Kirchwerder. Der 86-Jährige gibt seit Jahrzehnten im Musikverein Loreley den Rhythmus an. Dabei ist die Kapelle für ihn viel mehr als nur Musik.

Das ist wirklich rekordverdächtig: Günther Dreier (86) spielt seit 70 Jahren im Musikverein Loreley von 1928 Seefeld die Tuba. Dabei war die Musik vor sieben Jahrzehnten gar nicht seine erste Wahl. Schmunzelnd berichtet er: „Eigentlich wollte ich als Junge mit elf oder zwölf Jahren zur Feuerwehr, aber meine Eltern waren davon absolut nicht begeistert und haben es verboten. Danach habe ich mich entschlossen, mich der Musik zu widmen.“

Plattenspieler und Tonbandgerät besaß er damals schon. Nun sollte es auch noch ein eigenes Instrument werden: „Die Tuba hat mir mit ihrer Größe richtig imponiert, also beschloss ich Tuba zu lernen.“ Bei Wind und Wetter fuhr er, die schwere Tuba auf den Rücken geschnallt, mit seinem Fahrrad nach Neuengamme. Bei Robert Meier nahm er zweimal wöchentlich Unterricht. „Das erste halbe Jahr war etwas schwierig und ging etwas holprig“, erinnert sich Günther Dreier. Doch er übte fleißig und wurde 1953 in den Musikverein Loreley aufgenommen. Jetzt durfte er bei Auftritten mitspielen – ein schönes Gefühl. Günther Dreier war stolz und glücklich.

Seit 70 Jahren gibt Günther Dreier beim Musikverein den Ton an

Tatsächlich hatte sich der junge Tubist nicht nur ein klangstarkes, sondern auch ein wichtiges Instrument ausgesucht. Andreas Brinker (64), seit gut 23 Jahren musikalischer Leiter des Musikvereins, weiß: „Die Tuba ist eines der wichtigsten Instrumente, gleich hinter dem Schlagzeug gibt die Tuba den Rhythmus an.“

Zehn Jahre als Tubist bei der Loreley – dann wurde auch noch etwas anderes wichtig: 1963 heiratete Dreier seine Frau Helga Dreier (heute 85). Die beiden haben zwei Kinder und vier erwachsene Enkelkinder. Das Paar hält fest zusammen, auch in nicht so rosigen Zeiten: „Mein Mann ist ein Kämpfer, der kämpft sich immer wieder zurück. Eine schwere Krankheit und einen langen Krankenhausaufenthalt hat er gut überstanden.“ Nur der Rollator im Wohnzimmer erinnert daran.

Alle Musiker und Angehörige empfinden den Musikverein als Teil der Familie

Helga Dreier hat lange im Chor Teutonia gesungen, den es heute allerdings nicht mehr gibt. Sie erzählt: „Bei der Loreley fühle ich mich auch gut aufgehoben, obgleich dort früher keine Frauen zugelassen waren, aber als Ehefrau bin ich immer dabei gewesen.“ Gut aufgehoben, das ist das Stichwort: Alle Musiker und die Angehörigen empfinden den Musikverein als Teil ihrer Familie. Andreas Brinker sagt: „Wir feiern die Familienfeste alle gemeinsam, in unserer Gemeinschaft geht jeder für den anderen durchs Feuer.“

Günther Dreier an der Tuba - ein Foto von 1960. 
Günther Dreier an der Tuba - ein Foto von 1960.  © Günther Dreier

Aber auch in einer eingeschworenen Gruppe gibt es Veränderungen. So fusionierte der Musikverein Loreley vor zwei Jahren mit dem Feuerwehr Musikzug Reitbrook, ein Schritt, den niemand bereut hat, denn „da passt die Kameradschaft ein wunderbar“, schwärmt Brinker. Auch der Ausschluss der Damenwelt wurde vor 15 Jahren aufgehoben, als Brigitte Brinker (64) mit ihrer Tuba um die Mitgliedschaft bat. Die fröhliche Musikantin lachend: „Ich fühle mich sehr wohl hier, werde richtig hofiert.“

Seit 34 Jahren ist der Tubist Vorsitzender – auch wenn es in keinem Register steht

All den Geschichten hört Günther Dreier lächelnd zu. Er hebt statt des eigenen Verdienstes viel lieber die langjährigen Leistungen seiner Mitspieler, wie beispielsweise von Karlheinz Timmann (84). Der ist der Sohn des Gründers der Loreley, über Jahrzehnte spielt er das Tenorhorn. Sein Sohn Bernd Timmann (67) spielt die Klarinette. Brunhild Heinsohn (67), Partnerin von Bernd Timmann, nennt die herausragenden Charakterzüge von Günther Dreier: „Er setzt sich immer für die Loreley ein, ist super zuverlässig und hervorragend vernetzt. Irgendwie regelt er immer alles.“ Kein Wunder, dass er seit 34 Jahren der Vorsitzende des Musikvereins ist, der niemals ins Vereinsregister eingetragen wurde. Warum auch, diese Gemeinschaft funktioniert auch so perfekt.

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Am Sonnabend wird das 70. Jubiläum von Günther Dreier im Übungsraum der FF Reitbrook zünftig gefeiert. Wer auch Lust auf Konzerte und Übungsabende hat und den Genuss der familiären Atmosphäre zu schätzen weiß, kann gern bei einem Übungsabend des Musikvereins vorbeischauen (dienstags im Feuerwehrgerätehaus Reitbrook am Vorderdeich 128 von 19.30 bis 21.30 Uhr).

Brinker wirbt: „Wir treten bei Schützen- oder Feuerwehrfesten, Jubiläen, Umzügen und anderen privaten Feiern auf. Im Grunde kann jeder bei uns mitmachen und ist herzlich willkommen, egal ob Mann oder Frau, mit oder ohne Vorkenntnisse. Wir geben auch Tipps, wo man das eigene Instrument schnell und gut erlernen kann. Bei uns spielen derzeit 13 Musikanten und eine Musikantin im Alter zwischen 31 und 86 Jahren.“