Bergedorf. Migranten im Ehrenamt: Wie sich ein afghanischer Familienvater nach seiner Flucht eine Zukunft in Hamburg aufgebaut hat.
Er ist eine Art Gentleman aus dem Paradies. So jedenfalls lässt sich sein afghanischer Name übersetzen. Mit Anstand und Ehre wollte ihn seine Familie erziehen: „Bildung ist der Schlüssel des Lebens“, habe sein Vater stets zu Homayoon Pardis gesagt. „Der war ein guter Lehrer für persische Sprache und Geschichte“, sagt der 38-Jährige, der durch ein Ehrenamt einen festen Arbeitsplatz gefunden hat – ein gelungenes Beispiel für Integration.
Dass er am Donnerstag, 16. März, zu einer Lesung nach Bergedorf kommt, ist zunächst eine traurige Geschichte – mit glücklichem Ende. Und die geht so: Homayoon Pardis wurde 1985 in Herat, zweitgrößte Stadt nach Kabul, geboren, studierte dort englische Literatur („das kostet an der staatlichen Uni nichts, aber mein Vater sorgte sich, ob ich genügend zu essen habe“) und arbeitete als Englischlehrer und Übersetzer.
2009 begann er als Projektmanager für internationale Organisationen, die sich für Frauenrechte und die Bildung von Straßenkindern einsetzen. Doch immer öfter wurde Pardis von der islamistischen Miliz bedroht: „Die Taliban gaben mir sehr deutlich zu verstehen, dass ich es bereuen würde, wenn ich meine Arbeit nicht einstelle“, berichtet der Familienvater. Es folgte das Jahr 2015: Mit seiner Frau Nadia an der Hand und der dreijährigen Tochter Parnian auf dem Rücken nahm er schweren Herzens Abschied von seiner Heimat.
Ehrenamt als Sprungbrett für einen Job: Er flüchtete übers Meer
„Wir saßen auch in einem dieser Schlauchboote. In unserem war eigentlich nur Platz für zehn, maximal 15 Leute. Wir waren 70 Personen”, beschreibt Homayoon Pardis den Beginn seiner Flucht. Von Istanbul kamen sie über Griechenland nach Deutschland, ins Eidelstedter Auffanglager. „Wir sind zehn Monate lang jeden Tag aufgewacht und haben uns gefragt, was für eine Perspektive wir in der Zukunft haben“, erinnert sich Pardis, der nach drei Monaten eine Arbeitserlaubnis bekam.
Es folgte nicht nur viel Papierkram (Anerkennung des Asylantrags, Deutschkurse und der Umzug in die Büro-Wohnung einer Freundin in Eimsbüttel), sondern auch ein freiwilliges soziales Jahr: „Ich war bei der Bücherhalle am Hühnerposten und im Bürgerhaus Eidelstedt“, erzählt er und betont, wie wichtig diese Kontakte waren und das Kennenlernen der deutschen Arbeitskultur: „So konnte ich meine Stärken zeigen und habe jetzt zwei Arbeitsverträge“, sagt er stolz.
Heute ist Pardis in Eidelstedt Projektleiter für kulturelle Veranstaltungen, zudem bei den „Mitmachern“ Teamleiter zur Vermittlung von Migranten in ein Ehrenamt. Es hat also geklappt: „Seit 2019 brauche ich keine Hilfe mehr von Staat“, freut sich der 38-Jährige.
Kulturhaus lädt zu kostenloser Lesung aus Biografie
Der Bergedorfer Verein „Menteevation“ hat ihn nun eingeladen, im Kulturhaus Serrahneins aus seinem biografischen Buch „Papa, warum sind wir hier?“ vorzulesen. Wer am 16. März von 19 Uhr an kostenlos an der Serrahnstraße 1 zuhören möchte, sollte sich anmelden unter info@menteevation.de.
„Beim Ankommen geht um auch um Hoffnung, das Gefühl der Zugehörigkeit und den Glauben daran, einen Neustart erfolgreich meistern zu können. Es ist nicht dem Zufall oder dem Glück überlassen, ob Integration gelingt“, meint Homayoon Pardis, der inzwischen mit zwei Töchtern (drei und zehn Jahre) in Eilbek wohnt. Pardis und seine Frau sind beide ehrenamtlich aktiv: Sie, eine studierte Historikerin, organisiert im Kulturladen Hamm Projekte zur Frauenbildung. Er hilft bei der Bürgerstiftung, die Hamburger Menschen vernetzt und unterstützt.
Blaulichttag für Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte
Damit sich noch mehr Migranten in einem Ehrenamt engagieren, bietet die Bergedorfer Freiwilligen-Agentur (FAB) jetzt gemeinsam mit dem Haus für Alle an der Serrahnstraße ein besonderes Angebot: Alle mit Flucht- oder Migrationsgeschichte sind vom 24. bis 26. März beim „Blaulichttag“ willkommen. Bei dem dreitägigen Workshop stellen sich Bergedorfer Rettungsorganisationen vor: ASB, DLRG, DRK, Bergedorfs Freiwillige Feuerwehr und die Johanniter. Da werden etwa Betreuer für Blutspender gesucht, Helfer in den Kochteams oder auch Menschen, die technische Geräte und Fahrzeuge warten mögen.
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Herzstück des kostenfreien Workshops ist ein kompakter Erste-Hilfe-Kurs, wie er etwa für den Erwerb eines Führerscheins vorgeschrieben ist. Teilnehmen können Menschen ab 16 Jahren mit deutschen Sprachkenntnissen auf etwa B2-Niveau. FAB-Leiterin Kirsten Görres hofft auf reichlich Zuspruch, denn „das Ehrenamt bietet die Möglichkeit, Kontakte zur Nachbarschaft und nützlichen Netzwerken zu knüpfen, berufliche Fachkenntnisse und Credit points für den Lebenslauf zu erwerben sowie bei Bedarf ganz nebenbei die eigenen Deutschkenntnisse zu verbessern.“ Wer dabei sein will, meldet sich an unter info@fluechtlingshilfe-bergedorf.de.