Bergedorf. Der Zustand und die Kategorisierung öffentlicher Flächen sorgt für hitzige Diskussion. Wer widmet hier eigentlich was?

Viele Gehwege in den Vier- und Marschlanden sind in einem so schlechten Zustand, dass sie von Fußgängern und Menschen mit eingeschränkter Mobilität nicht genutzt werden können, da ist sich die Politik einig. Groß war die Hoffnung auf eine Verbesserung des Zustands von Wegen am Rand von Straßen wie beispielsweise Ochsenwerder Landstraße, Ochsenwerder Landscheideweg, Kirchwerder Landweg, Hofschläger Weg oder Heinrich-Stubbe-Weg als der Senat das „Bündnis für den Radverkehr“ um den Bereich des Fußverkehrs erweitert hat. Schließlich geht es um die Sicherheit der schwächsten Verkehrsteilnehmer.

Doch diese Erweiterung vor mehr als einem Jahr hat nicht dazu geführt, dass zusätzliche Mittel für die Unterhaltung in den Bezirk geflossen sind. „Auf Dauer könne es aber keine Lösung sein, in der Bezirksversammlung oder im Regionalausschuss für jeden Einzelfall einen gesonderten Antrag zu stellen, damit die Verwaltung ihrer Verkehrssicherungspflicht nachkommt“, heißt es in einem Antrag der CDU-Fraktion. Doch die anderen Fraktionen im Regionalausschuss stimmten dem Antrag nicht zu.

Wege zum Gehen sind manchmal nur Nebenflächen

Kurz vor der Ausschusssitzung hatte Jörg Froh (CDU) die Tischvorlage für den Antrag verteilt, um die anderen Fraktionen dafür gewinnen zu können. „Die Forderungen waren unstrittig“, sagt Froh. Lediglich an einem in roter Farbe hervorgehobenen Punkt schieden sich die Geister. Die Verwaltung hatte die Christdemokraten nämlich darauf hingewiesen, dass nicht alle Gehwege auch tatsächlich Gehwege seien.

Viele befestigte Verkehrsflächen, auch solche mit einem Hochbord, seien nicht als Gehwege gewidmet. Für diese Nebenflächen gebe es eine andere Rechtslage. Deshalb könnten sie nicht im Wegreinigungsverzeichnis aufgenommen werden. Und so hatte die CDU den von ihr formulierten Antrag dahingehend erweitert, dass sich die Bezirksamtsleiterin bei den zuständigen Behörden dafür einsetzt, „die befestigen Nebenflächen (mit Grand und Platten), die augenscheinlich wie Gehwege aussehen, als Gehwege zu widmen“. Doch dies stieß im Ausschuss auf Widerspruch.

Wenn Gehwege gar keine Gehwege sind

Katja Kramer (SPD) erkundigte sich bei Wolfgang Charles, im Bergedorfer Bezirksamt für das Management des öffentlichen Raums verantwortlich, ob es für die Pflege von mehr (gewidmeten) Gehwegen denn mehr Geld geben würde, was der Verwaltungsmitarbeiter verneinte. Demnach hätten die bereits gewidmeten Gehwege womöglich das Nachsehen, wenn es künftig mehr zu pflegende Gehwege geben würde, resümierte die Sozialdemokratin. „Wir wollen keine Gehwege gegeneinander ausspielen, deshalb sollten wir zuerst klären, ob wir mehr Geld bekommen können und wie viel mehr Geld benötigt wird“, sagte sie.

„Die Bürger fordern vernünftige Schutzstreifen. Ihnen diese nun nicht zu ermöglichen wäre ein Schlag ins Gesicht“, entgegnete Froh, der betonte, dass seiner Partei sonst vorgeworfen werde, dass sie eine „Autofahrerpartei“ sei, „doch hier tun wir was für die Fußgänger“. Außerdem, so der CDU-Mann weiter, müssten Nebenflächen im Gegensatz zu gewidmeten Gehwegen auch nicht von Schnee und Eis befreit werden. „Fußgänger müssen deshalb vielerorts auf der Straße laufen, weil es auf dem Weg zu glatt ist.“

„Keine Versprechungen, die wir nicht halten können“

Die CDU werde das den Regierungsparteien vorhalten, wenn es zwar mehr ausgewiesene Gehwege, aber nicht mehr Geld für deren Pflege gebe, argumentierte Katja Kramer. Ernst Heilmann (Die Linke) betonte mit Blick auf die gefährliche Situation von Fußgängern auf den schmalen Deichstraßen, dass es sich um ein „grundsätzliches Problem“ handle – „und die Mobilitätswende ist ja gewollt“. Die Situation müsse sich schnell ändern, ein grundsätzliches Problem nun angegangen werden, befand Heilmann, der sich dafür aussprach, den von der CDU vorgelegten Antragsentwurf gleich zu beschließen „und sich dann um mehr Geld kümmern“. Man könne ja eine neue Prioritätenliste abarbeiten.

„Unser politischer Auftrag lautet, keine Versprechungen zu machen, die wir nicht halten könnten“, schlug sich Heribert Krönker (Grüne) auf die Seite der SPD. „Aber als allererstes müssen wir mal widmen, definieren, denn wenn es einen Gehweg gar nicht gibt, dann gibt es für ihn auch kein Geld“, insistierte Heilmann und fügte hinzu: „Wir haben doch entsprechende Hinweise von der Verwaltung erhalten.“

Klären, um wie viele neu zu widmende Wege es geht

Das Terrain auszuweiten im Wissen der begrenzten finanziellen Möglichkeiten sei nur „eine Showgeschichte“, warf Harald Martens (SPD) der Opposition vor. Katja Kramer schlug vor, das Petitum für den CDU-Antrag neu zu formulieren. Für einen neuen Entwurf soll die Frage geklärt werden, um wie viele neu zu widmende Gehwege es geht. Außerdem sollen die Mehrkosten beziffert werden. Die Fachsprecher der Fraktionen werden sich nun mit der Verwaltung zusammensetzen, um diese Fragen beantworten zu können. In der Dezembersitzung des Ausschusses soll der veränderte Antrag dann erneut auf der Tagesordnung stehen.

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Auf Nachfrage bei der Pressestelle der Polizei Hamburg heißt es, dass Gehwege nicht speziell gewidmet werden. „Grundsätzlich wird eine Straße für den allgemeinen Verkehr (alle Verkehrsarten) gewidmet. Wie die folgende Einteilung (in Gehwege/Radwege/Fahrbahn/etc.) baulich hergestellt wird, ist dabei unerheblich. Die Widmung eines nachträglich erstellten Gehweges ist somit direkt gegeben“, teilt Joscha Ahlers von der Pressestelle mit. Mit anderen Worten: Wenn eine Straße gewidmet ist und später daneben ein richtiger Gehweg (gepflastert, mit Hochbord) entstanden ist, ist auch dieser automatisch gewidmet. „Die Zuordnung als Gehweg ergibt sich am Ende aus der tatsächlichen baulichen Gestaltung, die in der Regel durch die Abtrennung mittels Bordstein/ Hochbord von der Straße verwirklicht wird. Der Oberbelag (Sand/Pflaster/Asphalt/etc.) ist dabei nicht ausschlaggebend“, sagt Ahlers. Alle Flächen, die nicht entsprechend ausgestaltet sind, gelten als Nebenflächen, teilt Ahlers mit.

Anlieger in der Pflicht

Lennart Hellmessen, Sprechen des Bergedorfer Bezirksamtes, teilt mit, dass Wege von der Wegeaufsichtsbehörde zu öffentlichen Wegen gewidmet werden. „Der Umfang der gewidmeten Fläche richtet sich ausschließlich nach dem Inhalt der Widmungsverfügung und nicht nach der aktuellen Beschaffenheit einer Fläche. Somit kann auch ein Sandstreifen ein gewidmeter Weg sein“, sagt Hellmessen. Nebenflächen sind laut Hellmessen „alle öffentlichen Wegeflächen, die nicht dem Kfz-, Fußgänger- oder Radverkehr dienen“.

Zur Reinigungspflicht: „Anlieger sind nur zur Reinigung der dem Fußgänger- und Radverkehr dienenden öffentlichen Flächen in geschlossener Ortslage verpflichtet“, teilt Hellmessen mit. „Nebenflächen werden von der Stadtreinigung Hamburg gereinigt. Die Reinigungshäufigkeit ist in der Wegereinigungsverordnung (‚Verordnung über das Wegereinigungsverzeichnis und die Reinigungshäufigkeit‘) geregelt.“ Für die Reinigung und Räumung von Deichverteidigungsstraßen gelten dieselben Regeln wie für die anderen Straßen, betont der Sprecher des Bezirksamtes.