zusammenprall kühlten sich die erhitzten Gemüter erstaunlich schnell ab. Frank Jakobs stürmte zwar wütend auf den Taxifahrer zu, beschrieb seinen Widersacher aber als relativ ruhig. „Mein Vater hat mich dann zurückgehalten und wir haben gemeinsam auf die Polizei gewartet“, sagte der 20-Jährige.
Und die beiden Männer, die den Rammangriff im Taxi miterlebten? Vor Gericht geben sie sich entspannt. „Ein paar Bier“ hätten sie an jenem Nachmittag schon getrunken gehabt, weil sie zum Feiern nach Glinde wollten. Die Frage des Richters, ob sie körperliche oder psychische Schäden davongetragen hätten, verneinten beide eindeutig. Angespannt oder auffällig sei Georg Berger vor dem Zwischenfall auch nicht gewesen. „Der Taxifahrer war freundlich zu uns. Er hatte vielleicht einen schlechten Tag“, sagte Paul Hansen.
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Den Schaden in Höhe von 4545 Euro an Hermann Jakobs Auto bezahlt Georg Berger bereits ab, ohne dass der Geschädigte einen Zivilprozess anstrengen musste. Laut seiner Anwältin will Berger vor allem seinen Führerschein, der ihm im Sommer 2023 aufgrund des Vorfalls weggenommen worden war, so schnell wie möglich wiederhaben. Seitdem arbeitet der 45-Jährige bei seinem Bruder in dessen Taxiunternehmen im Büro. Er sei aber auf die Einkünfte aus den Taxifahrten angewiesen.
Das Gericht sprach Berger wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und gefährlicher Körperverletzung schuldig. „Sie haben ihr Taxi als Ramme eingesetzt“, betonte Richter Plambeck. Beide Parteien hätten gepöbelt, niemand habe versucht, sich zu mäßigen. „Aber wie sie dann reagieren, das ist natürlich gewaltig“, so Plambeck: „Das ist ein ganz anderes Niveau als Schimpfen oder einen Stinkefinger zeigen.“ Das Verhalten zeige, dass Berger derzeit nicht geeignet sei, am Straßenverkehr teilzunehmen. Der Führerschein wird daher noch ein Jahr einbehalten.