Moorfleet. Pastor ist fassungslos: Figuren, Grablichter und Bilder an nahezu allen Gräbern zerstört. Nun kommt viel Arbeit auf ihn zu.
Entsetzen, Fassungslosigkeit, Trauer und auch Wut in Moorfleet: Wie die Polizei mitteilt, hat am späten Mittwochabend um 22.58 Uhr ein Zeuge gemeldet, dass 100 bis 120 Gräber auf dem Friedhof, der zur Kirche St. Nikolai am Moorfleeter Kirchenweg gehört, massiv beschädigt wurden. Dort seien alle Gegenstände des Grabschmucks wie bestimmte Figuren oder Totenlichter zerstört worden.
Überwiegend seien Engelsfiguren zersplittert, des Weiteren aber auch Blumenschmuck und Vasen sowie persönliche Widmungen mit Bildern der Toten zertreten oder zerschlagen worden. Bis auf eine dünne Grabplatte blieben die Grabsteine mit den Inschriften der Verstorbenen vom Vandalismus verschont.
Friedhof Moorfleet verwüstet: Unbekannte zerstören auch die WC-Anlage
Anders die WC-Anlage: Auch sie wurde von den Tätern verwüstet. Die Polizei traf noch am späten Mittwochabend am Tatort ein und versuchte, sich einen Überblick über die Schäden zu verschaffen. Nun wird wegen Störung der Totenruhe ermittelt.
Am Tag danach: Überall zerbrochenes Gläser, umgeworfene Blumenkübel, rausgerissene Pflanzen, zertretene Engelsgesichter. Bei denjenigen, die diese Ruhestätte neben St. Nikolai teilweise mit viel freiwilligem Fleiß geschaffen haben, herrscht Fassungslosigkeit, teilweise ist auch ein bisschen Wut herauszuhören. Michael Ostendorf, Pastor der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Moorfleet-Allermöhe-Reitbrook, erfuhr erst am Donnerstagmittag durch einen Anruf unserer Redaktion von dem Vandalismus – Ostendorf macht zurzeit Urlaub in den Niederlanden. „Wir haben so etwas noch nie erlebt und sind total geschockt, sprachlos und auch entrüstet. Eine Katastrophe.“
Utensilien von 120 Gräber verwüstet: Verdächtige gibt es keine
Auch bei einer Trauernden ist der seelische Schmerz groß: Krista Lemm besuchte noch ein paar Stunden, bevor der Spaziergänger die Verwüstung auf dem Friedhof meldete, das Grab ihres Mannes. „Da war noch alles in Ordnung“, sagt die traurige Witwe, „ich bin jeden Tag hier.“ Jetzt versucht sie, Scherben und Porzellanstücke aufzusammeln und die weggeschleuderten Blumenkübel, die teilweise über den Gräbern entleert wurden, wieder aufzurichten. Auch der Vorsitzende des Kirchengemeinderats, Karsten Schütt, räumt mit auf. Er sagt: „Das waren keine Menschen.“
Die Hintergründe des Akts der Zerstörung sind unklar. Zwar gebe es auf dem Friedhof Moorfleet auch einige Gräber von russischstämmigen Menschen, doch findet Michael Ostendorf einen Zusammenhang zum aktuellen Kriegsgeschehen in der Ukraine weit hergeholt. Gleichwohl hält der 60-Jährige die Schändung einer Ruhestätte „für kein harmloses Delikt“. Auch weil viele ehrenamtliche Helfer an der Gestaltung des Friedhofs beteiligt waren.
Informationen der Hinterbliebenen wird ein langer Akt
Vermutlich werden die Ermittlungen, wenn es keine sehr guten Hinweise aus der Bevölkerung gibt, nicht zum Erfolg führen. Dafür steht Pastor Ostendorf und seinem Team eine sehr mühsame Formalie bevor: „Wir müssen jetzt die Grabnutzungsberechtigten, also zumeist die Angehörigen, schnellstmöglich über diesen Vorfall informieren. Und da, soweit ich es aus der Ferne beurteilen kann, wohl alle Gräber beschädigt wurden, kann das etwas dauern.“ Erschwerend komme hinzu, dass außer dem Pastor auch das Kirchensekretariat und der Friedhofsgärtner im Urlaub sind.
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Deshalb wirbt Karsten Schütt auch um Verständnis: „Wir brauchen etwas Zeit, um alle Betroffenen zu informieren. Zudem versuchen wir bis Freitagnachmittag, die Schäden auf dem Friedhof aufzuräumen.“ Wer verdächtige Beobachtungen zu dem Vandalismus auf dem Friedhof am Moorfleeter Kirchenweg gemacht hat, gibt diese bitte telefonisch an die Polizei weiter: 040/428 65 43 10.