Hamburg. Nach Attacken auf neun sakrale Gemälde in Hamburger Hauptkirchen gehen erste Hinweise ein. Jesuskind wurde Kehle durchgeschnitten.
Nach den verstörenden Messerattacken auf wertvolle Gemälde in zwei Hamburger Hauptkirchen hat die Polizei am Freitag erste Hinweise aus der Bevölkerung auf die möglichen Täter erhalten.
Die Resonanz auf den Zeugenaufruf sei aber noch überschaubar, sagte ein Polizeisprecher dem Abendblatt. Man erhoffe sich nicht nur Hinweise auf die Tat an sich, sondern auch auf darauf, wann die Bilder noch unbeschädigt waren, um den Zeitpunkt der Attacken besser eingrenzen zu können.
Unbekannte Täter hatten in den vergangenen Wochen in den Hauptkirchen St. Petri und St. Jacobi insgesamt neun, teils Hunderte Jahre alte Gemälde massiv beschädigt und mit Messern oder Schraubenziehern auf die Kunstwerke eingestochen. Die Restaurierung der Bilder dürfte bis zu 80.000 Euro kosten.
Hauptkirchen: Hunderte Jahre alte Gemälde zerschnitten
„Einen solchen Akt der Gewalt habe ich in unserer Kirche noch nicht erlebt“, sagte der Hauptpastor von St. Petri, Jens-Martin Kruse, in dessen Gotteshaus allein sieben Gemälde beschädigt wurden. „Es geht hier um große Schätze und auch ein Stück Kirchengeschichte. Das ist wie ein Stich mitten ins Herz.“
St. Petri an der Mönckebergstraße versteht sich selbst als Citykirche, als einen offenen Ort, der alle Menschen zum Verweilen und Innehalten einlädt. Diese Offenheit müssen sich der oder die Täter in den vergangenen Tagen auf perfide Weise zunutze gemacht haben.
„Der erste Fall von Vandalismus ist mir am 24. Mai in unserer Barbarakapelle aufgefallen“, erzählt der Küster von St. Petri, Martin Meier (58). In der Kapelle hängt das Gemälde „Christus als Schmerzensmann“. Was Meier dort zu sehen bekam, ließ ihn regelrecht erschaudern. „Das Bild, das auf Holz gemalt wurde, ist mit einem Gegenstand regelrecht durchbohrt worden“, sagt der Küster. „Da muss jemand ein Messer oder einen Schraubenzieher benutzt haben.“ Es sei auf brachiale Weise zerstört worden.
Schnitt am Hals des Jesuskindes
Zwei Tage später stieß Meier auf die nächste Spur der Zerstörung, diesmal war sie noch verstörender. Bei dem Gemälde „Die Geburt Christi“ sei ein Schnitt am Hals des Jesuskindes zu erkennen gewesen, so der Küster.
Die Verantwortlichen in St. Petri sahen sich daraufhin alle Gemälde in der Kirche an und entdeckten immer weitere Beschädigungen und Schnitte. Zu den betroffenen Kunstwerken zählen nicht nur mehrere Porträts von Geistlichen, sondern auch ein bedeutsames Werk von dem Maler Jacob Jacobs aus dem Jahr 1603.
Auch Porträt von Martin Luther beschädigt
Das Bild „Martin Luther mit dem Schwan“ zeigt den Reformator vermutlich erstmals mit dem symbolträchtigen Tier. „Die Darstellung ist danach von vielen anderen Künstlern übernommen worden, sie ist daher von großer kirchen- und kulturhistorischer Bedeutung“, sagt Hauptpastor Kruse. Luther sah sich selbst in einer besonderen Beziehung zu dem böhmischen Reformator Jan Hus, dessen Name Schwan oder Gans bedeutet.
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Nachdem die Beschädigungen in St. Petri bekannt geworden waren, tauschten sich die Küster der Hamburger Hauptkirchen aus. Dabei stellte sich heraus, dass auch in der Hauptkirche St. Jacobi zwei Porträts von Geistlichen beschädigt worden waren.
Polizei sucht nach Zeugen
Wer für die Taten verantwortlich sein könnte, ist im Augenblick noch völlig unklar. Nach den Worten von Polizeisprecher Florian Abbenseth hat die für die Innenstadt zuständige Kripodienststelle des Landeskriminalamts die Ermittlungen übernommen. Die Beamten suchen nach Zeugen, die die Taten in den letzten Maiwochen beobachtet haben.
Zwar gibt es in St. Petri eine regelmäßige Aufsicht in der Kirche, doch diese kann nicht immer jede Ecke der weitläufigen Räume im Blick behalten. Rätselhaft ist allerdings, wie es dem oder den Tätern gelingen konnte, an einige der Bilder überhaupt heranzukommen. So hängt das Luther-Bildnis in St. Petri etwa so hoch, dass schon ein Stuhl oder eine Leiter notwendig ist, um es zu erreichen.
Hauptkirchen: Mehr Menschen mit Auffälligkeiten in den Gottesdiensten
Über die Motive des oder der Täter will Hauptpastor Kruse ebenfalls nicht spekulieren. „Uns ist nur aufgefallen, dass immer mehr Menschen mit psychischen Auffälligkeiten in unsere offene Kirche und in die Gottesdienste kommen“, sagt er. Unterschwellig sei eine größere Aggressivität in der Gesellschaft zu spüren, doch diese habe sich bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Gewalt entladen.
Die beschädigten Gemälde will die Kirche nun restaurieren lassen. Dies dürfte nach vorsichtigen Schätzungen zwischen 50.000 und 80.000 Euro kosten. „Es ist bitter, dass wir auf diese Weise für unsere Offenheit bestraft werden“, sagt Kruse. Ob es auch Veränderungen am Sicherheitskonzept in der Kirche geben soll, ist noch offen.
Zeugen, die sachdienliche Angaben zu den Taten machen können, werden gebeten, sich unter 040/4286-56789 beim Hinweistelefon der Polizei Hamburg oder an einer Polizeidienststelle zu melden.