Hamburg. Alles tanzte nach seinen Scheiben: Fast 50 Jahre lang war der Vierländer als Discjockey aktiv. Noch immer macht er die Nacht zum Tag.

Peter Ernst war rund 20 Jahre lang als Discjockey in der ehemaligen Diskothek Capeletti am Hower Hauptdeich 95 im Einsatz. Von 1972 bis Anfang der Neunziger. „Ich war dort der erste DJ“, sagt er. Danach beschallte Ernst private Feiern und organisierte regelmäßige Tanzpartys an Bord eines Fahrgastschiffes. Als Anfang 2020 die Pandemie Deutschland erreichte und plötzlich keine Feiern mehr möglich waren, beendete der heute 75-Jährige seine DJ-Karriere – nach fast 50 Jahren. Musik legt er allerdings noch immer täglich auf, aber nur für sich – in seinem Hobbyraum am Süderquerweg, in dem sich alles um Musik dreht.

Als 1972 ein Discjockey gesucht wurde, meldete sich Ernst bei Hans Capeletti, Betreiber des Capeletti in Kirchwerder-Howe – und durfte gleich am nächsten Tag Platten auflegen. „Ich habe schon immer gern Musik gehört, bin mit Cliff Richard, Elvis, den Stones und den Beatles aufgewachsen. Meine erste Platte war von den Beatles, Mitte der 60er“, sagt Ernst. Der damals 24-Jährige gab fortan immer freitags den Ton in dem Tanzlokal an. „Davor war freitags nur Kneipenbetrieb“, erinnert sich der Ex-DJ. „Sonnabends trat immer die Band Gigi and the Night Shadows auf.“ Nicht selten feierten dort 500 Gäste.

Musik ist für Ex-DJ Peter Ernst nach wie vor die große Leidenschaft

Peter Ernst stand auf der Bühne hinter einem Schreibtisch, der zu einem DJ-Pult umgebaut worden war und zwei Plattenspieler sowie ein Mischpult umschloss. Ernst legte dann seine eigenen Schallplatten, Singles, auf. „Anfangs durfte ich nur deutsche Tanzmusik spielen. Das wollte der Chef so. Sobald ich etwas Englisches auflegte, stand er neben mir.“ Einige Hundert Meter weiter, in der Discothek Garbers am Kirchwerder Landweg 552, hatte englischsprachige Rockmusik bereits Einzug gehalten. „Privat mochte ich damals vor allem US-Soul im Stil von Barry White“, sagt Ernst. Diese Musik hört er heute noch besonders gern.

Peter Ernst als DJ-Clown beim Kinderfasching des Unterhaltungsclubs Flora im Jahr 2019 mit einer jungen Prinzessin.
Peter Ernst als DJ-Clown beim Kinderfasching des Unterhaltungsclubs Flora im Jahr 2019 mit einer jungen Prinzessin. © BGZ/Löffel | Erika Löffel

Auch im Capeletti wurde bald englische Musik gespielt, und Peter Ernst trieb das Publikum mit Pop, Rock und Schlagern, Alt und Neu, Englisch und Deutsch, auf die Tanzfläche. „Mir war immer wichtig, dass für jeden Musikgeschmack etwas dabei ist. Ich habe es bis zum Ende meiner DJ-Karriere vor knapp vier Jahren beibehalten, Musik verschiedener Stilrichtungen zu spielen.“

Sein bunter Mix kam gut an: Zu später Stunde formierten sich die vielen Stammgäste aus dem Dorf und der näheren Umgebung Woche für Woche zu einer Polonaise. Es dauerte nicht lange, bis der Discjockey auch sonnabends das Capeletti beschallte, später dann sogar zusätzlich sonntags und mittwochs. „Das wurde mir dann aber zu viel, sodass auch andere DJs im Einsatz waren.“

Nach der Capeletti-Zeit gründete Peter Ernst seinen Musikservice

Nachdem Petra Capeletti, heute verheiratete Tofern, die Gaststätte 1987 nach dem Tod ihres Vaters Hans Capeletti übernommen hatte, war laut Ernst „andere, modernere Musik gefragt“. Dabei sei die Dorf-Diskothek stets gut besucht gewesen, als er am Mischpult stand, betont Ernst, der das Disco-Publikum nun seltener beschallte und Anfang der 90er-Jahre dem Capeletti ganz den Rücken zuwandte.

Besser spät als nie: 2009 machte Peter Ernst einen „DJ-Führerschein“. Dafür hatte der Vierländer an einer Schulung der Gesundheitsbehörden, Krankenkassen und des Berufsverbandes Discjockey teilgenommen und eine Prüfung absolviert, bei der es um den Umgang mit Lautstärke ging.
Besser spät als nie: 2009 machte Peter Ernst einen „DJ-Führerschein“. Dafür hatte der Vierländer an einer Schulung der Gesundheitsbehörden, Krankenkassen und des Berufsverbandes Discjockey teilgenommen und eine Prüfung absolviert, bei der es um den Umgang mit Lautstärke ging. © BGZ / Wiebke Schwirten

Ernst, inzwischen Mitte 40 und Inhaber einer Plattensammlung (vor allem Singles und Maxisingles), die in der Zwischenzeit von einigen Dutzend auf mehrere Tausend Scheiben angewachsen war, der zudem mittlerweile auch etliche CDs (vor allem Sampler) besaß, wollte weiter als DJ arbeiten. Er gründete den „Musikservice Peter Ernst“, kaufte sich einen Transporter und seine erste DJ-Ausrüstung, Mikrofon für spaßige Ansagen inklusive. „Zuvor hatte ich ja stets die vom Capeletti benutzt.“ Fortan war Ernst bei Polterabenden und Hochzeiten, Konfirmationen, Geburtstags-, Firmen- und weiteren Feiern in seinem Element. „Ich spielte in der Regel anfangs Schlager, dann bin ich langsam auf aktuelle Musik umgestiegen und zum Schluss gab es auch Rock.“

Schiffszimmermann, Bootsbauer und Honigverkäufer auf Wochenmärkten

Außerdem konzentrierte sich Peter Ernst immer mehr auf das Musikgeschäft. Jetzt war er mit seiner mobilen Diskothek auch in der Woche unterwegs. Doch erst ab 2009 arbeitete er als DJ im Hauptberuf. Bis dato war der gelernte Schiffszimmermann Discjockey im Nebenerwerb. Der Vater zweier Töchter hatte sein Haupteinkommen in seinem Lehrberuf und später als Bootsbauer bestritten. „Bis 2009 habe ich zehn Jahre lang selbstständig im Einzelhandel gearbeitet und Honig auf Wochenmärkten verkauft. Danach war ich nur noch DJ.“

Peter Ernst vor fast 15 Jahren an seinem hochtechnischen DJ-Mischpult.
Peter Ernst vor fast 15 Jahren an seinem hochtechnischen DJ-Mischpult. © BGZ / Wiebke Schwirten

Obwohl er „nie Werbung gemacht“ habe, sei er „aufgrund von Empfehlungen in ganz Hamburg und auch anderswo in Norddeutschland“ als DJ aktiv gewesen. „Altersmäßig bin ich mit meinem Publikum mitgegangen, oder umgekehrt“, sagt Ernst und schmunzelt. „Als ich älter war, legte ich auch viel bei silbernen und goldenen Hochzeiten auf. Später dann auch beim Seniorentreff der Arbeiterwohlfahrt.“

Einige seiner „Fans“ begleitete der DJ über lange Strecken ihres Lebens, etwa von ihrer Konfirmation bis zu ihrer Silberhochzeit. Viele Partyreihen begleitete der Vierländer über Jahre und Jahrzehnte – vom monatlichen „Disco Dance“ im Vereinsheim Sander Tannen (ab 1987) über das „Dschungelfest“ der Freiwilligen Feuerwehr Fünfhausen, das er zehn Jahre lang beschallte, bis hin zu Kindermaskeraden verschiedener Vereine, bei denen er über einen Zeitraum von 35 Jahren fröhliche, für Junioren geeignete Lieder spielte.

Peter Ernst organisierte auch 30 Jahre lang Ü30-Bordpartys

Drei Jahrzehnte lang, bis kurz vor Corona, organisierte Ernst mithilfe seiner Frau sogenannte Bordpartys für ein Ü30-Publikum: „Wir haben ein Ausflugsschiff gechartert, sind am Anleger Zollenspieker gestartet und haben mit jeweils rund 200 Gästen gefeiert – anfangs viermal im Jahr, später dann dreimal jährlich.“

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Ernst wurde in Bad Segeberg geboren. 1976 zog er in die Vierlande, kaufte 13 Jahre später ein Haus am Süderquerweg, in dem er noch heute mit seiner Frau lebt. Der Mann, der sich am Telefon stets als „Ernst mit guter Laune“ meldet, sagt, dass die Pandemie ihm den „Ausstieg“ erleichtert habe: „Plötzlich war Schluss – und das war auch richtig so. Nun habe ich mehr Zeit für meine Familie.“ Es sei ihm auch immer schwerer gefallen, das schwere DJ-Equipment durch die Gegend zu tragen. Den Transporter hat der Senior inzwischen zu einem Wohnmobil ausgebaut. „Wir waren damit schon in Dänemark und Schweden.“

„Besonders schwungvolle Popmusik“ gab es in den 80er-Jahren

Seine Lieblingszeit als DJ waren die 80er-Jahre, betont Ernst: „Da gab es besonders schwungvolle Popmusik.“ Sehr reizvoll fand er es, als Discjockey außerhalb der Vier- und Marschlande aufzulegen, „dort, wo ich die Gäste nicht kannte“. Dann habe er sich erst langsam an den Geschmack des Publikums heranarbeiten müssen. „Bei den Vierländern wusste ich ja meist, was sie gern hören.“

Oft habe er am frühen Abend, wenn die Gäste aßen und er nur leise Musik im Hintergrund spielte, die Reaktionen der Menschen beobachtet, erzählt Ernst: „Dann wusste ich, was nach dem Essen gefragt ist. Man kann nämlich auch zum Essen die Stones spielen, wichtig ist nur, dass man noch das Geschirr klappern hört, denn die Leute wollen sich unterhalten.“

Kinderfasching im Februar 2008 im Gasthof zum Elbdeich am Neuengammer Hausdeich: Peter Ernst als DJ-Clown inmitten junger „Fans“.
Kinderfasching im Februar 2008 im Gasthof zum Elbdeich am Neuengammer Hausdeich: Peter Ernst als DJ-Clown inmitten junger „Fans“. © heyen | heyen

„Im Laufe der Jahre hat sich die Technik sehr verändert: Anfangs legte ich Schallplatten auf, dann kam die CD und danach MP3“, sagt Ernst. „Durch die Digitalisierung wurde die Bedienung einfacher, trotzdem war der Umstieg am Anfang mit einem erheblichen Arbeitsaufwand verbunden: Ich habe die CDs allesamt am Computer eingelesen, ins MP3-Format umgewandelt und beispielsweise nach Erscheinungsdatum und Genre archiviert.“

CDs werden nun verkauft, vom Vinyl mag er sich nicht trennen

In seinem Hobbyraum in einem Nebengebäude hinter dem Wohnhaus verbringt der ehemalige DJ viel Zeit. Dort zieren Plattencover, Fotos von Elvis Presley und Plakate vom Star-Club die Wände, füllen Musikbücher, Tonträger, Plattenspieler, Grammofone, Kassettenrecorder, Radios, Tonbandgeräte und Kopfhörer die Regale. Die Musikbox von 1958 funktioniert noch. Stolz ist der Senior auch auf seine Sammlung alter „Bravo“-Zeitschriften (seit 1956). „Das ist mein Rückzugsort. Manchmal höre ich dort bis nachts um drei Musik, bis meine Frau mich fragt, ob ich nicht endlich schlafen gehen möchte.“

Blick in den Hobbyraum des ehemaligen Discjockeys: Auf Regalen türmen sich alte Plattenspieler, Tonbandgeräte, Grammofone und Tonträger.
Blick in den Hobbyraum des ehemaligen Discjockeys: Auf Regalen türmen sich alte Plattenspieler, Tonbandgeräte, Grammofone und Tonträger. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Musik werde auch weiterhin sein Leben bestimmen, betont der 75-Jährige, der eigentlich permanent Platten oder CDs hört: „Ein Tag ohne Musik ist ein verlorener Tag.“ Dennoch will Ernst einen Teil seiner umfangreichen CD-Sammlung verkaufen, „um Platz zu schaffen“. Vom Vinyl, das noch wesentlich mehr Raum in Anspruch nimmt, mag er sich dennoch nicht trennen.