Bergedorf. Dem 27-Jährigen und seiner damals hochschwangeren Frau waren die Nachbarskinder zu laut – so der Angeklagte vor Gericht.
Schon zu Beginn der Verhandlung im Amtsgericht Bergedorf an der Ernst-Mantius-Straße wirkte der Angeklagte L. etwas benommen. Das sollte sich im späteren Verlauf des Prozesses auch nicht mehr ändern. Der 27-Jährige stand am Freitag, 14. April, wegen Computerbetrug, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung vor Gericht.
Er habe nicht damit gerechnet, am frühen Morgen von Polizisten geweckt und zum Gericht gebracht zu werden, erklärte L.. Deshalb sei er jetzt „kaputt und müde“. Da er zuvor zum angesetzten Verhandlungstermin nicht erschienen war, hatte das Gericht die Abholung für den neuen Termin am Freitag angeordnet. Die Frage des Richters, ob er an dieser Verhandlung überhaupt teilnehmen könnte, bejahte der Angeklagte.
Prozess Hamburg: Angeklagter bestellte Waren mit fremder Kreditkarte
L. soll zwischen dem 29. April 2017 und dem 1. September 2017 mit einer fremden Kreditkarte diverse Gegenstände im Wert von 3414 Euro bei Amazon bestellt haben; unter anderem einen Elektroroller, mehrere Smartphones, Goldbarren und Actionkameras.
„Die Kreditkarte gehörte dem Opa meiner Frau“, erklärte der 27-Jährige, während er mit verschränkten Armen im Gerichtssaal saß. Dieser hatte ihm wohl die Karte zum Buchen von Flixbustickets geliehen. Danach seien die Daten auf dem Handy des Angeklagten gespeichert gewesen – offenbar ein verlockender Umstand: Er habe seiner Frau, von der er zur Zeit getrennt lebe, und sich selbst dann „schöne Sachen kaufen wollen“.
Angeklagter schoss aus Fenster in Wohnunterkunft
Den geschädigten Großvater seiner Expartnerin habe er zum letzten Mal auf seiner eigenen Hochzeit 2019 gesehen: „Ich habe mich entschuldigt, dass ich Scheiße gebaut habe und wir haben eine Absprache getroffen“. In Raten wolle L. dem Geschädigten nun das Geld zurückzahlen. Bis jetzt habe er ihm knapp 350 Euro wiedergegeben.
Der 27-Jährige musste sich wegen eines weiteren Vergehens vor Gericht verantworten. Am 25. Februar 2018 soll er aus seinem Zimmer in der Wohnunterkunft Brookkehre mit einer Druckluftpistole dreimal auf das Fenster schräg über ihm geschossen haben. Als sich der Bewohner dieses Zimmers aus dem beschädigten Fenster beugte, soll L. ein weiteres Mal abgedrückt und so den Geschädigten M. an der Schläfe getroffen haben. Die Kugel musste im Krankenhaus operativ entfernt werden.
Grund für die Schüsse war Kinderlärm
Auf die Frage des Richters nach dem Grund für die Schüsse, erklärte L., dass ihn und seine zu diesem Zeitpunkt hochschwangere Frau der Kinderlärm aus den Zimmern über ihnen massiv gestresst hätte. Die hauptsächlich zur Unterbringung von Flüchtlingen genutzte Wohnunterkunft in Bergedorf besteht aus mehreren Containern, die übereinander gestapelt sind.
Durch die Erschütterungen von oben sei in ihrem Zimmer die Deckenlampe abgefallen. Er sei schon einige Male oben gewesen und habe die irakische Familie gebeten, leiser zu sein, diese hätten aber aggressiv reagiert. „Ich wollte dann mit der Waffe einfach nur aufs Blech schießen, um auch Lärm zu erzeugen. Ich war geschockt, als ich gesehen habe, dass ich ihn getroffen habe“, so der Angeklagte. Das habe er niemals gewollt, so L.
Angeklagter stört den Prozess
Ein Gutachten sollte nun klären, ob durch den Schuss auch lebensgefährliche Verletzungen möglich gewesen wären. Dafür wurde ein Arzt des Universitätsklinikums Eppendorf beauftragt, der in der Verhandlung seine Ergebnisse präsentieren sollte. Doch das dauerte dem Angeklagten L. offenbar zu lange.
Nachdem er mehrere Male fast weggenickt wäre, fing er an, den Prozess zu stören: Immer wieder murmelte der 27-Jährige trotz mehrfacher Ermahnung des Richters vor sich hin, unterbrach den Experten und beschwerte sich, dass dessen Ausführungen zu lange dauerten. Während der Experte weitersprach, zückte L. dann sein Handy und tippte auf dem Bildschirm herum.
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Prozess Hamburg: Nächster Termin steht fest
Als der Angeklagte schließlich anfangen wollte, sich eine Zigarette zu drehen, schritt der Richter ein und stellte L. zur Rede: „Sie hinterlassen hier einen desolaten Zustand, das ist nicht hilfreich“, mahnte er. „Ich mache es nicht mit Absicht, ich habe Entzugssymptome“, rechtfertigte sich der Angeklagte. Er habe am Morgen durch das abrupte Wecken der Polizisten nicht noch einmal seinen Arzt aufsuchen können.
Sowohl Staatsanwältin und Richter, als auch der Verteidiger des Angeklagten, hielten es nach diesem Eingeständnis für besser, die Verhandlung zu vertagen. Der nächste Termin ist für Mittwoch, 3. Mai angesetzt. Zu diesem Termin darf der Angeklagte diesmal wieder selbstständig kommen.