Bergedorf. „MenteeVation“: Junge Akademiker möchten Jugendlichen berufliche Wege aufzeichnen und ihren Ehrgeiz wecken.
„Du musst unbedingt studieren, dann musst du nicht so ackern wie wir.“ Diesen Satz hat Leonora Mulici oft von ihren Eltern gehört, als diese aus Albanien nach Deutschland geflüchtet waren – bloß leider lange nicht genügend Deutsch sprachen, um ihrer kleinen Tochter bei den Hausaufgaben helfen zu können. „Ich hätte mir damals viel mehr Unterstützung gewünscht, musste mir alles mühsam allein aneignen und herausfinden“, erinnert sich die 23-Jährige, die heute auf einen wunderbaren Bildungsweg blicken kann: Sie hat bereits den Bachelor in Wirtschaftsinformatik in der Tasche und studiert derzeit im dritten Semester Business Consulting und Digital Management. Und inzwischen wissen auch ihre Eltern, was das so ungefähr bedeutet.
Heute wollen die Kinder von einst Vorbilder sein und helfen: Neun Freunde aus Bergedorf und Mümmelmannsberg haben sich zusammengetan und vor drei Monaten die Initiative „MenteeVation“ gegründet. Die Idee ist, in Bergedorfer Stadtteilschulen drei Coachingbesuche anzubieten, um mit Schülern der achten bis 13. Klasse berufliche Ziele zu entwickeln.
„Mit meiner Abi-Note von 3,5 nahm mich nur die Uni Mainz“
„Wir wollen zeigen, dass Selbstvertrauen und gutes Zeitmanagement wichtig sind. Und dass man mit Bildung wirklich viel erreichen und seine Träume erfüllen kann“, sagt Ebrahim Momenzada: „In meiner Klasse haben damals nur zwei Leute Abi gemacht, das ist schade“, meint der 30-Jährige. In seiner afghanischen Familie war er der erste, der sich in eine Universität traute, und es war nicht gerade leicht am Anfang.
„Mit meiner Abi-Note von 3,5 nahm mich nur die Uni Mainz, wo ich die ersten zwei Wochen als Notfall auf dem Campus übernachtet habe“, erinnert sich Momenzada, der heute weiß, wie man BAföG beantragt und in der Orientierungswoche Netzwerke knüpft. Inzwischen hat der Politikwissenschaftler sein zweites Studium Soziale Arbeit begonnen.
Bereits 125 Follower bei Instagram und 4600 Aufrufe
Dass es mit drei Coachingtreffen nicht getan ist, wissen die jungen Leute, die bereits positive Signale aus den Stadtteilschulen am Richard-Linde-Weg und Mümmelmannsberg erhalten haben: „Wir wollen anschließend ein einjähriges Mentoring anbieten und die individuelle Entwicklung der Schüler begleiten, ihren Ehrgeiz ein bisschen anspornen“, sagen die Ehrenamtlichen von „MenteeVation“, die bereits 125 Follower bei Instagram haben und sich über 4600 Aufrufe freuen.
Etwa 30 Mentoren stünden bereit, um auch Praktika zu vermitteln oder bei Bewerbungen zu helfen. „Nur faul sein und Serien gucken gilt nicht. Jedenfalls ziehen bei uns nicht die schlechten Ausreden, die wir damals selbst versucht haben“, sagen die jungen Akademiker grinsend: „Wer fleißig eine Ausbildung macht, kann ja immer noch nebenbei Influencer oder Rapper werden.“
Im kommenden Jahr gibt es 6000 Euro vom Bezirksamt
Außerdem wollen sie mit den Schülern kulturelle Ausflüge machen, zum Beispiel ins Theater: „Meine Eltern hatten weder den Sinn noch Geld fürs Theater, ich habe erst mit 20 eine erste Aufführung erlebt“, erzählt Leonora Mulici. Heute weiß sie, wie wichtig auch Elternarbeit ist – das Team kann immerhin fünf Sprachen anbieten und heißt willkommen, wer zudem Russisch sprechen kann. Zudem freut sich die Initiative über Sondermittel vom Bezirksamt in Höhe von 2150 Euro, im nächsten Jahr werden es knapp 6000 Euro sein. „Und dann wollen wir einen Verein gründen“, kündigt Ebrahim Momenzada an: „Das ist unser Beitrag für die Gesellschaft.“