Bergedorf. Bergedorf in den 1950ern Buch vom Geschichtskontor zu Flucht und Integration

    . Sie bezogen notdürftig errichtete Baracken oder wurden zwangsweise bei Bergedorfer einquartiert – vor 70 Jahren erlebte der Bezirk einen nie dagewesenen Ansturm von Flüchtlingen. Bergedorf wuchs, auch durch viele ausgebombte Hamburger, von 40.000 auf 70.000 Einwohner. Ein Plus von 75 Prozent in kaum fünf Jahren.

    „Das hat den Bezirk grundlegend verändert. Bergedorf wurde bis in die 1960er-Jahre hinein eine Hochburg der Vertriebenenverbände. Regelmäßig gab es Heimatwochen und die Tage der Heimat, bei denen die Landsmannschaften und Verbände der Pommern, Ost- und Westpreußen, Schlesier oder Sudetendeutschen mit Umzügen, Ausstellungen und Kundgebungen auf ihr Schicksal aufmerksam machten“, sagt Historiker Christian Römmer vom Kultur- & Geschichtskontor, das dazu jetzt ein Buch veröffentlicht.

    Auf 116 Seiten, mit vielen Bildern illustriert, werden die ersten Nachkriegsjahrzehnte Bergedorfs aufgearbeitet (10 Euro; in allen Buchhandlungen und im Kontor, Reetwerder 17). Auf der Basis von Zeitzeugen-Interviews, geführt zum Höhepunkt der aktuellen Flüchtlingskrise 2016, sowie Zeitungsartikeln aus den 50er- und 60er-Jahren ist ein vielschichtiges Bild der Zeit entstanden: Wie heute war auch damals die Willkommenskultur oft alles andere als herzlich – was übrigens viele einstige Flüchtlingskinder zu engagierten Ehrenamtlichen in der Integrationsarbeit gemacht hat.

    Das Thema Heimatvertriebene von 1945 bis 1960 wird im Buch in drei Kapiteln beleuchtet. Anhand von Familienschicksalen werden zunächst die Wege nachgezeichnet, auf denen die Menschen nach Bergedorf kamen. Der zweite Teil beschreibt, wie die Integration in Bergedorf trotz vieler Schwierigkeiten am Ende doch gelingen konnte. Zum Abschluss geht es um die Vertriebenenverbände und Landsmannschaften, ihren Umgang mit dem Trauma der Flucht und ihren Begriff von Heimat.

    Im Mittelpunkt steht dabei Fritz Granzow, Vorsitzender der Pommerschen Landsmannschaft und Motor der Flüchtlingsverbände in Bergedorf. Er organisierte die Heimatwochen und entwarf das bis heute auf dem Friedhof erhaltene Ehrenmal.