Hamburg. Fotograf Michael Zapf zeigt 35 Burgen und Schlösser in Hamburg und Umgebung. Landesarchäologe Rainer-Maria Weiss liefert die Historie.
Das erste Mal hat er das Bergedorfer Schloss fotografiert, als er vor 40 Jahren als freier Mitarbeiter bei der Bergedorfer Zeitung angefangen hat. Längst ist der Bergedorfer Michael Zapf ein professioneller Fotograf, der schon unzählige Bildbände veröffentlicht hat, auch von Sylt, Reinbek und Lüneburg. „Ich habe auch Halligen aus der Luft fotografiert. Insgesamt sind wohl schon locker 60 Bücher geworden“, sagt der 58-Jährige, der während der Pandemie nicht nur zu Fuß die Wanderwege in den Naturschutzgebieten seiner Heimat erkundigt hat: „Für den Bille-Reiseführer bin ich auch viel Hubschrauber geflogen.“ Nun erschien sein allerneuestes Werk, über Burgen und Schlösser in und um Hamburg.
Und natürlich findet sich zwischen den 352 Seiten auch wieder das Bergedorfer Schloss, das auf den Fundamenten einer Wasserburg steht. Hier ein Anbau, dort ein veränderter Giebel, hier der Abbruch einer Treppenanlage, dort ein neuer Flügel. . . Dass sich auch ohne Einbeziehung von Denkmalschützern so einiges tat, „um aus der spätmittelalterlichen Wehranlage ein neugotisches Backsteinschlösschen zu machen“, beschreibt der Autor des Buches mit dem Titel „Magische Orte, versunkene Welten“, Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss.
Neuer Bildband zeigt Burgen und Schlösser in Hamburg und Umgebung
Der gebürtige Oberbayer ist seit 2003 Hamburgs Landesarchäologe und Direktor des Helms-Museums in Harburg – und liebt launische Texte: „So stehen Besucher heute vor einem zwar pittoresken, aber recht willkürlichen Zufallsprodukt, wie es – spöttisch betrachtet – in einem chinesischen Vergnügungspark als Reminiszenz an das europäische Mittelalter die Flaneure erfreuen könnte“, schreibt der 57-Jährige über das Bergedorfer Schloss, aber auch: „Mehr Schloss geht nicht.“
Von den 35 beschriebenen Burgen und Schlössern liegen ganze 17 im Hamburger Stadtgebiet. Darunter etwa die Mellingburg am Alsterwanderweg und Burg Henneberg in Poppenbüttel, die „jedes Klischee einer echten Ritterburg erfüllt“, aber nur ein Nachbau seines thüringischen Vorbilds ist. Besser aber als Abriss: Das einst prächtige Wandsbeker Schloss wurde 1861 durch ein neues Eigentümerkonsortium abgebrochen, um das Gutsgebiet ganz hanseatisch zu parzellieren und die Grundstücke gewinnbringend zu verkaufen, schreibt Weiss: „Heute würde man das Projektentwicklung nennen.“
Fast jeder Bergedorfer kennt die Spökelburg, hoch auf der Geestkante gelegen, mit Blick auf die Billwerder Elbmarsch. Leider aber erahnt man sie bloß im Vorbeifahren auf der vierspurigen B5, die der 1250 Quadratmeter fassenden Burg so nahe kommt, dass eine meterhohe Stützmauer deren Druck abfangen muss. Jedenfalls ist das Privatgelände von einem 70 Meter langen Burgwall umgrenzt – und geheimnisumwoben: Spöken heißt auf Plattdeutsch spuken, und den Spukgeschichten nach soll hier eine goldene Kinderwiege vergraben sein. Der Hamburger Kaufmann Henning Brand jedenfalls bekam 1688 eine Erlaubnis zur Schatzsuche, die aber vermutlich erfolglos blieb.
Knorrige Bäume am Standort der einstigen Burg Wentorf
Auch die Riepenburg bei Zollenspieker mag vielen Bergedorfern bekannt sein, wo aber bitteschön ist die Burg Wentorf? Archäologe Reiner-Maria Weiss sah knorrige Bäume und traf Mountainbiker auf den Wällen. Aber als er die Straße Am Burgberg ablief, konnte er eine mittelalterliche Befestigung nur erahnen: „Das Schicksal der 65 Meter langen Anlage liegt völlig im Dunkeln.“
Richtiger Raubritter indes mögen auf der Burg Linau gelebt haben, deren beeindruckende Ruine genau in der Mitte zwischen Hamburg und Lauenburg zu finden ist. Hier gab es noch im Jahr 2018 Ausgrabungen mit Berechnungen, dass der Turm einst einen Durchmesser von zehn Metern gehabt haben muss – und später als Brennofen genutzt wurde.
„Wir haben einen Umkreis von etwa 60 Kilometern gewählt. Das ist machbar und möge den Leser dazu animieren, näher in seine Heimat einzutauchen“, sagt Michael Zapf, der ein erstes Mal die Ertheneburg betrachtete: „Das liegt zauberhaft an der alten Salzstraße, und angeblich ist Heinrich der Löwe hier gestorben“, erfuhr der Fotograf. Wissenschaftler indes stellt die Ertheneburg bis heute vor ein Rätsel, denn ihre genaue Lage ist unklar. Wohl aber lässt sich noch ein Wall erkennen und eine grüne Lichtung, von der aus der Blick aufs andere Elbufer bis nach Artlenburg reicht.
Auch die Reste von Burg Stegen, die im Moor bei Bargfeld bloß mit Gummistiefeln und über eine morsche Brücke erreichbar sind, waren ihm zuvor unbekannt. „Aber immerhin noch im Jahr 2020 wurden hier Armbrustbolzen und verbogene Pfeilspitzen gefunden“, erfuhrt Michael Zapf, der doch „verblüffend viel Neues erfahren“ habe – etwa aus Hamburgs ältestem Stadtteil südlich der Elbe mit seiner um 1390 erbauten Moorburg.
Durch Konzerte, Lesungen und dem „Jazz im Pferdestall“ ist das Schloss Agathenburg weithin bekannt. Dabei stimmt „hier eigentlich gar nichts, weder das Schloss, noch die Burg, noch der Ortsname“, erklärt Autor Weiss und rollt die Geschichte gründlich auf. Und manchmal kommt auch eine tragische Liebesgeschichte dabei heraus – wie etwa im Amtshaus von Wilhelmsburg. Hier nämlich wurde eine 16-jährige Adelige zwangsverheiratet – mit brutalen Folgen, denn wenig später wurde ihr Liebhaber getötet, musste sie 32 Jahre in Verbannung ausharren. Wohl aber ihre Kinder gingen in die Geschichte ein: der Sohn als König von England, die Tochter als Gemahlin vom Preußischen Soldatenkönig und Mutter von Friedrich des Großen.
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Wer wissen will, warum die Hatzburg, einst Machtzentrale der Grafen von Schauenburg, heute unter einer Kuhweide am Elbufer bei Wedel verbogen ist oder wann am Burgwall von Hollenstedt ein menschlicher Oberschenkelknochen gefunden wurde (er stammt natürlich nicht von Boxweltmeister Max Schmeling, der bis zu seinem Tod 2005 in Hollenstedt lebte), der sollte zum neuen Buch greifen.
„Magische Orte, versunkene Welten“ ist im Ellert & Richter Verlag erschienen und kostet 20 Euro.