Hamburg. Wird Bergedorf die Tiere jemals wieder los? Eine Expertin gibt eine düstere Prognose ab. Was die Hamburger Umweltbehörde plant.
Im Kampf gegen die rasch wachsende Nutria-Population in Bergedorf und den Vier- und Marschlanden hat die Hamburger Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (Bukea) am Donnerstag im Umweltausschuss ihre Strategie vorgestellt. Ob in Zukunft in der Hansestadt auch Muttertiere gejagt werden dürfen, ist aber weiterhin offen – sehr zum Ärger einiger Bergedorfer Politiker.
Bukea-Vertreterin Nina Klar machte bei ihrer Präsentation deutlich: Die Bergedorfer müssen sich dauerhaft an den Anblick der bis zu neun Kilogramm schweren Tiere gewöhnen. Das Ziel der Maßnahmen ist die Kontrolle der Population. „Wir werden es nicht schaffen, die Nutria auszurotten“, so die Expertin für Arten- und Biotopschutz. Stattdessen soll die Zahl der Tiere so weit dezimiert werden, dass die wirtschaftlichen Schäden sich in einem erträglichen Rahmen bleiben.
Bekämpfung der Nutrias: Umweltbehörde setzt auf Maßnahmenpaket
Um dieses Ziel zu erreichen, wird derzeit ein allgemeines Fütterungsverbot für die Tiere im Hamburgischen Wassergesetz verankert. Die Bukea und die Bezirke wollen außerdem die Bevölkerung darüber aufklären, welche negativen Folgen die Fütterung hat. Außerdem sollen die invasiven amerikanischen Nager bald ins Hamburgische Jagdrecht aufgenommen werden. Dadurch sollen laut Bukea mehr Menschen Jagd auf Nutria machen dürfen. Eine Schonzeit ist nicht vorgesehen.
Die Behörde setzt weiterhin auf den Einsatz von Lebendfallen. In einem Pilotprojekt sind derzeit bereits 20 der röhrenförmigen Fallen im Einsatz. Auf Anfrage sollen die Apparate Jägern in Zukunft bereitgestellt werden. „Die Fallen sind nämlich nicht billig“, sagte Klar. Die in Bergedorf bereits wieder ausgezahlte Schwanzprämie soll in ganz Hamburg einen Anreiz zur Jagd auf die Nutria bieten – sieben Euro pro Kadaver wird die Hansestadt zahlen.
Umstrittene Maßnahme: Abschuss von Elterntieren wird weiterhin geprüft
Bleiben die beiden umstrittensten Maßnahmen: Die Jagd in Naturschutzgebieten und auf Tiere, die gerade Nachwuchs großziehen. Laut Bukea ist die Pirsch auf die Nager in Naturschutzgebieten grundsätzlich zulässig, wenn sie formlos von der Behörde erlaubt wird. Derzeit werde aber noch geprüft, wie diese Entscheidung juristisch mit einer Aufnahme der Nutria ins Jagdrecht zu vereinbaren ist. Die Jagd auf Elterntiere ist noch vollkommen in der Schwebe. „Dieser Schritt wird derzeit geprüft“, betonte Klar. Alle beteiligten Behörden müssten aber an einem Strang ziehen.
Das Problem: Nutria bekommen das ganze Jahr über Junge, können also theoretisch jederzeit Eltern sein. „Als Jäger kann ich mich so eigentlich nie trauen, ein Tier zu schießen“, sagte FDP-Politiker Hubertus Mantey. Genau wie die Bergedorfer CDU forderte der Freidemokrat Rechtssicherheit für die Jäger. Experte Quermann stimmte zu, dass die Situation schwierig sei. Genau aus diesem Grund seien Lebendfallen sinnvoll. Bei Betrachtung aus der Nähe lassen sich zum Beispiel geschwollene Milchdrüsen von Muttertieren erkennen.
CDU-Politiker unzufrieden mit dem Tempo der Umweltbehörde
Christdemokrat Jörg Froh war unzufrieden mit dem Tempo der Behörden. Einige Maßnahmen, wie die Aufnahme ins Jagdrecht, können laut der Bukea-Vertreterin erst in einem halben Jahr umgesetzt werden. „Ich dachte, wir wären weiter“, kommentierte der CDU-Mann und schlug vor, im Rahmen des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung schneller zu handeln. Eine Idee, die Michel Quermann zurückwies. Vor Gericht habe ein solches Vorgehen keine Chance.
Nina Klar von der Bukea verteidigte das Vorgehen ihrer Behörde vehement und machte deutlich, dass Hamburg keinesfalls tatenlos zusehe, wie sich die Nutria unkontrolliert vermehrten. Zwar war die Schwanzprämie seit Ende 2020 nicht mehr gezahlt worden, doch die Jagd auf die invasiven Tiere sei nie unterbrochen worden. CDU-Politiker Bernd Capeletti bezeichnete gerade das Ende der Schwanzprämie als entscheidenden Fehler: „Bis 2020 hatten wir keine Probleme.“
Bergedorfer bietet Nutrias einen besonders geeigneten Lebensraum
Die Autorinnen des Nutria-Gutachtens der Umweltbehörde waren ebenfalls im Ausschuss zu Gast und unterstrichen noch einmal, dass gerade der Bezirk Bergedorf mit seinen zahlreichen Wasserflächen ein besonders geeigneter Lebensraum für die amerikanischen Nagetiere ist. 90 Prozent des Bezirks seien ein potenzieller Lebensraum für die Nutria.
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Die Schäden, die von den Tieren durch Wühlen und Nagen verursacht werden, sind vor allem wirtschaftlicher Natur. In Sachen Artenschutz sieht die Lage weniger deutlich aus. Zwar fressen die Nutria zum Beispiel Teppiche aus Wasserpflanzen, auf denen zum Beispiel Trauerseeschwalben nisten. Doch wenn die Tiere Uferbereiche zerfressen, entstehe durchaus ein neuer Lebensraum für andere Arten.
Die Umweltbehörde will die Erfolge der Maßnahmen in einem Monitoring dokumentieren. Dazu gehört die Entwicklung der Population und die Höhe der weiterhin von den Nagern verursachten Schäden. Ob die Bekämpfung der Tiere erfolgreich sein wird, bleibt Auslegungssache. „Das kann man nicht in Zahlen ausdrücken“, sagte Nina Klar.