Hamburg. Schon vor 100 Jahren war die Rodelbahn Gesprächsthema in Bergedorf. Bernd Reinert aus Kirchwerder entlarvt kuriose Empfehlungen.
Juchuuuu!!! Neo (8) hat seinen Minibob bestens im Griff, saust die Doktorbahn herunter. Der Rodelberg im Bergedorfer Gehölz ist ein beliebtes Ziel derzeit von Schlittenfahrern – fast jeden Alters. Die drei Abfahrten der Doktorbahn sind kräftig vereist, spiegelglatt und manchmal doch schon ein bisschen stumpf. Denn eifrige Schlittenfahrer haben Schnee und Eis teils schon bis zum Waldboden abgefahren. Und trotzdem reizt die Abfahrt, verursacht das Gefälle ein prickelndes Kribbeln im Bauch.
Der achtjährige Neo Friedrich schlittert cool die Rodelbahnen hinunter – die linke Piste hat seine Mutter Ewa (39) schon „Todespiste“ getauft, nachdem dort kürzlich bei einem Schlittenzusammenstoß alle übereinander gepurzelt sind, Gesichter im Schnee landeten und fast eine Nase gebrochen wäre. Aber nur fast. Glücklicherweise. So gibt es auch für ihren Mann Fabian (40) und den kleinen Sohn Milan (3) derzeit kaum ein schöneres Wintervergnügen.
Rodeln: Die vereiste Doktorbahn sorgte schon vor 100 Jahren für Aufregung
Was der Familie aus Reitbrook im Bergedorfer Gehölz so gut gefällt, gab es auch vor 100 Jahren schon. Und auch jenes, was nicht so gut gefällt: sandige Stellen nach Tauwetter, Frost und kräftiger Nutzung inklusive kleiner Unfälle. Bernd Reinert (72) aus Kirchwerder hat dazu eine kleine Notiz in der Bergedorfer Zeitung von 1924 gefunden. Danach hat damals der „Magistrat (...) angeordnet, daß der steile Ablauf der Rodelbahn durch Bestreuen mit Sand unbefahrbar gemacht wird“. Was aus der Anordnung wurde und wie Rodler und die „Schriftleitung“ der Bergedorfer Zeitung das diskutierten, beschreibt er in seinem Bergedorf-Blog auf den Seiten der Stabi. Mittlerweile sind es schon an die 900 Beiträge, die der frühere Geschichtslehrer in dem Blog veröffentlicht hat. Der zu Bergedorfs berühmter Rodelbahn soll am 22. Januar online gehen.
Bernd Reinert räumt mit einem ganz großen Märchen auf
Heute gibt es drei nebeneinander liegende Bahnen, die einige Hundert Meter weit ins Gehölz führen. Schon im Herbst 1929 war die Doktorbahn zu einer Doppelbahn entschärft worden. Zu beiden Seiten und in der Mitte wurden Wälle aufgeworfen, um das Rodeln in geordnete Bahnen zu lenken, wie Bernd Reinert einem Artikel der Bergedorfer Zeitung vom 28. Oktober 1929 entnahm.
Und dann räumt Reinert noch mit einem ganz großen Märchen auf, das unter anderem die Seite Bergwelten.com verbreitet und auch anderswo im Internet beharrlich herumgeistert. Nach den Bergwelt-Experten ist die Doktorbahn etwa 1000 Meter lang, hat ein sportliches Gefälle und die Abfahrt dauert 20 Minuten! Andere wollten auf ihr auch noch viele Kurven entdeckt haben. Bernd Reinert las mit einigem Erstaunen unter „Tourdaten“ Angaben von jeweils 1000 Höhenmetern Aufstieg und Abstieg auf 1000 Metern Strecke. Würde das stimmen, was Ortskundige doch mehr als bezweifeln, dann hätte die Bahn in der Tat ein „sportliches Gefälle“.
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Die Doktorbahn in Bergedorf ist einige Hundert Meter lang
Tatsächlich, so belegt es Bernd Reinert mit seriösen Quellen, ergibt sich als Schätzung, dass der Start der (fast kurvenfreien) Doktorbahn auf etwa NN +33 Metern liegt und der erste, etwa 150 Meter lange Abschnitt der steilste ist (auf 10 Metern Strecke 1 Meter Gefälle), während der weitere Verlauf bis zum Ende bei etwa. NN +8 Metern eher gemütliches Schlittenfahren ermöglicht.
So verspricht die etwa 380 Meter lange Doktorbahn mit ein paar Zwischenhügeln genau die richtige Portion Aufregung und Rodelspaß.
Und nicht zuletzt: Auch um den Doktorberg drumherum gibt es einige kleine Abfahrten, die es sich zu rodeln lohnt. Und zwischendurch lässt es sich sogar direkt neben der Bahn lecker picknicken. So ein Tag im winterlich eisigen Bergedorfer Gehölz macht richtig Spaß. Fragt Experten wie den achtjährigen Neo und seinen Bruder Milan. Die bestätigen das sofort.