Hamburg. Hamburger Naturfleisch GbR will in Curslack Schlachthaus errichten, um den Tieren lange Wege zu ersparen. Jetzt heißt es warten.

44 Landwirte und weitere Aktive haben die Hamburger Naturfleisch GbR gegründet und im Herbst bei der Bauprüfabteilung des Bergedorfer Bezirksamtes eine Bauvoranfrage für die Umnutzung eines Gewerbebetriebes in Curslack gestellt. Sie wollen dort ein Schlachthaus einrichten, um in den Vier- und Marschlanden „teilmobile Schlachtungen“ durchführen zu können. Ziel der Landwirte ist stressfreies, handwerkliches Schlachten ohne den Transport lebendiger Tiere.

An der Planung wird bereits seit drei Jahren gearbeitet, und eigentlich wollten die Mitglieder der Naturfleisch-Gesellschaft die erste teilmobile Schlachtung bereits vor Weihnachten durchgeführt haben. Doch der Zeitplan vom Frühjahr konnte nicht eingehalten werden, da die Umsetzung des Projektes sich als aufwendiger erwiesen hat. Denn der Plan ist, im Verbund die Regionalität von der Geburt bis zur Fleischtheke abzubilden und sich an jene Kunden zu wenden, die Wert auf Regionalität und Tierwohl legen und für Fleisch mehr Geld ausgeben

Landwirte haben Bauvoranfrage für Schlachthaus in Curslack gestellt

Das Problem: Viele Landwirte bringen ihre Nutztiere zum Schlachten zu großen, weit entfernten Höfen. Doch das schadet den Tieren, die während der Fahrt extrem gestresst sind, und kommt auch beim Verbraucher nicht gut an. Deshalb sei es an der Zeit, andere Wege zu gehen: Die Landwirte wollen sich mit Norddeutschlands erstem teilmobilen Schlachtbetrieb für die Zukunft sicher aufstellen.

Bei der teilmobilen Schlachtung kommt ein Schlachter mit seinem Schlachtwagen – in diesem Fall Metzgermeister Holger Behrens, der ebenfalls Mitglied der neu gegründeten Gesellschaft ist – auf den Bauernhof und betäubt und tötet dort das Rind. Im Schlachtwagen wird das tote Tier entblutet und danach sofort (möglichst innerhalb einer Stunde, maximal zwei Stunden) zu einem nahe gelegenen Schlachthaus befördert, dort zerlegt und weiterverarbeitet. Die Initiatoren haben erkannt, dass immer mehr Verbrauchern eine tierwohlgerechte Haltung am Herzen liegt.

Eine Alternative für das Schlachthaus in Ochsenwerder im Blick

Zu ihnen gehört neben Martin Lüdeke aus Curslack, Rinderhalter und Präsident des Hamburger Bauernverbandes, Frederik Schmoldt, Rinderzüchter aus Altengamme. Der 45-Jährige engagiert sich auch im sogenannten, acht Mitglieder umfassenden Kümmerer-Team, das das Projekt vorantrieb.

„Eine Antwort auf unsere Bauvoranfrage soll es im Januar geben“, sagt Schmoldt. Dann wissen die Landwirte, ob es Sinn macht, für den Umbau des Objektes in Curslack einen Bauantrag zu stellen oder ob sie sich nach einem neuen Standort für ihr Schlachthaus umschauen müssen. Der Rinderhalter aus Altengamme ist optimistisch, was die erste Wahl der Naturfleisch GbR betrifft: „Dort wird sowieso schon Gewerbe betrieben, dürften wir niemanden stören.“ Eine Alternative haben sich die Landwirte sicherheitshalber aber schon ausgeguckt – in Ochsenwerder, wo ebenfalls ein für einen Umbau geeignetes Gebäude steht. Gesucht wird ein mindestens 3000 Quadratmeter großes Grundstück, vorzugsweise an einer Hauptstraße, auf dem genug Platz ist für ein Schlachthaus in erweiterbarer Modulbauweise.

Landwirte wollten schnell handlungsfähig sein

Aus der GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) soll nun schnellstmöglich eine GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) werden, berichtet Schmoldt. Er und seine Mitstreiter haben erst einmal eine GbR gegründet, was schneller und einfacher geht als die Gründung einer GmbH, um Förderanträge stellen zu können. „Wir wollten schnell handlungsfähig sein“, sagt Schmoldt. Doch gerät ein Projekt in eine finanzielle Schieflage, müssen die Gesellschafter – anders als bei einer GmbH – möglicherweise mit ihrem Privateigentum haften.

Die Hamburger Umweltbehörde fördert die regionale Vermarktung von Fleisch, bezuschusst Werbung, die Gestaltung eines Internetauftritts und einen Kümmerer/Organisator, der die Vermarktungswege des Fleisches aufbaut. Die Naturfleisch GbR hat dort bereits Fördermittel beantragt. „Unsere Anträge werden derzeit geprüft“, sagt Schmoldt.

Investitionssumme von knapp einer Million Euro

Die Initiatoren gehen von einer Investitionssumme von knapp einer Million Euro für das Grundstück, drei Schlachthaus-Module, Einrichtung, Maschinen, Verkaufswagen und Pkw aus. Ein Teil soll über ein Darlehen gedeckt werden. Derzeit diskutieren die Gesellschafter darüber, ob sie Investoren mit ins Team holen oder ob sie alles selbst zahlen sollten, berichtet Schmoldt.

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Gearbeitet werden soll auf mehreren Schienen: Die GbR/GmbH wolle als Dienstleister auftreten und Lohnschlachtung für Selbstvermarkter anbieten, in erster Linie für eingetragene Gesellschafter. Davon können später möglicherweise auch externe Kunden profitieren. Außerdem sei geplant, dass Mitglieder der GbR/GmbH ihre Rinder über die Gesellschaft schlachten und vermarkten lassen.

Gesellschafter haben viele Ideen

Der Schlachter habe bereits Kontakte, die an einem Verkauf des hochwertigen, regionalen Fleischs interessiert seien. Es werde auch überlegt, in den Onlinehandel einzusteigen und das Fleisch in Kühlpaketen zu versenden. Kantinen seien weitere mögliche Abnehmer. „Ideen gibt es genug, aber wir müssen den Markt erst einmal analysieren“, sagt Schmoldt.

Wegbereiter für das Schlachtbetrieb-Vorhaben ist das bundesweite „Netzwerk Fokus Tierwohl“, um das sich in Hamburg die Landwirtschaftskammer kümmert. Sie hat Hanna Kothenschulte als Beraterin engagiert, um die Landwirte an ihr Ziel zu bringen. Die „Tierwohlmultiplikatorin“ begleitet das Projekt weiter, berichtet Frederik Schmoldt. Berater wie Hanna Kothenschulte sind in allen Bundesländern unterwegs, um gemeinsam mit Landwirten und anderen Nutztierhaltern nach Möglichkeiten zu suchen, wie mehr Tierwohl umgesetzt werden kann.

Teilmobile Schlachtung soll behutsam aufgebaut werden

Lüdeke und Schmoldt ist es wichtig, dass ihre Tiere komplett verwertet werden. Dies sei zum einen nachhaltig, beschere dem Halter zum anderen höhere Einkünfte. Sogenannte Schlachtabfälle sollten in dem geplanten Betrieb etwa zu Hundefutter verarbeitet werden, aus den Tierfellen könnten Handtaschen und Schuhe produziert werden, betonen die Landwirte.

In ganz Hamburg gebe es etwa 6000 Rinder – Mutterkühe (etwa 3500), Milchkühe, Masttiere. „1000 von ihnen könnte man jährlich schlachten – und das würde nicht einmal 0,5 Prozent des Hamburger Rindfleisch-Konsums abdecken“, weiß Martin Lüdeke. Der teilmobile Schlachtbetrieb solle aber behutsam aufgebaut werden: Beginnen wolle man mit 100 Rindern im ersten Jahr. „Langfristig ist eine Erweiterung des Sortimentes auf Schweine, Schafe und Geflügel sowie Wildfleisch fest eingeplant“, sagt Hanna Kothenschulte. 2024 soll das Schlachthaus fertig sein und die teilmobile Schlachtung endlich beginnen.