Bergedorf. In den 1970er- und 1980er-Jahren gastierten die Karl-May-Spiele im Bezirk Bergedorf. Ein neuer Bildband erinnert an die Tourneen.

Für eine treue Fangemeinde ist er – allen Diskussionen über kulturelle Aneignung zum Trotz – ein Klassiker, vielleicht sogar ein Heiligtum. Winnetou, der heldenhafte Apachen-Häuptling aus der Feder des Schriftstellers Karl May (1842-1912), begeistert noch immer Jahr für Jahr viele Fans im Freilichttheater auf dem Kalkberg in Bad Segeberg. Oder auch im sauerländischen Elspe.

Doch Winnetou und sein Blutsbruder Old Shatterhand kämpften über die Jahrzehnte nicht immer nur auf Freilichtbühnen gegen Banditen. In den 1930er- und später auch in den 1970er- und 1980er-Jahren gab es erste Versuche, Karl-May-Erzählungen fürs Theater oder in Hallen zu inszenieren. Ein neuer Bildband erinnert nun an diese Tourneen – und auch an die Stationen im Bergedorfer Theater Haus im Park oder im damaligen Spectrum am Lohbrügger Markt.

Karl-May-Produktionen gastierten auch im Haus im Park in Bergedorf

„Karl May Auf der Bühne III“ heißt dieser im Karl-May-Verlag erschienene Band (karl-may.de, 59 Euro), in dem sich die beiden Autoren Nicolas Finke und Reinhard Marheinecke auf 400 Seiten den Tourneen widmen. Im ersten Band hatten sie sich mit den ganz frühen Bühneninszenierungen während des Zweiten Weltkrieges beschäftigt sowie den Anfängen in Bad Segeberg oder Elspe.

Der zweite Band legt einen Schwerpunkt auf Österreichs Karl-May-Bühnengeschichte bis zu Beginn der 1950er-Jahre. Auf den dritten Band über Karl May in der DDR, als Hallenspektakel überall in der Republik und als Theater unter anderem in Bergedorf folgt noch ein viertes Buch, in dem es unter anderem um internationale Aufführungen geht.

Im Buch „Karl May auf der Bühne III“ geht es unter anderem um die Tourneen in Bergedorf.
Im Buch „Karl May auf der Bühne III“ geht es unter anderem um die Tourneen in Bergedorf. © KARL-MAY-VERLAG | KARL-MAY-VERLAG

Für ältere Bergedorfer ist der dritte Band womöglich eine Reise zurück in die Kindheit. Denn vor allem Kinder und Jugendliche waren damals begeistert, als Winnetou, Old Shatterhand und Hadschi Halef Omar im Herbst 1978, Frühjahr 1980 und Herbst 1982 im Haus im Park ihre Abenteuer erlebten.

Das Hamburger Unternehmen Tournee Mondon hatte die aufwendigen Theaterproduktionen nach Bergedorf gebracht. Mit dabei waren erprobte Akteure. Denn hinter Tournee Mondon stand unter anderem Klaus-Hagen Latwesen, der in den 60er- und 70er-Jahren in Bad Segeberg selbst den Winnetou gegeben hatte.

„Winnetou, frei nach Karl May“ ging 1977 erstmals auf Tournee

Wie es zu den Tourneen gekommen war, ist im Buch ausführlich beschrieben. Latwesen war 1976 im Unfrieden in Bad Segeberg ausgeschieden, hatte sich dann entschlossen, „sein eigenes Ding zu machen“. Er gründete mit Rudolf H. Herget, ebenfalls Darsteller aus Bad Segeberg, das Tournee Mondon.

In den folgenden Monaten verhandelte Latwesen mit dem Karl-May-Verlag über die Rechte, schrieb Kulturämter an und warb für seine Produktion. Er konnte sogar, obwohl er sich zuvor mit dem Segeberger Intendanten überworfen hatte, Unterstützung aus Bad Segeberg sichern, erhielt von dort unter anderem Kostüme.

Ein Programmplakat der Winnetou-Tournee in den 70er/80ern.
Ein Programmplakat der Winnetou-Tournee in den 70er/80ern. © Archiv Karl-May-Verlag | Archiv Karl-May-Verlag

1977 ging das Tournee Mondon erstmals mit dem Stück „Winnetou, frei nach Karl May“ auf Tournee, damals aber noch nicht in Bergedorf. Über die Inszenierung ist zu lesen, dass sie einige „innovative Elemente“ einbrachte. So etwa „den Auftritt Karl Mays alias Old Shatterhand, der durch die Sitzreihen auf die Bühne kommt und eine ergänzende Erzählerrolle einnimmt“. Vorgesehen war, „ein Kind aus dem Zuschauerraum zu Old Shatterhand kommen zu lassen, um eine Schusswaffe zu testen, quasi der offizielle Startschuss, der deutlich machte: Das Abenteuer beginnt!“.

Heute wohl eine eher undenkbare Aktion. Doch Schusswaffen gehörten fest ins Programm, das wird auch aus den technischen Anweisungen deutlich: „Es werden 7 Theaterplatzpatronen aus Pistolen abgegeben und 2 Zigarillos und 1 Friedenspfeife angeraucht“, wofür 3 Streichhölzer benötigt würden.

1978 führt die zweite Tour ins frisch eröffnete Theater Haus im Park

Der Erfolg der Produktion 1977 war eher durchwachsen. Dennoch plante Latwesen 1978 die zweite Tour. Sie führte im November nun auch nach Bergedorf. Klaus-Hagen Latwesen hatte Kontakt zur Körber-Stiftung aufgenommen, die erst ein Jahr zuvor das Theater Haus im Park eröffnet hatte. Das Tournee-Theater durfte am Gräpelweg proben, führte dann vom 26. bis zum 30. November 1978 dort seinen „Winnetou“ auf.

Das Hamburger Abendblatt schrieb in seiner Vorankündigung: „Rudolf H. Herget als Old Shatterhand, Klaus-Hagen Latwesen als Winnetou und eine ganze Reihe von sportlich gestählten Schauspielern und Kaskadeuren werden sich harte Kämpfe liefern, für Action und Spannung auf der Bühne sorgen.“

Ein Motiv, das am Rande einer „Der Schut“-Aufführungen 1980 entstand (v.l.): „Kara Ben Nemsi“ Rudolf H. Herget, „Hadschi Halef Omar“ Günter Lüdke, „Kara Nirwan“ Klaus-Hagen Latwesen.
Ein Motiv, das am Rande einer „Der Schut“-Aufführungen 1980 entstand (v.l.): „Kara Ben Nemsi“ Rudolf H. Herget, „Hadschi Halef Omar“ Günter Lüdke, „Kara Nirwan“ Klaus-Hagen Latwesen. © Archiv Karl-May-Verlag | Archiv Karl-May-Verlag

Wie gut der „Winnetou“ in Bergedorf ankam, ist nicht beschrieben. Doch der Bezirk stand 1980 wieder auf dem Programm, als das „Tournee Mondon“ mit seiner neuen Produktion auf Tour ging. Diesmal allerdings ohne Winnetou, sondern mit einem Orientstoff Karl Mays.

Die Figur Hadschi Halef Omar hatte schon in früheren Jahrzehnten auf einigen Bühnen Erfolge gefeiert, und Klaus-Hagen Latwesen hatte das Potenzial erkannt. „Der Schut“ durfte abermals in Bergedorf geprobt werden und wurde hier im März 1980 fünfmal aufgeführt. Auch Ahrensburg stand an einem Tag auf dem Programm.

Winnetou-Tournee mit Pierre Brice scheitert

Zwei Jahre später kehrte das Tournee Mondon dann noch einmal nach Bergedorf und an andere Spielorte zurück, zeigte „Winnetou und Old Shatterhand im Tal des Todes“. Doch in der Zwischenzeit war viel passiert: Klaus-Hagen Latwesen war Intendant in Bad Segeberg geworden. Gleichzeitig war eine andere Produktion, eine groß angelegte Winnetou-Tournee mit Pierre Brice, spektakulär gescheitert.

Latwesen und Herget fürchteten nun um die Zugkraft des Namens Winnetou. Dennoch planten sie 1983 zunächst das neue Abenteuerstück „Der Schatz im Silbersee“. Doch weil Latwesen und Herget zunehmend andere Projekte hatten, kam eine weitere Tour nicht zustande.

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Der Apachen-Häuptling lebte aber an anderen Orten weiter. Etliche Produktionen und weitere Tourneen sind in dem Buch beschrieben. Bis heute werden Karl Mays Erzählungen auf vielen Bühnen gezeigt. Dabei geht es auch zunehmend darum, wie Karl Mays Geschichten zeitgemäß und ohne kulturelle Aneignung erzählt werden kann.

Schon Schauspieler Dietmar Mues (1945-2011) hatte früh ein liebevoll-kritisches Karl-May-Programm entworfen und war damit ebenfalls im Bezirk Bergedorf zu Gast – Ende der 90er-Jahre im damaligen Spectrum am Lohbrügger Markt.