Hamburg. Meerjungfrauenschwimmen wird immer beliebter und gilt sogar als Sportart. Was Ramon Steglich aus Bergedorf daran fasziniert.
Wenn Ramon Steglich sich die Schwanzflosse über die Hüften zieht, verwandelt er sich. Zumindest in Gedanken. Der Bergedorfer schlüpft dann in die Rolle von „Meermann Arros“ – und wird sozusagen zu einer männlichen Meerjungfrau. Den Charakter hat er sich selbst ausgedacht. Er ist dann Teil einer Fantasiewelt – und eines internationalen Rollenspiel-Netzwerkes von „Meereswesen“.
„Als Arros kann ich ganz frei sein, fern vom Alltagsstress.“, sagt der 32-Jährige. Vor allem, wenn er mit einer seiner insgesamt neun Meermannflossen durchs Wasser gleitet. „Mermaiding“, also Meerjungfrauenschwimmen, nennt sich das Hobby, das mittlerweile sogar als Sportart angesehen wird.
Bergedorfer „Meermann Arros“ ist Teil einer großen Community
Mit ihren bunten, fischartigen Monoflossen schwimmen die Sportler dabei in wellenförmigen Bewegungen durchs Wasser. „Was viele nicht wissen: Die Bewegung kommt nicht etwa aus den Beinen – die stecken ja in der Flosse – sondern vom Kopf und aus den Händen“, so Steglich, der zur Übung einen mehrtägigen Kurs in Wolfsburg absolvierte.
Was die meisten ebenso wenig wissen: Hinter dem ungewöhnlichen Schwimmsport steckt weltweit eine riesige Community. Denn das Rollenspiel mit den verschiedensten Figuren ist in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. „In der deutschen Facebook-Gruppe sind allein über zwei Millionen Mitglieder.“ Die „Meerwesen“ treffen sich auf Festivals, großen Veranstaltungen oder tauschen sich im Internet aus.
Ramon Steglich konnte sich schon als kleines Kind für Fantasiewelten begeistern. Mit seinen Eltern sei er häufig am Hamburger Hafen entlang spaziert. „Ich hatte immer nur Augen für die Galionsfiguren an den Schiffen. Ich wollte auch so ein Wesen sein“, erzählt der gebürtige Stader.
Alles begann mit dem Tauchen im offenen Meer
Vor etwa zehn Jahren, mit Anfang 20, begann er, in die Tiefen der Meere zu tauchen – zunächst jedoch ohne Schwanzflosse. Damals fing er mit dem Apnoe-Tauchen oder Freitauchen an. Die Sportler begeben sich dabei ohne Sauerstoffflasche unter Wasser – in Extremfällen sogar in Tiefen von über 200 Metern. Manche bleiben mehr als sieben oder acht Minuten ohne Sauerstoff.
„Mein Rekord waren 45 Meter“, erzählt Steglich. Schon immer habe das Meer ihn fasziniert. Vor etwa vier Jahre entdeckte er dann durch eine Bekanntschaft die Welt des „Mermaidings“. „ Mein Gegenüber schlüpfte in die Flosse und ich war total überrumpelt“, gibt der 32-Jährige, der auch „Ray“ genannt wird, zu. Und trotzdem habe er sich inspiriert gefühlt. „Als ich es selbst ausprobierte, war ich begeistert.“
Schon über 20.000 Euro für Meermann-Equipment ausgegeben
Er kaufte sich seine erste Flosse aus Stoff und meldete sich für einen Mermaiding-Schwimmkursus an. „Unter Wasser kann ich alles vergessen. Das ist meine große Leidenschaft“, sagt der Wasserfan. Fast vier Minuten kann er unter Wasser die Luft anhalten.
Dass er wegen seines ungewöhnlichen Hobbys manchmal schräg angeguckt wird, ist dem 32-Jährigen bewusst. „Mittlerweile ist es mir aber egal, was andere darüber denken“, sagt er.
Mit der Zeit entwickelte der gebürtige Stader nicht nur seine eigene Figur, sondern legte sich auch immer mehr Equipment zu. Mehr als 20.000 Euro hat er dafür schon ausgegeben. Neben sieben Flossenschwänzen aus Stoff besitzt er auch zwei aus Silikon. Einen hat er extra aus den USA einfliegen lassen – eine Maßanfertigung für fast 5000 Euro. „Das hat aber auch Nachteile“, gibt der „Meermann“ zu.
Silikon-Schwanzflossen wiegen bis zu 25 Kilogramm
Denn so sehr die grüne Schwanzflosse ihm am Herzen liegt: Er hat sich entschlossen, sie für 2000 Euro zu verkaufen. Noch sucht er nach Interessenten. „Sie passt mir leider nicht mehr.“ Eine Änderung sei bei dem Modell nicht möglich.
Mit so einem Fischschwanz zu schwimmen, ist jedoch gar nicht so leicht. Bis zu 25 Kilogramm könne so ein Exemplar wiegen, so Ramon Steglich. „Unter Wasser spürt man das Gewicht nicht mehr, aber man darf nicht vergessen, dass die Beine unbeweglich sind.“ Im Notfall könne das gefährlich werden, wenn man vorher nicht geübt hat. Der Bergedorfer empfiehlt daher, am Anfang auf jeden Fall einen Kursus zu belegen.
Auch beruflich ist er im Wasser unterwegs
Er selbst bietet mit einer Gruppe unverbindliche Trainings zum Ausprobieren an. So zum Beispiel jeden letzten Sonnabend im Monat im Schwimmbad Festland an der Holstenstraße in der Hamburger Innenstadt. Das Angebot ist kostenlos, nur den normalen Eintritt müssen Gäste zahlen. Das Training macht er gemeinsam mit dem Meerwesentreff Nord. Das ist der sogenannte Schwarm, also die lokale Gruppe der großen Meeres-Community, der er beigetreten ist.
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Beruflich ist Steglich ebenfalls im Wasser unterwegs: Als Aqua-Pädagoge arbeitet der Bergedorfer wie ein Schwimmlehrer mit Menschen mit körperlichen oder psychischen Besonderheiten. Nebenbei ist er mittlerweile jedoch auch als professioneller Meermann unterwegs. Immer öfter wird er für Fotoshootings unter Wasser, Strandfestivals oder Schwimmbaderöffnungen gebucht. Sogar in Aquarien sei er schon eingeladen worden. Auch bei der großen Wiedereröffnung der Alsterdorfer Schwimmhalle Ende des Jahres wird er Teil des Programms sein.
Noch sucht er einen Käufer für die grüne Flosse
Und sein großer Traum als Meeresfan? „Einmal einen Walhai und einen Mantarochen im Ozean sehen“, sagt Steglich. „Am liebsten natürlich mit Schwanzflosse – aber auch als ,normaler Taucher’ wäre das mein großer Wunsch.“
Wer Interesse an dem Fischschwanz hat und ihn gern kaufen möchte, kann sich per Mail an Ramon Steglich wenden über ray25hh@icloud.com.