Bergedorf. Zunächst fiel die Bergedorferin auf die Masche rein und holte Goldbarren aus ihrem Bankschließfach. Doch dann änderte sie ihr Vorgehen.

Das war knapp: Zwar hatte die ältere Dame schon Goldbarren und Münzen aus ihrem Bankschließfach abgeholt, dann wurde sie doch noch skeptisch, durchschaute den Trickbetrug – und meldete sich unter der Notrufnummer bei der Polizei Hamburg. So gelang es Zivilfahndern aus Bergedorf einen mutmaßlichen Trickbetrüger im Bergedorfer Villengebiet festzunehmen.

Was war passiert? Am Dienstagmittag klingelte das Telefon bei der 81-Jährigen: Eine Frau gab sich als deren Tochter aus. „Mami, mir ist etwas Furchtbares passiert“, sagte sie weinend mit hoher Stimme. „Dann kam ein Mann an den Apparat und stellte sich als Staatsanwalt König vor. Er redete sehr schnell, ein gepflegtes Hochdeutsch“, erzählt die 81-Jährige, die in dem Augenblick noch nicht ahnte, dass ihr eine perfide, zweieinhalbstündige Tortur bevorstehen würde.

Polizei Bergedorf nimmt mutmaßlichen Trickbetrüger fest

Die Tochter – Frau B. hat tatsächlich eine in Hamburg lebende Tochter – habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht, log der Mann. Sie sei über eine rote Ampel gefahren, dabei sei leider eine Passantin ums Leben gekommen – „übrigens die Tochter eines bekannten Politikers“. An dieser Stelle indes ärgerte sich die Seniorin: „Das ist doch unerheblich, auch die Tochter eines Migranten ist ein Mensch.“

Aber sie sei geschockt und blockiert gewesen, habe der Stimme nur ein Viertel ihrer Aufmerksamkeit geschenkt, denn „ich musste immerzu denken, wie meine Tochter ein Leben lang damit umgehen könne, dass sie einen Menschen überfahren hat“, erzählt sie.

Der Betrüger „Herr König“ fragt nach Schmuck und Gold

„Herr König“ berichtete sodann, es werde auf Mord oder Totschlag hinauslaufen. Der Pflichtverteidiger der Tochter wolle mangels Fluchtgefahr jedoch einen Antrag auf Entlassung aus der Untersuchungshaft erwirken, gegen eine Kaution. Von „384.000 Euro oder mindestens 300.000 Euro“ war die Rede. So viel habe doch niemand im Haus, entgegnete Frau B. und verwies auf 7000 Euro auf dem Girokonto – bevor der Mann nach Schmuck und Gold fragte.

Offenbar unter Schock machte sich die Seniorin vom Villengebiet auf den Weg zur Deutschen Bank, holte Goldbarren und -münzen aus ihrem Schließfach und begab sich mit dem Beutel wieder in ihr Haus. Dort sprach sie wie verabredet zweimal ‘Hallo’ in das Telefon, das die ganze Zeit über auf dem Wohnzimmertisch lag. Denn: „Ich sollte ja in der Zwischenzeit nicht auflegen und mit niemanden sprechen. Sonst würde ich mich strafbar machen wegen der laufenden Ermittlungen.“

Angeblicher Gutachter Kowalski will die Wertsachen persönlich abholen

Ob sie auf ein Medikament allergisch reagiere? Die Tochter werde nun in U-Haft einem Arzt vorgestellt, erfuhr Frau B., die mit einem Trickbetrüger telefonierte. Der sagte, bis 18 Uhr würden die Videoaufnahmen von der Unfallkreuzung und die Zeugenaussagen ausgewertet sein. Aber leider sei die Gerichtskasse in Wandsbek schon geschlossen, wobei der Richter ja die Echtheit ihrer Münzen und Goldbarren, auch den privaten Schmuck überprüfen müsse. Daher – nur als Ausnahme – käme nun der Gutachter Kowalski bei ihr in Bergedorf vorbei, um die Wertsachen abzuholen. Das machte sie stutzig: „Als es dann hieß, der habe seinen Personalausweis im Gericht hinterlassen, schwante mir der Betrug. Denn der Mann hätte sich ja bei mir gar nicht ausweisen können“, blitzte es der 81-Jährigen, die auf Nachfrage weder erneut die Tochter noch den Richter sprechen konnte – und dies alles „ganz nebenbei“ auf Zetteln notierte.

Zugriff mitten auf dem Mohnhof

Sie müsse kurz zur Toilette, sagte sie – und rief im Schlafzimmer vom Handy aus die Bergedorfer Polizei. Schon bald beobachtete sie durch den Spion ihrer Haustür einen „unauffälligen Mann“: etwa 1,80 Meter groß, mittelblond, graue Jacke. Plötzlich aber lief er die Straße hinunter.

Die eintreffenden Fahnder verfolgten den Mann, der gerade in ein weißes Auto mit polnischem Kennzeichen einstieg. An der Mohnhof-Kreuzung schließlich wurde er gestoppt: „Das ist er!“, rief Frau B. aus dem Streifenwagen heraus.

Schockanruf: Tatverdächtiger kommt vor den Haftrichter

Bei dem 30 Jahre alten Tatverdächtigen wurde ein dreistelliger Geldbetrag gefunden. Im seinem Auto lagen zudem eine Tasche mit Werkzeugen sowie zwei Mobiltelefone. Gestern kam er vor den Haftrichter. Die Ermittlungen des LKA, insbesondere zu den weiteren Mittätern, dauern an. Auch wird geprüft, ob die Gruppe für weitere, ähnliche Fälle verantwortlich sein könnte.

„Die Betrugsmasche Schockanruf ist ein nahezu alltägliches Kriminalitätsphänomen in Hamburg“, sagt Polizeisprecherin Nina Kaluza und rät: „Geben Sie Fremden gegenüber auch telefonisch keine Details zu Ihren familiären und finanziellen Verhältnissen preis. Lassen Sie sich nicht drängen und unter Druck setzen.“

Opfer von Trickbetrügern sollten Tat anzeigen

Man müsse sich stets Zeit nehmen, um die Angaben des Anrufers zu überprüfen, am besten die Person unter der lange bekannten Nummer anrufen. Wenn ein Anrufer Geld oder andere Wertsachen fordert: Das Thema unbedingt mit Familienangehörigen oder Freunden besprechen. Kaluza: „Übergeben Sie niemals Geld oder Wertsachen wie Schmuck an unbekannte Personen oder deponieren es für sie.“

Wer bereits Opfer eines Trickbetrugs geworden ist, sollte die Tat unbedingt bei der Polizei anzeigen. Dies kann den Ermittlern dabei helfen, Zusammenhänge zu erkennen, andere Menschen entsprechend zu sensibilisieren und die Täter zu überführen.