Bergedorf. Während in den Hamburger Ballungsgebieten die Clubs Wartelisten führen, sind Jugendfußballer im Bergedorfer Raum heiß begehrt.

Mit rund 1000 Kindern und Jugendlichen hat der SV Nettelnburg/Allermöhe die größte Jugendfußball-Abteilung der Region und eine der größten in ganz Hamburg. Der Verein profitiert seit Jahrzehnten von dem riesigen Einzugsgebiet Neuallermöhe vor seiner Haustür und ist ein Beispiel dafür, wie vorbildlich Jugendarbeit in einem schwierigen Umfeld gelingen kann.

Der Bedarf an Sportangeboten ist gewaltig: Nach der Errichtung des Stadtteils Neuallermöhe war dort vor 20 Jahren jeder zweite Bewohner eine Jugendliche oder ein Jugendlicher. Heute ist es immer noch knapp jeder Vierte (22 Prozent). Damit ist der Anteil junger Menschen in Neuallermöhe immer noch doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt, wo Kinder und Jugendliche gerade mal zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen. Dies ist laut Statistischem Bundesamt der niedrigste Wert seit der Wiedervereinigung.

Hamburg: Für Kinder fehlen rund 3000 Plätze in Fußballvereinen

Doch in Hamburger Ballungsräumen bedeuten selbst diese zehn Prozent an jungen Menschen eine gewaltige Herausforderung. So sorgte der Hamburger Fußball-Verband jüngst mit der Veröffentlichung der Ergebnisse einer Umfrage unter seinen Vereinen für Aufregung. Demnach würden 3000 Kinder in der Hansestadt gerne Fußball in einem Verein spielen, werden mangels Kapazitäten aber nicht aufgenommen. Mit anderen Worten: Gäbe es in Hamburg einen Jugendfußball-Verein „FC Warteliste“, so wäre dieser dreimal so groß wie der SV Nettelnburg/Allermöhe. „Die Lage ist teilweise dramatisch“, so HFV-Präsident Christian Okun.

Entscheidend ist dabei das Wort „teilweise“, denn ob ein Kind im Sportverein zum Zuge kommt, hängt sehr stark davon ab, wo es wohnt. Wer in der Region Bergedorf zu Hause ist, darf sich glücklich schätzen. „Der gesamte Bergedorfer Raum ist von diesem Problem überhaupt nicht betroffen“, stellt SVNA-Fußball-Abteilungsleiter Gerald Grassé klar. Gut die Hälfte der befragten Hamburger Vereine gab an, eine Warteliste zu führen. Der SV Nettelnburg/Allermöhe gehört nicht dazu. „Bei uns gibt es keinen Aufnahmestopp“, betont Grassé. Das gilt auch für viele andere Clubs im Bezirk. Denn die Versorgung mit Sportplätzen ist gut. So kann der SVNA seine Nachwuchs-Teams gleich auf drei Sportanlagen kicken lassen: am Katendeich, am Marie-Henning-Weg und am Henriette-Herz-Ring.

Fußballvereine suchen dringend Jugendtrainer

Doch es sei über die Jahre schwieriger geworden, Übungsleiter für die einzelnen Mannschaften zu finden, hat Grassé beobachtet. „Gerade bei den Jüngsten geht es nicht ohne Freiwillige aus der Elternschaft“, stellt er heraus, „doch immer häufiger lautet die Gretchenfrage: ,Was kriege ich dafür.’“ Ein weiteres Problem sei die Anspruchshaltung vieler Eltern. 14,50 Euro zahlt ein Kind pro Monat, um beim SVNA Fußball spielen zu dürfen. „Da gibt es Kinder, deren Eltern kennen wir gar nicht“, wundert sich Grassé. „Die geben ihren Nachwuchs einfach bei uns an der Pforte ab.“

Beim Nachbarn TSG Bergedorf kennen sie das Thema schon länger. „Die TSG sucht dringend neue Jugendtrainer“, heißt es auf der Homepage. Aktuell unterhält der Verein zwei Erwachsenen- und acht Jugendteams. „Dafür reicht unsere Anlage, das Billtalstadion, sehr gut aus“, so Jugendkoordinator Leon Menne. Zudem gibt es im Rahmen der Kindersportschule auch eine Kinder-Fußballschule für Vier- bis Sechsjährige, wo die Jüngsten nach Herzenslust kicken können. „Die Nachfrage ist gut. Wir hatten dafür im vergangenen Halbjahr 30 Anmeldungen“, freut sich Johannes Feigel von der Kindersportschule.

Stürmische Zeiten: Der Sportplatz des SV Curslack-Neuengamme am Gramkowweg wird ab Mai saniert. Wohin mit den Fußballteams?
Stürmische Zeiten: Der Sportplatz des SV Curslack-Neuengamme am Gramkowweg wird ab Mai saniert. Wohin mit den Fußballteams? © Volker Gast | Volker Gast

Doch was ist, wenn der einzig vorhandene Platz für das Fußball-Jugendtraining plötzlich wegfällt? Dann ist Einfallsreichtum gefragt. Vor dieser Situation steht der SV Curslack-Neuengamme, denn ab Mai wird der Kunstrasen im Stadion am Gramkowweg saniert. Der SVCN hat einen wahren Jugendfußball-Boom erlebt, steigerte trotz Corona binnen sechs Jahren die Zahl seiner Nachwuchs-Teams von sechs auf 18 Mannschaften.

„Wir dürfen kein Kind abweisen. Wir Erwachsenen müssen die Probleme lösen“

Damit die nun nicht ab Mai ohne Trainingsmöglichkeit dastehen, sind die Vierländer eine Spielgemeinschaft mit dem Nachbarn SV Altengamme eingegangen, dessen Jugendteams nach und nach weggebrochen waren. „Es ist eine Win-win-Situation für beide Clubs“, freut sich Curslacks Jugendwart Alexander Warremann. „Der SV Altengamme kann weiter Jugendfußball anbieten, und wir können ihre Anlage mit nutzen.“ Beim SV Altengamme wird die Fußball-Abteilung künftig einen Spartenbeitrag für die Jugendlichen erheben, um den Mitgliedsbeitrag bei beiden Vereinen anzugleichen.

„Zudem wollen wir Fehler der Vergangenheit vermeiden“, führt Warremann weiter aus. So solle künftig darauf geachtet werden, dass die A-Jugend bei beiden Vereinen trainiert, damit beide Clubs Talente sichten und so von der Nachwuchsarbeit profitieren können. Vor allem aber gehe es darum, Probleme zu vermeiden, wie sie der Hamburger Fußball-Verband skizziert hat. „Wir haben ganz klar gesagt: Wir dürfen kein Kind abweisen“, beschreibt Warremann den Geist der Gespräche mit dem Nachbarverein. „Wir Erwachsenen müssen die Probleme lösen, nicht die Kinder.“