Bergedorf. Bezirksversammlung missbilligt den Leerstand dreier Immobilien – und äußert einen Verdacht. Nun gibt es eine Forderung.
Strahlkraft und Attraktivität des Bergedorfer Zentrums mit seinem angrenzenden Villengebiet schwinden ob immer mehr leer stehender und verfallender Wohn- und Geschäftshäuser. Die Bergedorfer Politik mahnt geschlossen und eindringlich an, dass die Verwaltung nun endlich offensichtliche Leerstände zu Spekulationszwecken stärker bekämpfen und alle Rechtsmittel ausschöpfen solle. Im Fokus stehen nach einem Antrag der Bergedorf-Koalition aus SPD, Grünen und FDP die denkmalgeschützten Häuser Chrysanderstraße 32 sowie Sachsentor 10 und 17. Diese Objekte scheinen die jeweiligen Eigentümer schon seit Jahren nicht zu interessieren. Bis zum unerlässlichen Abriss und einer lukrativen Neubebauung.
Nachdem bereits zuletzt die Linke den jahrelangen Leerstand in den Wohnhäuser Chrysanderstraße 151 und 153 angeprangert und die Verwaltung zum Handeln aufgefordert hatte, fielen den Koalitionären die historischen Fachwerkhäuser Sachsentor 10 und 17 sowie die markante Villa im Schweizer Baustil an der Chrysanderstraße auf. Alles ebenfalls jahrelange Leerstände – was Sonja Jacobsen (Chefin der FDP-Fraktion Bergedorf) massiv ärgert: „Das eine ist das Entrée zum Villenviertel, das andere sind jeweils erhaltenswerte Gebäude im Bergedorfer Zentrum. Alles Schlüsselgebäude mit Alleinstellungsmerkmal.“
Verwaltung soll aktiver Leerstände bekämpfen: Ein historisches Landhaus verfällt
Das um 1870 erbaute frühe Landhaus auf dem Augustaberg mit Adresse Chrysanderstraße 32 steht wohl nicht nur bei Sonja Jacobsen unter besonderer Beobachtung: „Das Haus steht unserer Recherche nach bereits sieben Jahre leer, verwahrlost immer mehr.“ Die Antragsschreiber können zwar nur spekulieren, doch die Vorgehensweise der Eigentümer, einem chinesischen Konglomerat, spreche dafür, dass die Immobilie reines Spekulationsobjekt sei. Mal ist das Landhaus nach Angaben von Sonja Jacobsen auf einem eher unseriösen Internetportal zur Vermietung, dann wiederum zu einem horrenden Preis von 2,25 Millionen Euro zum Verkauf angeboten worden: „Wenn man da angerufen hat, ging niemand ran“, weiß Jacobsen. Die Bergedorfer Koalition hegt deshalb den Verdacht, dass in diesem Fall gegenüber den Behörden der Anschein erweckt werden solle, sich um das Gebäude zu kümmern., was aber in Wirklichkeit nicht passiere.
Im Sachsentor 17 (erbaut im Jahre 1732) verkaufte Klier-Moden bis zum Jahr 2016 Klamotten. Schon 2020 drohte hier der Abriss des Fachwerkhauses, bis die Immobilienfirma Pipping zugriff und das Haus erwarb. Die Maklerfirma wollte genau dort bereits seit Längerem das neue Bergedorfer Büro einrichten. Diese Pläne dürften allerdings aufgrund des laufenden vorläufigen Insolvenzverfahrens gegen Pipping ruhen. Das Sachsentor 10, das etwa im Jahre 1750 errichtet wurde, gehört einer privaten Erbengemeinschaft, früher waren dort ein Fischhändler und dann eine Boutique ansässig. Auch dieses Haus steht seit 2016 leer.
Denkmalschützer würde Instandsetzungsgebot aktivieren
Sonja Jacobsens Parteifreund, der Baugesetzgebungsexperte und Denkmalschützer Geerd Dahms, sagt, was eigentlich im Sinne der Gebäudeerhaltung, egal ob Wohn- oder Gewerbenutzung, passieren muss: „Für alle drei Gebäude sollte das Bezirksamt im Rahmen der Baugesetzgebung auf Zweckentfremdung plädieren und das Instandsetzungsgebot aktivieren. Das wäre aus meiner Sicht absolut gerechtfertigt, weil es sich in allen Fällen um Leerstände und verfallende Gebäude an prominentem Standort handelt.“ Dann müsse definitiv das Denkmalschutzamt auch eingeschaltet werden. Aus Dahms‘ Sicht liegen die Gebäude zudem im Milieuschutzbereich (sogeannnte Sachsentor-Verordnung). Sonja Jacobsen ergänzt: „Es kann nicht sein, dass mitten in Bergedorf historische Gebäude verfallen, ohne dass es ein wirksames behördliches Eingreifen gibt.“
Ein Antrag, mit dem sich alle Fraktionen in der Bezirksversammlung gut arrangieren können. CDU-Fraktionschef Julian Emrich wird schon deutlich in der Ansprache: „Es ärgert uns, wie die Verwaltung mit diesem Problem umgeht.“ Er erinnert an den Antrag der Linken in der Oktober-Bezirksversammlung. Auch in diesem Fall habe die Verwaltung trotz mehrfacher Hinweise die Malaise dauerhaft geduldet. Deswegen müsse die halbe Personalstelle, die sich im Verbraucherschutzamt um Leerstände kümmere, erweitert werden, lautet die Forderung von Emrich.
Konkreter Auftrag an die Leerstands-Jäger in Bergedorfs Rathaus
Zuletzt beschäftigte sich auch der Bauausschuss mehrmals mit den nun angesprochenen Gebäuden. Geschehen ist aber nichts. Nun soll die Verwaltung nach dem einstimmigen Vorum aus der Politik den siebenjährigen Leerstand an der Chrysanderstraße beenden, wo es den Verdacht der Zweckentfremdung gibt, und generell die „schrittweise Zerstörung der drei historischen Gebäude durch Verfallenlassen durch die Anordnung von Instandsetzungsgeboten gem. § 177 Baugesetzbuch unterbinden und das Denkmalschutzamt beteiligen“.
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Vertreter der Bergedorfer Koalition diskutieren weitere Massnahmen, ob zum Beispiel Sachsentor 17 von der Stadt gekauft werden könnte, um dort eine soziokultruelle Einrichtung zu etablieren. Des Weiteren könnten empfindliche Bußgelder gegen die Eigentümer von Sachsentor 10 und Chrysanderstraße 32 ebenfalls im Rahmen der Baugesetzgebung verhängt werden, wenn sie ihren Instandsetzungspflichten nicht nachkommen.