Bergedorf. Persönlichkeiten, Vertriebene und Feuerbestattung als politisches Statement: Historiker des Kultur- & Geschichtskontors klärt auf.
Kein Ort sagt so viel über das Leben einer Stadt aus, wie ihr Friedhof: Sein Grabschmuck, die Gedenksteine, die Gestalt der gesamten Anlage und nicht zuletzt natürlich die Namen der hier Beerdigten geben spannende Einblicke in Geschichte und Gegenwart der Menschen. Welche Geheimnisse der Bergedorfer Friedhof birgt, wird Historiker Christian Römmer am Sonnabend, 19. August, beim Rundgang des Kultur- & Geschichtskontors lüften.
Treffpunkt ist um 14 Uhr an der denkmalgeschützten Kapelle I, August-Bebel-Straße 200 (Teilnahme 9 Euro; keine Anmeldung erforderlich). Angesteuert werden die Ruhestätten namhafter Bergedorfer Persönlichkeiten, darunter die von Bürgermeister Wilhelm Wiesner. Der Sozialdemokrat lenkte Bergedorfs Geschicke als Stadtoberhaupt von 1919 bis 1931 und ist 1934 unter mysteriösen Umständen im Städtischen Krankenhaus gestorben.
Bergedorfer Friedhof birgt viele Geschichten
Wiesners Urne musste in aller Stille auf dem Friedhof beigesetzt werden, weil die Nazis als neue Machthaber eine Trauerfeier verboten hatten. Auch andere namhafte Bergedorfer setzten sich mit den Nationalsozialisten auseinander – allerdings nicht als deren erklärte Gegner. So wird Christian Römmer die Gräber des Industriellen Kurt A. Körber und des Schauspielers Friedrich Schütter aufsuchen, um vor Ort über ihre Verbindungen zur NSDAP und ihren Unterorganisationen zu sprechen.
Gleich nebenan befindet sich das monumentale Ehrenmal „Zum Gedenken an unsere Toten im Osten“, das im August 1955 von den viele Tausend Menschen zählenden Vertriebenenverbänden Bergedorfs errichtet worden ist. Es war Symbol der Hoffnung, aber auch der Forderung gedacht, dass die abgetrennten östlichen Provinzen Deutschlands von Polen und Russland wieder zurückgegeben werden. Vor dem Ehrenmal steht als Teil des Ensembles ein ganzes Meer behauener Grabsteine für gefallene deutsche Soldaten und Bombenopfer des Zweiten Weltkriegs.
Feuerbestattung – vor 100 Jahren ein politisch-religiöses Statement linker Reformkreise
Doch nicht nur die Zeugnisse des Dritten Reichs und seiner Folgen sind Thema des Rundgangs über Bergedorfs 1907 eingeweihten Friedhof. Christian Römmer wird auch auf die wechselnden Bestattungsformen und -rituale eingehen, die hier zu besichtigen sind. Das gilt auch für die heute beliebte Urnen-Bestattung: „Die Entscheidung für eine Feuerbestattung war vor 100 Jahren noch eine Seltenheit und fast schon ein politisch-religiöses Statement linker Reformkreise“, berichtet der Historiker.
- Gedenken am Volkstrauertag: „Mein Urgroßvater ist nicht blind mitgelaufen“
- Geschichtskontor: Chef-Ermittlerin in Sachen Bergedorfer Hexenprozesse
- Friedhof Bergedorf: Marode Kapelle wird endlich saniert
Zudem wird er darauf eingehen, warum Grabsteine nach einigen Jahrzehnten leicht abhanden kommen können – selbst die bekannter Persönlichkeiten: „Grabsteine stehen nicht unter Denkmalschutz. Ist die Nutzungsdauer einer Grabstätte abgelaufen liegt es im Ermessen der Friedhofsgärtner, ob und wann ein Grabstein abgeräumt und vernichtet wird.“