Kirchwerder. Kirchwerder. Der ehemalige CDU-Fraktionschef in der Hamburgischen Bürgerschaft schreibt eifrig an seinem Bergedorf-Blog.

Sie waren bekannt wie der sprichwörtliche „bunte Hund“. Und was machen sie heute? In unserer Serie berichten wir über bekannte Menschen aus den Vier- und Marschlanden und ihr heutiges Leben. Heute: Bernd Reinert.

Ob er es vermisse, in der Hamburger Politik mitzumischen? „Nö“, antwortet Bernd Reinert aus Kirchwerder, der von 1993 bis 2008 für die CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft saß, davon vier Jahre als Fraktionsvorsitzender. „Man muss loslassen können.“ Statt sich um Themen wie Elbvertiefung oder Elbphilharmonie zu kümmern, die zu Reinerts Zeit viele Debatten bestimmten, widmet sich der 67-Jährige seinem Bergedorf-Blog.

Auf den Internetseiten der Staatsbibliothek berichtet Reinert auf https://blogs.sub.uni-hamburg.de/bergedorf über spannende Themen, die vor 100 Jahren das Leben an der Bille bestimmten. Regelmäßig stöbert er dafür in alten Ausgaben der Bergedorfer Zeitung – in der Staatsbibliothek, wo sie auf Mikrofilm gespeichert sind. Reinert scannt die Seiten und speichert sie auf einem Stick, den er in seinem Arbeitszimmer in Kirchwerder in seinen Computer steckt.

Das Ausflugslokal „Frascati“

In seinem Blog berichtet er unter anderem darüber, wie es den Bergedorfern während des Ersten Weltkriegs (1914 - 1918) erging und welche besonderen Bauwerke die Landschaft und das Leben in Bergedorf prägten. So befasste er sich etwa gründlich mit dem Ausflugslokal „Frascati“, das Mitte des 19. Jahrhunderts für kurze Zeit auf dem Frascatiplatz stand.

„Ich investiere viel Zeit in den Blog. Für manche Artikel muss ich mehrere Tage recherchieren“, sagt der ehemalige Geschichtslehrer. Für seine Recherchen nutzt er seriöse Quellen im Internet, blättert er Lexika und historische Abhandlungen. „Seit meinem Eintritt in den Ruhestand bin ich abgetaucht in die Geschichte Bergedorfs und der Vier- und Marschlande“, sagt Reinert, der auch Beiträge für die Lichtwark-Hefte verfasste. Sein Interesse rühre von seiner früheren Arbeit her, „aber auch unser Haus regt zu historischem Denken an“.

Leben in alter Kate

Denn Bernd Reinert und seine Frau Angelika (64) leben in einer mehr als 250 Jahre alten Kate an der Straße Hower Brack. „Ursprünglich befand sich hier eine Schiffszimmerei, später, im 20. Jahrhundert, gehörte das Haus ,Küken-Klaus’. Der hatte einen großen Geflügelhandel und betrieb im Haus eine Krämerei.“ Im 30-Quadratmeter-Treibhaus im Garten sollen früher Melonen gewachsen sein. Heute baut das Ehepaar Reinert dort Tomaten und Gurken an. Die Reinerts erwarben das Reetdachhaus 1984, ließen es aufwändig instand setzen und zogen 1985 ein.

Bernd Reinert wurde in Kirchwerder geboren. Seine Frau heiratete er 1982. Das Paar hat drei erwachsene Kinder. „Zwei leben in Hamburg, eines in Frankfurt am Main.“ Mehr als 25 Jahre lang war Reinert Lehrer an Gymnasien in Bergedorf. „Ab 1993 habe ich meine Stundenzahl als Lehrer reduziert, weil ich da als Abgeordneter in die Bürgerschaft einzog.“ 2004, als er Fraktionsvorsitzender und damit Politiker im Vollberuf wurde, hörte er auf zu unterrichten.

2008 legte Reinert sein Mandat nieder und wechselte in die Verwaltung: In der Behörde für Wissenschaft und Forschung bekleidete er den Posten des Staatsrats. Als solcher erhielt er nach dem Regierungswechsel 2011 vom damaligen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) die Entlassungsurkunde und ging in den einstweiligen Ruhestand, danach, mit knapp über 60, in den regulären Ruhestand.

Nicht ganz ohne Arbeit

So ganz ohne Arbeit mochte der großgewachsene Mann aber trotzdem nicht sein: Deshalb engagierte er sich von 2013 bis 2018 ehrenamtlich im Verwaltungsrat des Norddeutschen Rundfunks (NDR), für 15 Monate sogar als dessen Vorsitzender. Dort beschäftigte sich Reinert mit elf weiteren Ratsmitgliedern mit ordentlicher Wirtschaftsführung und strategischen Entscheidungen.

Mit seiner Frau besuche er in der Innenstadt gern klassische Konzerte, auch die Auftritte von Chören. Auch wenn Reinert nicht mehr aktiv in der Politik mitmischt, halte er sich durch tägliche Presselektüre stets auf dem Laufenden. Auch zu alten politischen Weggefährten habe er noch Kontakt. Seit fast 50 Jahren sei er in der CDU. Ob er seine Mitgliedschaft jemals bereut habe? „Wenn ja, dann habe ich das wohl verdrängt“, sagt der 67-Jährige und schmunzelt.