Bergedorf/Mbigili. St. Petri und Pauli hat Besuch aus Partnergemeinde Mbigili. Die Gespräche drehten sich auch um „unverschämte Fragen und Antworten“.
Sie sind begeistert von deutscher Pünktlichkeit, halten sogar die Bahn für verlässlich: „Wenn im Fahrplan steht, dass ein Zug fährt, dann fährt auch einer“, sagt State Mwaikusi, den zudem das gute Internet samt deutschem Mobilfunknetz fasziniert: „Wir können hier sogar per Handy von überall direkt nach Hause in Afrika telefonieren.“
Was manchen Deutschen regelmäßig zur Verzweiflung bringt, weil das Netz doch immer mal wieder ausfällt oder der Zug einfach nicht kommen will, wirkt für Menschen aus Tansania wie ein Zukunftstraum. In den winzigen Dörfern der 3500-Seelen-Gemeinde Mbigili nahe des riesigen Malawisees im ländlichen Südwesten Tansanias ist Technik nämlich Luxus – und ein störungsfreies Gespräch mit den trotzdem weit verbreiteten Mobiltelefonen eher Glückssache.
Besuch für St. Petri und Pauli aus dem 7800 Kilometer entfernten Mbigili in Tansania
Acht Mitglieder der örtlichen evangelisch-lutherischen Kirche sind seit vergangenem Montag für gut zwei Wochen Gäste von Bergedorfs St.-Petri-und-Pauli-Gemeinde. Die Gruppe um Pastor Gwamaka Mwakisunga wohnt im „My bed“-Appartement-Haus am Kurfürstendeich und lernt Bergedorf, Hamburg sowie weitere Teile Deutschlands zusammen mit ihren Gastgebern kennen. Der Besuch ist Teil der Partnerschaft, die die beiden 7800 Kilometer Luftlinie voneinander entfernten Kirchengemeinden schon seit Jahrzehnten pflegen.
Am Sonntag gestalteten die Tansanier gemeinsam mit Pastor Andreas Baldenius einen Gottesdienst in St. Petri und Pauli. Anschließend gab es beim Kirchencafé im Gemeindehaus reichlich Gelegenheit zum gegenseitigen Kennenlernen, bevor Baldenius am Abend in seinen Garten einlud. Neben dem gemeinsamen Essen ging es um offene Gespräche unter der Überschrift „Unverschämte Fragen – unverschämte Antworten“.
„Unverschämte Fragen – unverschämte Antworten“ im Pastorengarten
Auch wenn vieles von Dolmetscherin Friederike Kruse übersetzt werden musste – kaum einer der Gäste spricht Englisch, für die meisten ist selbst Tansanias offizielles Swahili eine Fremdsprache: Im Pastorengarten ging es um Grundsätzliches. Schließlich war das Land im Südwesten Afrikas zwischen Indischem Ozean und Viktoriasee als Deutsch-Ostafrika einst kaiserliche Kolonie. Und auch sonst hat der Blick aus Tansania auf die Welt und ihre aktuellen Konflikte eine ganz andere Perspektive.
Im Gespräch mit unserer Zeitung stellte sich etwa heraus, dass Russlands Krieg in der Ukraine bei ihnen kaum thematisiert wird – ebenso wie der wachsende Einfluss russischer Wagner-Soldaten in vielen Ländern Afrikas. Das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer dagegen schon: „Ich kann verstehen, dass Menschen vor den Kriegen in Afrika nach Europa fliehen“, sagt Fred Sanga. Kein Verständnis habe er aber, „wenn Menschen nur deshalb fortgehen, weil sie von einem besseren Leben in Europa träumen. Wir in Tansania leben in Frieden und können unser Brot und das Einkommen für unsere Familien zu Hause verdienen. Da geht man nicht einfach weg.“
Rundgang auf Hamburgs Spuren des Kolonialismus folgt am Sonnabend
Das brutale, teils von Sklavenhandel geprägte koloniale Erbe Tansanias spielte in den Gesprächen keine Rolle. Zumindest bisher: Am kommenden Sonnabend steht auf Wunsch der Gäste ein Rundgang durch Hamburg auf dem Programm, der den Spuren des Kolonialismus in der Hansestadt nachgeht. Es dürfte neben dem Ausflug nach Bad Harzburg mit seiner für die Gäste noch nie gesehenen Seilbahn und dem dreitägigen Besuch in Eisenach, wo sich Martin Luther auf der Wartburg nach Veröffentlichung seiner 95 Thesen gegen die katholische Kirche vor seinen Verfolgern versteckte, der dritte nachhaltig beeindruckende Programmpunkt der Reise werden.
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„So direkt Luthers Spuren zu folgen, hat mich darin bestärkt, dem Glauben und den eigenen Überzeugungen stets zu folgen. Auch wenn das manchmal nicht einfach ist“, sagt Tumwage Ntale, eine der drei Frauen unter den acht Gästen aus Tansania, die im Gegensatz zu ihren männlichen Mitreisenden übrigens noch etwas ganz anderes an den Bergedorfern überrascht hat: „Sie müssen die Natur lieben. Ich habe noch nie so viele und so gepflegte Gärten gesehen, wie hier.“