Neuallermöhe. Die Gretel-Bergmann-Stadtteilschule setzt am Diversity Day mit vielen Aktionen deutliche Zeichen – auch für Inklusion.
Mit einem breiten Grinsen lässt Liuba ihre Hüften kreisen. Die Kubanerin bringt Schülerinnen der Gretel-Bergmann-Schule den lateinamerikanischen Tanz Salsa bei. „Und jetzt einmal Augen zu, nichts ist hier peinlich, bewegt euch!“, ruft sie in die Runde. Die Schülerinnen lassen sich, wenn auch noch etwas zaghaft, von der fremden Musik leiten. Salsa kennen bislang nur wenige der 1100 Kinder und Jugendlichen an der Gretel-Bergmann-Schule. Etwa zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler haben einen Migrationshintergrund. Aber alle Jugendlichen feiern die bunte Vielfalt am Diversity Day in Neuallermöhe.
Türkische Lesestunde, Rollstuhl-Skating, Blindenfußball und weitere spannende Angebote in insgesamt 50 Workshops gegen Diskriminierung haben eines gemeinsam: Sie betonen, dass alle Menschen gleich sind – ob körperlich behindert oder nicht, egal welcher Hautfarbe, einerlei wie sie religiös oder sexuell orientiert sind.
Inklusion ist an der Gretel-Bergmann-Schule eine Herzensangelegenheit
„Inklusion ist für uns eine Herzensangelegenheit“, erzählt interkulturelle Koordinatorin Amma Nwosu. Die junge Lehrerin, deren Vater aus Ghana stammt, ist überzeugt, dass es „nicht genügt, nur das Feuer der Diskriminierung zu löschen“. Die Probleme liegen tiefer: Meist liege es an der Sozialisierung, man kenne einfach zu wenig Menschen, die anders ticken als man selbst.
Shweta Sachdeva zum Beispiel ist sehr künstlerisch unterwegs: Mit rötlicher Henna-Farbe malt sie kunstvolle Ornamente auf die Hände ihrer Lehrerin. „Das kommt aus dem antiken Indien und steht vielfach für Glück“, sagt die 17-Jährige, deren Eltern aus Indien und Afghanistan stammen.
Extra aus Berlin angereist ist ein Nationalspieler im Blindenfußball – und verpasst allen Sportlern verdunkelte Brillen. Jetzt müssen sie sich auf ihr Gehör verlassen: Der Ball hat eine eingebaute Rassel. Dazu steht hinter dem gegnerischen Tor ein sehender Teamkamerad, der laut die richtige Laufrichtung angibt. „Voy“ für „Ich komme“, schreit der Gegner, der sich nähert und den Ball abjagen will.
Ein besonderer unter „Palmen aus Stahl“
Etwas ganz anderes vermittelt Dominik Bloh. Er war zehn Jahre lang obdachlos. Vor Oberstufenschülern liest der 35-Jährige aus seinem Buch „Palmen aus Stahl“ und erzählt von seiner Kindheit, in der er viel Gewalt erfahren habe. Eines Abends eskalierte es zu Hause und seine psychisch kranke Mutter setzte den damals 16-Jährigen auf die Straße. Trotzdem hat er Abitur gemacht. Und ging täglich zum Unterricht, weil es dort „warm und sicher“ war.
Während der Flüchtlingskrise 2015 half Bloh in einer Kleiderkammer, wo er anderen Ehrenamtlichen erstmals gestand, dass er auf der Straße lebt. Seit sie ihm eine Wohnung vermittelten, geht es bergauf: Heute lebt der Autor ein bürgerliches Leben mit Frau und Kind und findet das „richtig geil“.
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Das hätte er auch früher haben können, hätte er bloß um Hilfe gefragt. Und so ruft er die angehenden Abiturienten dazu auf, auch in Notsituationen immer ehrlich zu sein. Denn: „Wenn ich keinem erzähle, was los ist, kann mir auch keiner helfen.“ hpbk