Kirchwerder/Gifhorn. Daniel Wendt aus Kirchwerder wollte drei Jahre und einen Tag unterwegs sein. Warum er weit vor der Frist nicht mehr weiterzieht.
Als bei Sylvia Wendt im Juli das Telefon klingelte und sich ihr Sohn Daniel meldete, da bekam die Vierländerin einen großen Scheck. Denn ihr jüngster Sprössling hätte sie eigentlich erst zwei Monate später anrufen dürfen – so besagen es die Regeln der Walz. Dazu war der Bäckergeselle aus Kirchwerder Anfang Juni aufgebrochen. Drei Jahre und einen Tag wollte er seiner Heimat fernbleiben.
Nach drei Monaten hätte er sich erstmals wieder zu Hause melden dürfen. Daher dachte Sylvia Wendt schon, es wäre etwas Schlimmes passiert, als er weit vor Ablauf dieser Frist zu Hause anrief. Doch das Gegenteil ist der Fall: Ihr Sohn ist schon sehr viel früher als erwartet wieder sesshaft geworden. Denn er hat auf der Wanderschaft seinen Traumjob gefunden. Und davon wollte er seiner Mutter natürlich als Erste berichten.
Bäcker Daniel Wendt findet Traumjob im Mühlenmuseum Gifhorn
Nachdem er Anfang Juni am frühen Morgen auf dem Borghorster Elbdeich das Ortsschild von Hamburg hinter sich gelassen und in Richtung Geesthachter Elbbrücke gelaufen war, mussten seine Füße ihn gar nicht so weit tragen: Erst ein älterer Herr und danach eine Kfz-Meisterin boten ihm einen Platz auf dem Beifahrersitz ihrer Autos an. So hatte der 20-Jährige schon am ersten Tag 50 Kilometer hinter sich gelassen. So weit musste er mindestens von seiner Heimat entfernt sein, um sich eine Arbeitsstelle suchen zu dürfen.
Die Kfz-Meisterin hatte ihn zunächst bis nach Lüneburg mitgenommen, wo sie etwas zu erledigen hatte. Da beide sich für das Mittelalter interessieren, hatten sie gleich einen guten Draht, erinnert sich Daniel Wendt. Und so bot sie ihm an, ihn nach erledigtem Termin noch bis nach Uelzen weiter mitzunehmen. Dort habe er in einem etwas größeren Gasthof an der Rezeption direkt ein Zimmer mit Frühstück bekommen. Und konnte so die erste Nacht auf der Walz in einem gemütlichen Bett verbringen, berichtet der Vierländer, der in der Bäckerei Bahn in Zollenspieker seine Lehre absolviert hatte.
Junger Wandergeselle erlebt viele sympathische Begegnungen
Schon um 6.30 Uhr am nächsten Morgen machte er sich wieder auf den Weg. Dabei kam er bei einem kleinen Bäcker vorbei, der aber keinen Platz für ihn hatte. Dafür nahm ihn dann aber irgendwann eine junge Frau im Auto mit, die gerade von einem Festival kam. Sie setze ihn in Lachendorf im Landkreis Celle bei einem Obst- und Beerenhof ab, wo auch ein kleines Café inklusive Backstube zu finden war. Die Chefin sei direkt fasziniert gewesen von dem Bäcker auf der Walz. Und so fand der Geselle auf Wanderschaft seinen ersten Arbeitsplatz.
Währenddessen war der Hochsommer in Deutschland angekommen. Auf der Suche nach einer weiteren Arbeitsstelle stundenlang in der Hitze zu laufen, sei ganz schön schweißtreibend und anstrengend gewesen, erinnert sich der 20-Jährige. In der Altstadt von Celle habe er dann einen Mann getroffen, der als junger Zimmermann ebenso auf der Walz war und ihn zum Essen einlud. „Er ist nur sympathischen Menschen begegnet“, resümiert Oma Ingrid Wendt aus Curslack, die schon ein wenig ängstlich gewesen sei, als ihr Enkel so ganz allein loszog.
Großeltern aus Curslack freuen sich, dass sie nun wieder wissen, wo ihr Enkel steckt
Umso glücklicher sind die 87-Jährige und ihr Mann nun, dass es wieder einen festen Ort gibt, an dem sie ihren Enkel besuchen können. Denn nachdem Daniel Wendt von Celle in Richtung Braunschweig weitergelaufen war, blieb er in Meinersen hängen, wo ihm Werbung für das Internationale Mühlenmuseum Gifhorn ins Auge fiel. In seiner Heimat Kirchwerder hatte er auf dem Hof Eggers gern in historischer Umgebung gebacken und fühlte sich von dem Museum sofort angesprochen.
Dort entdeckte er, dass das Freilichtmuseum nicht nur 13 Mühlen in Originalgröße aus verschiedenen Ländern beherbergt, sondern auch ein Backhaus auf dem Gelände zu finden ist. „Es ist eine richtige Bäckerei. Da hab ich mich natürlich direkt in die Tür gestellt und gefragt, ob sie noch jemanden gebrauchen können“, berichtet Daniel Wendt. „Drei Wochen kriegen wir das hin“, meinten die beiden Meister, die ihrem Gast auch ein Bett besorgten.
Traumjob in schnuckeliger Backstube neben Trachtenhaus und Biergarten
Als einer der Chefs ihn dann eineinhalb Wochen später zum Gespräch bat, habe er schon befürchtet, etwas falsch gemacht zu haben, erinnert sich Daniel Wendt. Im Gegenteil: Der Chef habe gemerkt, mit wie viel Spaß der 20-Jährige bei der Arbeit war und kam zu dem Entschluss, ihn nicht weiterlaufen lassen zu können: „Du musst hierbleiben“, meinte der Chef. Per Handschlag wurde der Festvertrag dann noch vor der Unterschrift besiegelt – und als erstes Mutter Sylvia in Kirchwerder angerufen.
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Um sich die neue Wirkungsstätte ihres Sohnes anzusehen, ihm Kleidung und auch seine Mittelalter-Bäckerkluft zu bringen, fuhr Sylvia Wendt und wusste sogleich: „Ich weiß, warum du hier bleiben willst.“ Auch wenn es ihm auch ein wenig schwergefallen sei, seine Wanderschaft schon wieder zu beenden: Die Chance in einer schnuckeligen kleinen Backstube, umgeben von einem idyllischen Museumsgelände mit Marktplatz, Trachtenhaus und Biergarten mit Bootsanleger an der Ise arbeiten zu dürfen, habe er einfach ergreifen müssen, ist der 20-Jährige überzeugt. Schließlich habe es ihm immer davor gegraut, mal als Bäcker in einer Fabrik zu landen. Nun backt er in dem riesigen Steinbackofen verschiedene Brote, süße Hefezöpfe, Mohnschnecken oder Bienenstich. „Es ist mein Traumjob“, sagt Daniel Wendt.