Bergedorf. Unternehmer von Weltruf Stiftungssprecher Meister zu Todesursache, DDR-Kontakten und Bergedorfer Verpflichtungen

Noch immer gilt Kurt A. Körber (1909-1992) als Lichtgestalt unter Bergedorfs Unternehmern. Der Hamburger Ehrenbürger machte die Hauni zum Weltmarktführer der Zigarettenmaschinen-Produzenten, hat sich mit der Körber-Stiftung ein Denkmal als Mäzen gesetzt und mit dem Bergedorfer Gesprächskreis ein Forum geschaffen, das die Mächtigen dieser Welt ins Gespräch kommen ließ – und deren Fachleute für Außenpolitik bis heute an den Brennpunkten der Weltpolitik im Dialog bleiben lässt.

Doch das Licht des Erfolgs, in dem er sich zeitlebens sonnen konnte, warf auch Schatten. Warum gründete Körber eigentlich seine Stiftung? Sollte die, wie von Bergedorfs Bezirksversammlung jetzt angeregt, die Forschung zu seiner Rolle im Dritten Reich vorantreiben? Und warum verließ sie vor zwölf Jahren eigentlich Bergedorf? Diese und andere Fragen stellte bz-Chefreporter Ulf-Peter Busse Stiftungssprecher Martin Meister.

Bergedorfer Zeitung: Woran und wo ist Kurt Adolf Körber am 10. August 1992 gestorben? Stimmt es, dass es sich um einen Eingriff handelte, den er mit einem kürzeren Klinik-Aufenthalt „erledigen“ wollte, als es die Ärzte anrieten?

Martin Meister (Sprecher Körber-Stiftung): Anfang August 1992 entschloss sich Körber zu einer Bypass-Operation, zu der ihm Ärzte geraten hatten. Zeitlebens ein Mann der Tatkraft und schneller Entscheidungen, drängte er auf einen raschen Termin: ,Am 25. August ist Aufsichtsratssitzung. Da will ich dabei sein.’ Die Operation verlief gut. Doch wenige Tage später stellten sich, offenbar ohne direkten Zusammenhang mit dem Eingriff, Komplikationen ein. Körber musste ein zweites Mal operiert werden. Danach erlangte er das Bewusstsein nicht wieder. Kurt A. Körber starb am 10. August 1992 in einer Hamburger Klinik.

Welche Familienmitglieder hinterließ er?

Keine. Die Ehe von Kurt A. Körber mit der knapp sechs Jahre älteren Anna-Katharina Hiller blieb kinderlos. Körbers Frau starb am 17. November 1991.

Wurde die Stiftung erst mit seinem Tod alleiniger Inhaber der Körber-Gruppe?

Ja, das hatte der Stifter durch eine testamentarische Verfügung so festgelegt. Allerdings gehörte der Körber-Stiftung zuvor schon ein Drittel des Unternehmens.

Warum hatte er die Körber-Stiftung beziehungsweise ihre Vorläufer eigentlich gegründet?

Das hat der angesehene Journalist Hermann Schreiber in dem Buch ,Kapitalist mit Gemeinsinn’ sehr gut dargelegt: Kurt A. Körber war dankbar für die Chance, die er in der Bundesrepublik bekommen hatte. Und er wollte diese Dankbarkeit nicht nur gegenüber der Belegschaft seines Unternehmens, sondern auch gegenüber der Gesellschaft zum Ausdruck bringen. In seinen eigenen Worten: ,Ich hielt es für sozial ungerecht, dass nur diejenigen an meinem Erfolg teilhaben sollten, die das Glück hatten, bei mir beschäftigt zu sein. Ich entschloss mich also, von den zehn Millionen, die ich ausschütten wollte, nur ein Drittel an meine Belegschaft zu geben, während ich mit den übrigen zwei Dritteln eine Stiftung gründete.’ So entstand zu seinem 50. Geburtstag am 7. September 1959 die Kurt-A.-Körber-Stiftung. 1969 dann die Hauni Stiftung. 1981 wurden beide Stiftungen zur Körber-Stiftung zusammengeführt. In den 33 Jahren zwischen 1959 und 1992 stellte Körber für die Förderung von Kultur und Wissenschaft über 200 Millionen Mark zur Verfügung.

Was ist dran am Gerücht, dass die Gründung Resultat eines außergerichtlichen Vergleichs mit der DDR war, die Körber wegen der Nutzung von Patenten der Dresdener Universellen verklagte?

Ob es zu einer Klage und einem Vergleich kam, ist uns nicht bekannt. Es gab aber einen Vertrag, der für die Weiternutzung von technischem Wissen aus der Dresdener Zeit Zahlungen an die DDR vorsah.

Warum zahlte Körber dann aber um 1960 mehrere Millionen D-Mark an die Nachfahren des einstigen Inhabers der Dresdener Universelle, die daraus in dessen Gedenken die Johann Carl Müller-Stiftung (gegründet 11. Juli 1963) machten?

Nach Rechtsauffassung der Bundesrepublik standen die genannten Zahlungen nicht der DDR, sondern allein den Eigentümern der enteigneten Betriebe zu. Im Falle der Dresdener Universelle also den Erben des 1944 verstorbenen Industriellen Johann Carl Müller. Als dessen Tochter Johanna Schwerin in die Bundesrepublik übergesiedelt war, hat sie diese Ansprüche gegenüber Körber geltend gemacht. Körber hat Frau Schwerin zunächst an der Hauni beteiligt und der Familie etwas später geraten, diese Beteiligung nach seinem Vorbild in eine Stiftung einzubringen. Das ist 1963 tatsächlich geschehen und war die Geburtsstunde der Johann Carl Müller-Stiftung, die als erstes Projekt das Studentenwohnheim an der Billwiese gleich gegenüber vom Sitz der Hauni in Lohbrügge finanzierte.

Warum unterstützte und forcierte Kurt A. Körber in den späten 1960er-Jahren die Gründung der Ingenieurschule in Lohbrügge, den heutigen Campus Bergedorf der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW)? Wie hoch war sein finanzieller Beitrag, wie hoch die Gesamtkosten?

Körber setzte sich seit den 1950er-Jahren für die Ingenieursausbildung ein. Damals wie heute gab es einen eklatanten Mangel an technischen Führungskräften. Zunächst gründete Körber 1956 auf dem Gelände der Hauni das Tabak Technikum Hamburg, die erste private Ingenieurschule in Hamburg. Fünf Jahre wurde das Technikum allein durch Körber finanziert, dann schlossen sich weitere Unternehmen als Unterstützer an. 1965 dachte Körber dann größer, es entstand das „Lehr-und Forschungsinstitut für industrielle Koordinierung“ (lfk) an der Bergedorfer Straße als Keimzelle für eine Hochschule. Körber hörte nicht auf, die Hamburger Politik zu bedrängen, sich am Ausbau zu beteiligen. Sein Verdienst ist es, dass sich Hamburg unter Bürgermeister Weichmann dann tatsächlich entschied, in Bergedorf zu investieren. 1972 wurde der Campus der Fachhochschule in Lohbrügge einige-weiht. Die Stiftung gab 6,6 Millionen D-Mark, die Hansestadt stellte 50 Millionen D-Mark für den Bau zur Verfügung und übernahm die Betriebskosten.

Warum verließ die Körber-Stiftung 2005 Bergedorf und zog an die Kehrwiederspitze am Hamburger Hafen?

Die Körber-Stiftung hat Bergedorf nicht verlassen, sondern hat dort gerade das 40-jährige Jubiläum des Haus im Park gefeiert. Mit dem zukünftigen Körber-Haus, das die Stiftung zusammen mit dem Bezirk vorantreibt, wollen wir ein Zeichen dafür setzen, wie wichtig uns dieser Standort ist. Dass wir vor zwölf Jahren mit dem KörberForum ein Schaufenster in der HafenCity geöffnet haben, hat einen anderen Hintergrund. Wir arbeiten regional in Bergedorf, national und international. Entsprechend sollten wir Menschen im weiteren Umkreis erreichen. Das nutzen wir sehr erfolgreich auch dafür, bekannt zu machen, was sehr praktisch, modellhaft und mit großer Kontinuität am Standort Bergedorf geschieht.

Wie groß ist die Körber-Stiftung heute? Was ist ihr Selbstverständnis?

Die Körber-Stiftung hat rund 100 Mitarbeiter, für die gemeinnützige Arbeit stehen aktuell rund 18 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Wir sind eine operative Stiftung, die eigene Projekte oder Projektkooperationen realisiert – im Unterschied zu einer Förderstiftung, die die Vorhaben anderer mit Zuwendungen unterstützt. Ihr Selbstverständnis hat die Stiftung in einem Leitbild niedergelegt, das auf unserer Website einzusehen ist: Wir wollen unsere Gesellschaft besser machen! Wir sind davon überzeugt, dass dies nur durch Dialog und Verständigung gelingt. Deswegen arbeiten wir für die Verständigung zwischen Völkern und zwischen gesellschaftlichen Gruppen in Deutschland, für mehr Aufklärung und Reflexion durch Wissenschaft, Bildung und Kultur sowie für die Auseinandersetzung mit unserer geschichtlichen Herkunft und Identität.

Im Rahmen der Diskussion um die Umbenennung der Kurt-A.-Körber-Chaussee hat die Bezirksversammlung Bergedorf gerade beschlossen, den Namen beizubehalten. Gleichzeitig wird von ihr angeregt, neue Forschungsvorhaben zu Kurt A. Körber zu initiieren und den aktuellen Forschungsstand im Internet stets abrufbar vorzuhalten. Wird die Körber-Stiftung hierzu auch selbst aktiv, etwa indem ein entsprechendes Projekt angeschoben wird?

Wir glauben, dass wir im Blick auf die Geschichte unseres Stifters absolut transparent sind. 2002 und 2009 sind umfangreiche Biografien über Körber erschienen, 2011 hat sich die renommierte Forschungsstelle für Zeitgeschichte hier in Hamburg noch einmal ausführlich mit Körbers Rolle in der NS-Zeit auseinandergesetzt. Der Forderung, alle diese Erkenntnisse im Internet zu präsentieren, kommen wir schon seit Jahren nach. Neue Zeugnisse oder Quellen sind seitdem nicht aufgetaucht. Nur das würde aber aus unserer Sicht rechtfertigen, erneut einen Forschungsauftrag zu vergeben.

Was plant die Körber-Stiftung zum 25. Todestag Kurt A. Körbers am heutigen 10. August?

Wir begehen Kurt A. Körbers Todestag traditionell im kleinen Kreis mit einer Kranzniederlegung, so auch in diesem Jahr. Mit Blick auf den Charakter unseres Stifters scheint es uns passender, seinen Geburtstag gebührend zu feiern. Dies geschieht jedes Jahr mit der Verleihung des mit 750 000 Euro dotierten Körber Preises für die Europäische Wissenschaft im Hamburger Rathaus – genau am 7. September (wenn es kein Sonnabend oder Sonntag ist). Das ist eine glanzvolle Feierstunde vor großem Publikum, während der wir uns jedes Mal ausdrücklich auf Kurt A. Körber, seine Innovationsfreude und seinen unternehmerischen Geist beziehen.