Hamburg. Um der Seniorin Angst einzujagen, haben Täter ihr eine hanebüchene Geschichte aufgetischt. Nun wurde eine junge Frau verurteilt.

Als bei der 93 Jahre alten Eva T. (Name geändert) das Telefon klingelte, war es schon fast Mitternacht. Die Nachrichten, die der Anrufer der Seniorin mitteilte, waren geeignet, die betagte Dame in Angst und Schrecken zu versetzen. Ihr Vermögen sei in Gefahr, hieß es, und sie habe gerade eben noch die Chance, es in Sicherheit zu bringen.

Es dauerte keine halbe Stunde, da übergab die schockierte Eva T. alles, was sie an Barem zusammenraffen konnte, einer Frau, die bei ihr an der Tür geklingelt hatte und die sie für eine Polizistin hielt.

Prozess in Hamburg: Seniorin bekommt Schock-Anruf

Doch von „Freund und Helfer“ konnte in Wahrheit keine Rede sein. Die Besucherin gehörte vielmehr zu einer Bande, die sich vorgenommen hatte, gezielt alte Leute um deren Wertsachen zu bringen. Jetzt sitzt Snezhana K. vor dem Schöffengericht, angeklagt unter anderem wegen gemeinschaftlichen bandenmäßigen Diebstahls, und blickt bekümmert drein. Der 26-Jährigen wird vorgeworfen, mit Komplizen zusammengearbeitet zu haben, die sich als „Polizisten und Staatsanwälte“ ausgaben. 

Laut Anklage rief ein bislang noch nicht ermittelter Mittäter von Snezhana K. am 29. Januar vergangenen Jahres die 93-jährige Eva T. an und gab sich ihr gegenüber als „Polizeibeamter Rohde“ aus. Der Eißendorferin wurde weißgemacht, bei einem in ihrer Nähe festgenommenem Mann sei eine Liste mit zukünftigen Einbruchsopfern gefunden worden. Und ihr Name stehe auf dieser Liste.

Seniorin sollte Wertsachen einer "Polizistin" übergeben

Um ihre Wertsachen zu retten, solle sie diese an eine Kollegin des „Polizeibeamten Rohde“ übergeben. Kurz darauf erschien die Angeklagte bei der Seniorin. Nachdem die verstörte Eva T. der angeblichen Polizistin eine Geldbörse mit 410 Euro überreicht hatte, gab diese vor, die alte Dame zu einem Polizeirevier bringen zu wollen. Während die Seniorin ins Bad ging, um sich für die Fahrt anzuziehen, flüchtete Snezhana K.

Drei Wochen nach dieser Tat, so die Staatsanwaltschaft, habe die Angeklagte bei einer 83 Jahre alten Frau eine vergleichbare Tat ausüben wollen. Doch nach dem Anruf des angeblichen Polizeibeamten „Rohde“ sowie dessen vermeintlichen Vorgesetzten „Schröder“ wurde die Hamburgerin misstrauisch. Der Diebstahl scheiterte.

Das Ganze tue ihr unendlich Leid, sagt die 26-jährige Angeklagte nun im Prozess. Vor allem geht es ihr dabei um Eva T., der sie von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden hat. „Ich würde mich am liebsten bei der Dame entschuldigen.“ Doch die Rentnerin möchte nicht erneut mit der jungen Frau zusammentreffen, die ihr Vertrauen so sehr missbraucht hat, hat die mittlerweile 95-Jährige dem Gericht mitteilen lassen. Sie habe Angst.

Schock-Anrufe: Ein Geschäftsmodell aus Angst

Angst. Das ist das Gefühl, auf dem Betrügerbanden geradezu ein Geschäftsmodell aufbauen. Sie machen es sich zunutze, dass manche ältere Menschen eher furchtsam sind und häufig leichter einzuschüchtern. Die Sorge, ihr oft über ein ganzes Leben mühsam Erspartes könne in die Hände von Dieben fallen, beunruhigt sie zutiefst. Die kriminellen Anrufer, die sich nun als die rettende Polizei ausgeben, nutzen diese Ängste skrupellos aus. 

Eigentlich, sagt die Angeklagte Snezhana K., habe sie niemandem schaden wollen. Sie habe in einem sozialen Netzwerk einen gewissen Kemal kennengelernt, mit dem sie eine Online-Beziehung begonnen habe. Zwei Monate später habe er ihr klare Instruktionen gegeben: „Er sagte: Es gibt eine alte Frau, und da gehst du hin. Sie wird dir Geld geben.“

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Kemal habe ihr noch eingeschärft, dass sie sich als Polizeibeamtin ausgeben solle. Vor Ort habe sie auftragsgemäß ihre Handykamera so gehalten, dass Kemal beobachten konnte, was in der Wohnung des Opfers geschah. Ein weiterer Mittäter mit Namen Engi habe die Seniorin derweil am Festnetztelefon beschäftigt.

Nachdem sie an jenem Januartag 410 Euro stehlen konnte, habe Kemal ihr eine weitere Adresse übermittelt, wo sie erneut Ersparnisse erbeuten sollte. „Ich wollte das nicht, ich hatte auch Angst. Er hat mich aber überredet.“ Mit dem Taxi fuhr Snezhana K. zu dem avisierten Opfer, wurde dann aber von Kemal gewarnt, sie solle wieder wegfahren.

Prozess: Angeklagte habe "von keiner Tat profitiert"

Offenbar hatte der Mittäter das Umfeld der Wohnung beobachtet und befürchtet, Polizei sei in der Nähe. Sie selber habe von keiner Tat profitiert, sagt die Angeklagte. Das Geld aus dem ersten Diebstahl habe sie komplett per Western Union in die Türkei geschickt – und sogar noch 40 Euro obendrauf gepackt. Ihren Betrug an den alten Damen nennt der 26-Jährige „beschämend“.

22 Monate Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden, lautet schließlich das Urteil für Snezhana K. Zu ihren Gunsten spreche vor allem, dass sie ein Geständnis abgelegt und damit den Opfern eine Aussage vor Gericht erspart habe, betont der Vorsitzende. Allerdings wiege besonders schwer, dass sie gezielt Senioren habe betrügen wollen. Die Angeklagte habe durch ihre Amtsanmaßung das Vertrauen in die Polizei beschädigt. Aber vor allem: „Alte Menschen zu betrügen und zu bestehlen, ist in hohem Maße verachtenswert.“