Bergedorf. Polizeistatistik zeigt: Kriminalität pendelt sich wieder auf Vor-Corona-Niveau ein. Doch einzelne Bereiche bereiten den Beamten Sorgen.

Die Corona-Schonfrist ist vorbei: Nach zwei Jahren mit in vielen Teilen abnehmender Kriminalität zieht die Zahl der Straftaten jetzt wieder an. 10.467 Fälle wurden laut neuester Kriminalitätsstatistik im Jahr 2022 im Bezirk Bergedorf erfasst – ein Plus von 9,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hamburgweit stiegen die Zahlen ebenfalls, sogar recht deutlich von gut 186.000 auf mehr als 211.000.

Jedoch ziehen Polizei und Innenbehörde diesmal nur in Teilen das Vorjahr 2021 als Vergleich heran, denn ein Anstieg war nach der Coronadelle längst erwartet worden. „Wir sind jetzt ein Stückweit wieder im Normalbetrieb“, sagte Innensenator Andy Grote am Mittwoch bei der Vorstellung der Statistik. Geradezu eine „Punktlandung“ gebe es im Vergleich zum Vor-Coronajahr 2019, stellte auch Hamburgs Polizeipräsident Ralf-Martin Meyer fest: Nur um 407 Taten weicht die jüngste Statistik von den Zahlen aus der Zeit vor der Pandemie ab. In Bergedorf ist die Zunahme mit fast 1000 Taten gegenüber 2019 allerdings deutlich höher, wenngleich ausgehend von einem niedrigen Niveau.

Straftaten wie Tankbetrug nehmen zu

Pandemie, Krieg und Inflation hinterlassen aktuell deutliche Spuren in der Statistik. So „boomen“ hamburgweit Delikte wie etwa Tankbetrug – bedingt durch die hohen Benzinpreise. Die Pandemie hat auch zu einem Anstieg von Urkundenfälschungen geführt, weil Menschen vor allem ihre Impfnachweise manipulierten. Im Bezirk Bergedorf jedoch zeigt sich ein in Teilen anderes Bild.

So ist in ganz Hamburg ein deutlicher Anstieg der Drogenkriminalität zu verzeichnen, oft eine Konsequenz verstärkter Kontrollen. Allgemeine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz nahmen – wieder im Vergleich zu 2019 – um mehr als 1000 Taten zu. Doch nicht so in Bergedorf: Nachdem hier in den vergangenen Jahren dramatische Taten wie ein Drogenmord 2019 in Lohbrügge für Aufsehen gesorgt und ein Schlaglicht auf die Szene geworfen hatten, war im Bezirk ein besonderer Fokus auf die Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität gelegt worden.

Wenige Fälle schwerer Straftaten wie Mord und Totschlag

Inzwischen, so ein Polizeisprecher, habe sich „nach unserer Wahrnehmung“ die Lage in diesem Deliktsfeld jedoch etwas beruhigt. 2022 wurden nun nur noch 280 allgemeine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz erfasst, zudem „nur“ 57 Fälle von Handel und Schmuggel von Rauschgift. Die Zahlen liegen unter denen aller Vorjahre bis einschließlich 2019. Die Polizei habe die Entwicklungen aber „weiter sehr aufmerksam im Blick“, heißt es.

Schwere Straftaten wie etwa Mord oder Totschlag sind in Bergedorf eher selten, 2022 ebenso wie 2019. So wird eine Tat am Röpraredder, als im März ein 40-Jähriger einen Bekannten (43) erstochen haben soll, als der einzige Mordfall im Jahr 2022 im Bezirk geführt. Hinzu kamen allerdings drei Tötungsdelikte, darunter ein Fall vom Februar am Grasredder, als ein Mann seine Schwester (55) erstochen haben soll. Im November tötete zudem ein Mann seine Ex-Partnerin (34), Mutter zweier Kinder.

Hauptgrund bei der Zunahme der Körperverletzungen sind Schulhofschlägereien

Eine Zunahme gab es bei Rauben auf öffentlichen Plätzen (41 gegenüber 34 in 2021 und 2019). Und auch die Zahl der Körperverletzungen nahm zu, liegt aktuell bei 1275 Fällen im Bezirk. Die Zahl der gefährlichen Körperverletzungen ist in Bergedorf hingegen fast gleichbleibend, während sie in Hamburg stieg. Ein Hauptgrund seien recht viele Schulhofschlägereien, weil Jugendliche nach den Lockdowns erst „wieder lernen“ mussten, Konfliktsituationen zu bewältigen, so LKA-Chef Jan Hieber.

Manch eine Zahl gestiegener Fälle ist laut Polizei auch auf andere Faktoren zurückzuführen, wie etwa neue Ermittlungsmethoden oder Sensibilisierung der Opfer. Dazu zählt laut Polizei auch das Delikt der Vergewaltigung. Die Zahl angezeigter Fälle lag 2022 in Bergedorf bei 14 – nach nur sieben in 2021 und neun in 2019. Mehr Frauen würden sich inzwischen trauen, Anzeige zu erstatten, heißt es. So würden mehr Fälle vor allem von Partnerschaftsgewalt ins „Hellfeld“ treten.

Zahl der Fahrraddiebstähle hat deutlich zugenommen

Doch nicht immer sind es schwere Verbrechen, die die Menschen belasten. Auch Diebstähle können dazugehören. Und hier ist in Bergedorf, wie in ganz Hamburg, ein Trend zu bemerken: Die Zahl der Fahrraddiebstähle stieg deutlich. 739 Fälle wurden 2022 im Bezirk erfasst, 715 Taten davon vollendet. Und das waren deutlich mehr gestohlene Räder als 2019 (541) oder 2021 (487). Das Rad habe eine neue „gesellschaftliche Bedeutung“, meint Innensenator Andy Grote.

Dass manche Menschen zudem einfach knapp bei Kasse sind, könnte sich in der gestiegenen Zahl der Ladendiebstähle zeigen: 1130 Fälle waren es 2022, fast 300 mehr als 2019. Zurückgegangen ist hingegen die Zahl der Wohnungseinbrüche – vor Corona waren es 218 Fälle im Bezirk, nun nur noch 141.

CDU: Nach wie vor sind Hamburgs Ermittler heillos überlastet

Laut Polizei und Innenbehörde zeigt die jüngste Statistik, wie viel Auswirkungen verschiedene Faktoren wie Pandemie, Krieg oder Inflation auf das Geschehen haben können. Hamburg sei, gemessen an der Einwohnerzahl, so sicher wie lange nicht: Die Zahl der Straftaten auf 100.000 Einwohner, das heißt das Risiko, in Hamburg Opfer einer Straftat zu werden, sei im Langzeitvergleich so gering wie seit über 40 Jahren nicht mehr.

Anders sieht das Opposition. Es stelle sich die Frage, ob die Zahlen nicht nur „die Spitze des Eisbergs“ seien, meint Dennis Gladiator, innenpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion. „Da sich beim LKA über 10.000 unbearbeitete Akten stapeln, dürften es erheblich mehr Straftaten sein, denen die Hamburgerinnen und Hamburger im vergangenen Jahr zum Opfer fielen. Nach wie vor sind Hamburgs Ermittler heillos überlastet.“