Bergedorf. Erneut bekommen Jugendclubs, Mädchentreffs und Familienberatung im Bezirk Bergedorf weniger, als sie bräuchten. Expertin geht.

Nahezu reflexartig schloss sich der gesamte Jugendhilfeausschuss den Worten von Heribert Krönker (Grüne) an, um Bergedorfs Jugend- und Sozialdezernentin für die „stets gute Zusammenarbeit“ zu danken. Sabine Steffen, die im Oktober 2014 als 55-Jährige das Amt im Bergedorfer Rathaus übernommen hatte, geht nun in Ruhestand. Ihre Stelle soll zum Jahresbeginn neu besetzt werden.

Dabei ist der Job nicht gerade dankbar, denn so richtig aus dem Vollen schöpfen konnte Sabine Steffen nie. Die chronische Unterfinanzierung der Jugendarbeit ließ sie schon 2019 eine Million Euro mehr fordern: „Wir brauchen endlich eine strukturelle Absicherung“, hatte die Dezernentin gefordert. Ein Jahr später sogar hingen Protestplakate aus dem Bergedorfer Jugendamt: Ständige Überlastung und Personalmangel sind bis heute ein Dauerthema beim Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD), die zentrale Anlaufstelle für Familien in Belastungs-, Krisen- und Notsituationen.

Kinderschutzhaus öffnet im Frühjahr

Hatte Sabine Steffen zu ihrem Amtsantritt noch gesagt, dass die Kindeswohlgefährdung ein wichtiges Thema bleibe, konnte sie immerhin im vergangenen September das Richtfest für das 6,7 Millionen Euro teure Kinderschutzhaus am Ladenbeker Furtweg feiern. Die Eröffnung ist für das Frühjahr 2024 geplant.

Doch die Finanzierung der offenen Kinder- und Jugendarbeit bleibt ein Dilemma, wie sich auch aktuell wieder bei der Verteilung der Rahmenzuwendungen für das kommende Jahr zeigte. 2,097 Millionen Euro müssen sich 20 Einrichtungen teilen. Angesichts steigender Betriebskosten und einem immensen Personalmangel ist es da kaum ein Trost, dass das Jugendzentrum am Kurt-Adams-Platz etwa 5400 Euro mehr als im Vorjahr erhält, ähnlich wie der Mädchentreff in Neuallermöhe. Knapp 4000 Euro mehr bekommt das Spielhaus am Kiebitzdeich, gerade mal 2000 Euro das selbstverwaltete Jugendzentrum Unser Haus an der Wentorfer Straße.

„Die Kassen in diesem Land sind leer“

„Das bildet die Teuerung und Mehrbedarfe gar nicht ab, es ist ein Abschmelzen der Substanz“, kritisiert Cornelia Frieß (Die Linke). In Einigkeit mit allen Fraktionen: „Das ist weit unter dem, was im Bezirk gebraucht wird und reicht überhaupt nicht. Dabei wird alles auf dem Rücken der Mitarbeiter und ihrem Angebot für Kinder- und Jugendarbeit ausgetragen“, ergänzt Dennis Gladiator (CDU). Hier gehe es nicht um eine parteipolitische Frage, betont Grünen-Politiker Krönker: „Wir wissen ja alle, dass die Kassen in diesem Land leer sind.“

Das wird auch Bergedorfs Familienförderung erfahren, etwa die beiden Kifaze (Kinder- und Familienhilfezentren), die Erziehungsberatung und das Mütterzentrum am Reetwerder, die im nächsten Jahr mit zusammen 523.000 Euro auskommen müssen – gerade mal 8000 Euro mehr als im Vorjahr. Auch sozialraumorientierte Angebote im Bezirk, zu denen die Familienberatungen in Lohbrügge und Bergedorf-West zählen, müssen sparen, sich mit zusammen 337.400 Euro bescheiden.

Zweijährige Jugendhilfe-Planung startet im Januar

Da sind noch immer die Corona-Folgen mit steigenden psychischen Belastungen bei Kindern und Jugendlichen. Da sind die vielen Flüchtlinge, da ist die Armut infolge der Inflation: Die Jugendarbeit im Bezirk arbeitet am Limit. „Um wenigstens 50 Prozent“ mögen die Gelder erhöht werden, hatten die Pädagogen und Sozialarbeiter noch im August 2023 öffentlich gefordert.

Daher war es nun eher ein lethargisches Schulterzucken, als der Jugendhilfe-Ausschuss einstimmig die neuerliche Verteilung beschloss. Aber „wir müssen in Zukunft noch konkreter werden“, so Vorsitzender Stefan Thomsen, der an die Forderung von Dezernentin Sabine Steffen denkt, die Rahmenzuweisungen für den Doppelhaushalt 2025/26 um insgesamt 1,269 Millionen Euro aufzustocken.

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Dafür müsse man „gute Argumente sammeln“, weiß Detlef Trute, der das Bergedorfer Fachamt Sozialraummanagement leitet – und sich auf einen neuen Kollegen freut, der zwei Jahre lang aus Mitteln der Finanzbehörde bezahlt wird: Anfang Januar beginnt für ihn die Arbeit, eine Jugendhilfeplanung für Bergedorf aufzustellen.

Eine bedarfsgerechte Versorgung etwa von Kitas, Erziehungshilfe und Jugendsozialarbeit ist schließlich gesetzlich vorgeschrieben. Nach Paragraf 80 im Sozialgesetzbuch muss die Planung den „Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen“ ermitteln und notwendige Vorhaben „rechtzeitig und ausreichend“ geplant werden. So möge unter anderem ein „möglichst wirksames, vielfältiges und aufeinander abgestimmtes Angebot von Jugendhilfeleistungen“ gewährleistet werden.