Bergedorf. Bei ihrem Besuch in Bergedorf bewertet Hamburgs oberste Stadtentwicklerin die City – und kommt zu einem Ergebnis, das Mut macht.

Es ist die sechste Station auf ihrer Tour durch die Bezirke. Der Zeitplan ist äußerst stringent. Rathaus, Rundgang und gegen Mittag zurück in die Innenstadt zur nächsten Bürgerschaftssitzung. Doch Hamburgs Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Karen Pein (SPD), macht bei ihrer Stippvisite allen Bergedorfern Mut. Die 50-Jährige sieht Potenziale und Projekte, um das schwächelnde Zentrum wieder auf Kurs zu bringen.

Am Mittwochmorgen trifft die Senatorin zunächst im Arbeitszimmer von Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann ein. Dort werden ein paar Worte gewechselt, wird Kaffee getrunken, bevor der Fußmarsch beginnt. Mit besonderem Augenmerk betrachtet der Gast aus dem Hamburger Rathaus das leere Karstadt-Haupthaus, den grauen traurigen Koloss inmitten des Sachsentors, bevor es ins neue Kultur- und Handwerkerhaus Plietsch am Markt geht. Dort spricht die SPD-Politikerin noch mit Bauamtsleiter Lars Rosinski und Oliver Panz, Chef der Stadt- und Landschaftsplanung im Bezirk.

Senatorin Karen Pein: „Gibt ein kleines Leerstandsproblem“

Gewiss ist es in ganz kurzer Zeit nicht so leicht, sich einen Überblick zu verschaffen – doch Karen Pein hat an einigen Ecken genau hingeschaut: „Hier gibt es ein kleines Leerstandproblem, es ist aber nicht so schlimm.“ Zumal ja Gespräche mit den Gebäudeeigentümern liefen, damit das nicht so bleibt. Wie (Zwischen-)lösungen aussehen können, zeigt das Plietsch. Pein erwähnt explizit noch ein Zukunftsprojekt aus der Hamburger Innenstadt, das Haus der Digitalen Welt, an dem die digitale Welt der Zukunft erlebbar werden soll. Publikumsmagneten wie Hamburger Bücherhalle, Volkshochschule und Jugendinformationszentrum kooperieren dort mit anderen, um einen Ort zu kreieren, an dem Bürger gern Zeit verbringen. Vielleicht ja auch in ähnlicher Form ein Denkanstoß für die Bergedorfer Innenstadt.

Oder droht zwischen Mohnhof und Lohbrügger Marktplatz der totale Gau? Parallelen zu Harburg, wo die Lüneburger Straße in den 1990er-Jahren als Geheimtipp für Einkaufsfreudige außerhalb der Hamburger Innenstadt galt, sieht Karen Pein nicht. Harburgs Flaniermeile wirtschaftete sich herunter zum El Dorado für Billigläden diverser Art, weil dort im Spätsommer 2004 das Phoenix Center eröffnete und nachwies, dass eine große Shoppingmall und wertige Einzelhändler nur schwer nebeneinander koexistieren konnten.

Senatorin Karen Pein: Karstadt-Baugrube ist Thema des Bezirks

Die Bausenatorin, die seit 15. Dezember 2022 im Amt ist, benennt einen Ansatz, wie die Ladenzeilen der Zukunft auch in Bergedorfs guter Einkaufsstube aussehen kann: „Geschäfte brauchen heutzutage weniger Ladenfläche, müssen kleiner werden, was eine Folge der Konkurrenz durch Online-Handel ist.“ Der Ist-Zustand im Sachsentor bietet für Karen Pein eine Basis, „auf der man aufbauen kann“, der Mix an Geschäften sei durchaus stimmig. Die 50-Jährige beruft sich zudem auf ökonomische Marktanalysen, wonach große Einkaufszentren zukünftig größere Probleme bekommen könnten. Das sei eventuell von Vorteil für kleinere Einzelhändler, so Pein.

Und auch das hat Karen Pein bei ihrem Blitzbesuch erkannt: „Bergedorf hat große Bauprojekte in der Innenstadt, einige auch Rise-gefördert.“ Dabei spricht sie die beiden leeren Karstadt-Gebäude im Sachsentor und am Markt gegenüber dem Plietsch an. Letzteres ist bekanntlich abgerissen worden, nun klafft eine leere Baugrube im Herzen des Bezirks. Wie lange noch? Da möchte sich Karen Pein nicht einmischen, denn das sei Angelegenheit des Bezirks, der mit den Grundeigentümern um die Nachnutzung streitet.

Passagen, um Nebenstraßen mit zentraler Achse besser zu verbinden

Als weiteres Großprojekt gilt der Abriss des Sachsentor-Parkhauses an der Bergedorfer Schlossstraße mit Hotel zugunsten eines Wohnkomplexes. Hier entdeckte die Senatorin bei ihrem Rundlauf ein noch nicht ausgeschöpftes Potenzial: Gassen als einladende Verbindung zwischen der Haupteinkaufsstraße und ihren Parallelstraßen wie der Schlossstraße oder der Straße Hinterm Graben. Dieses „Passagenthema“ sollte in der Bergedorfer City deutlicher herausgearbeitet werden. Durchgänge gewönnen an Attraktivität, wenn sie möglicherweise komplett unter freiem Himmel konzipiert werden. Pein fiel wohl beispielsweise die wenig anregende und eher dunkle Gasse beim Karstadt-Leerstand zwischen Sachsentor und Schlossstraße eher negativ auf.

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Zuallerletzt wagt Hamburgs Oberbaumeisterin, bevor es im Dienstwagen zurück ins Hamburger Rathaus geht, noch einen raschen Blick auf die Alte Holstenstraße zwischen Sachsentor und City-Kreisel. Noch so ein großes Projekt im Rise-Fördergebiet, das als letzte Etappe der Aufhübschung rund um den Serrahn gilt. Und Oberbillwerder? Da hatte die heutige Stadtentwicklungssenatorin ja bis Jahresende 2022 den Hut als Leiterin der städtischen Entwicklungsgesellschaft IBA auf. Heute verfolgt sie das Megabauprojekt aus der Ferne, aber auch gern: „Da freue ich mich drauf. Das ist ein großes Projekt in der richtigen Hand.“