Moorfleet. Familie Harder schließt nach 59 Jahren ihr Restaurant – obwohl es gut besucht und oft kaum ein Platz frei ist. Was sie dazu bewegt.

Nach 59 Jahren im Besitz der Familie Harder schließt die Gaststätte Zur Elbbrücke. Dabei können sich die Betreiber, Kay (55) und Rosa Harder (59), nicht über mangelnde Kundschaft beschweren. „Unser Restaurant ist täglich gut besucht, oft ist kein Platz mehr frei“, sagt Kay Harder. Doch der gelernte Koch und Küchenmeister, der in dem Haus am Moorfleeter Deich 259 aufgewachsen ist, findet kein Personal, muss deshalb durchschnittlich zwölf Stunden am Tag arbeiten. Zudem hat er, wie alle Gastronomen, in Zeiten von Corona und Ukraine-Krieg mit Kostenexplosionen in nahezu allen Bereichen zu kämpfen. Deshalb zieht er nun die Reißleine. Am 15. Dezember wird das letzte Mal geöffnet.

1964 übernahmen Kay Harders Eltern, Sigrid und Axel Harder, die Gaststätte. „Sie haben beide bis zu ihrem Lebensende noch mitangepackt“, sagt der 55-Jährige, der das Restaurant 2002 von seinen damals gesundheitlich angeschlagenen Eltern übernahm, mit ihnen aber noch viele Jahre zusammenarbeitete. Und auch als seine Eltern noch das Sagen hatten, setzte die Familie auf Teamarbeit: Schon als junger Mann bereitete der angehende Koch Speisen für die Restaurantbesucher zu. „Ich habe mein Leben lang hier mitgearbeitet, unterbrochen lediglich von einigen Jahren bei der Bundeswehr.“

Mit dem Restaurant Zur Elbbrücke schließt Moorfleets letzte Gaststätte

Rosa Harder hilft ihrem Mann am Wochenende als Servicekraft, „damit ich ihn überhaupt mal sehe“, sagt sie schmunzelnd. Die 59-Jährige arbeitet im Hauptberuf als Sekretärin an der Katholischen Schule in Bergedorf. Dritte im Team ist Petra Hachmann (58), die seit 17 Jahren als Servicekraft in Teilzeit angestellt ist und 100 Stunden im Monat für die Gäste da ist. „Vor Corona waren es drei weitere Mitarbeiter, darunter zwei weitere Köche“, sagt der Chef, der nicht nur in der Küche wirbelt, sondern sich auch um die Einkäufe kümmert und ebenfalls die Gäste bedient. Petra Hachmann habe bereits einen neuen Job als Servicekraft gefunden, weiß Harder.

Eine alte Postkarte zeigt das Haus mit der Gastwirtschaft Zur Elbbrücke um 1900. Das Haus hat noch das erste Dach, davor stehen Linden.
Eine alte Postkarte zeigt das Haus mit der Gastwirtschaft Zur Elbbrücke um 1900. Das Haus hat noch das erste Dach, davor stehen Linden. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Rosa Harder wohnt mit ihrem Mann in Allermöhe. Im Obergeschoss des Gasthauses wohnten Kay Harders Eltern. „Aber die Gaststube war das Wohnzimmer meiner Eltern. Oben haben sie eigentlich nur geschlafen.“ Axel Harder starb vergangenes Jahr. Kay Harder will das Haus im kommenden Jahr renovieren. Oben möchte er vermieten. Was aus den unteren Räumen wird, weiß er noch nicht.

Seite mehr als 120 Jahren gibt es in dem Haus eine Kneipe

„In dem Ende des 19. Jahrhunderts erbauten Haus gab es meines Wissens immer schon eine Kneipe“, sagt Kay Harder. „Meine Eltern haben mit der von ihnen übernommenen Kneipe angefangen und irgendwann dann auch Schinkenbrote und halbe Hähnchen serviert. Das lockte Gäste auch von weither.“ Der 55-Jährige erinnert sich noch gut daran, wie er als Junge mit seinem Bruder Sven (heute 56) mittendrin war, „wenn die Bauern und Gärtner in den 70er-Jahren morgens nach dem Markt hier Karten spielten und Bier tranken. Dann hatten wir ein volles Haus“. Noch vor einigen Jahrzehnten gab es „auf dieser Ecke sieben weitere Kneipen“, weiß der Küchenmeister. „Die sind alle bereits verschwunden.“

Sigrid und Axel Harder, die Eltern des heutigen Betreibers Kay Harder, in den 70er-Jahren am Tresen ihrer Gaststätte.
Sigrid und Axel Harder, die Eltern des heutigen Betreibers Kay Harder, in den 70er-Jahren am Tresen ihrer Gaststätte. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

In den 70er- und 80er-Jahren weiteten Sigrid und Axel Harder das Speisenangebot aus, erinnert sich der Sohn: „Dann gab es mittags täglich um die 60 Essen für Mitarbeiter der umliegenden Firmen.“ Trotzdem durfte im Lokal Zur Elbbrücke weiterhin geraucht werden, bis zum Rauchverbot im Jahre 2008 durch den Gesetzgeber. „Das Verbot kam uns zugute, weil danach auch viele Familie zum Essen zu uns kamen“, sagt Kay Harder.

Stammgäste aus ganz Norddeutschland

Das Gasthaus habe schon immer viel Kundschaft gehabt, betont Kay Harder. „Wir liegen an einer Ein- und Ausfallstraße der Vier- und Marschlande, haben Stammgäste aus ganz Norddeutschland.“ Doch auch die Menschen in der Region essen und trinken gern bei Familie Harder. Seit Jahrzehnten lockt der Gasthof benachbarte Kleingärtner, Marschländer Feuerwehren und Vereine etwa zum Grünkohlessen, dient er als Vereinslokal: „In der Spitzenzeit hatten wir hier zehn Vereine und Institutionen, heute sind es deutlich weniger, darunter der Angel-Sport-Verein Overhaken und die Freiwillige Feuerwehr Moorfleet.“ Viele von der Familie Harder ausgerichtete Feste, darunter „legendäre Oktoberfeste“, lockten Besucher in Scharen, betont Kay Harder. Er und seine Frau bedanken sich herzlich bei allen Stammgästen und Freunden für deren Treue.

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Kay Harder sucht nun nach einem „neuen, geregelten Job“, der ihn nicht zwölf Stunden am Tag in Anspruch nimmt. Kochen will er künftig nicht mehr, sondern sich „beruflich´verändern“. Er schließe das Lokal „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“: Einerseits ende nun ein fast 60 Jahre altes Familienunternehmen, andererseits sei es auch ein Befreiungsschlag und die Möglichkeit, etwas Neues zu wagen.

400 Reservierungsanfragen für den letzten Tag

Kay Harder kocht regional-saisonal. Derzeit gibt es Steckrübeneintopf und Steckrüben mit Grützwurst, demnächst Grünkohl, den er aus Allermöhe bezieht. Wer noch mal von Harder gekochte Speisen und das urige Ambiente der Gaststätte mit Tresen-Ecke genießen möchte, der sollte nicht bis zum letzten Tag warten: „Am 15. Dezember wird keiner unserer 70 Sitzplätze mehr frei sein. Es gab bereits 400 Reservierungsanfragen, von denen wir die meisten ablehnen mussten.“ Am Tag darauf wird zwar noch einmal, ein allerletztes Mal geöffnet, aber nur für eine geschlossene Gesellschaft, die einen Geburtstag feiert.

27. Mai 1976: Ein Festumzug zum 100-jährigen Bestehen der Liedertafel Germania Moorfleet marschiert an der Gaststätte vorbei.
27. Mai 1976: Ein Festumzug zum 100-jährigen Bestehen der Liedertafel Germania Moorfleet marschiert an der Gaststätte vorbei. © Thomas Heyen | Thomas Heyen

Da an einigen Abenden auch kein Platz am Tresen mehr frei ist, empfiehlt Harder auch Gästen, die nur ein Bierchen trinken wollen, zu reservieren. Telefon: 040/737 23 04. Internet: harder-zur-elbbruecke.de.