Hamburg. Macht E.on Übergewinne in Millionenhöhe? Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan wirft dem Konzern vor, sich unrechtmäßig zu bereichern.

In dem Streit um horrende Heizkostenerhöhungen für Menschen in Lohbrügge hat sich nun Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) eingeschaltet. In einem Brief an den Geschäftsführer der Firma E.on Energy Solutions, Patrick Schneckenburger, fordert Kerstan Zugeständnisse von dem Unternehmen.

„Angesichts der teilweise sehr erheblichen Preissteigerungen, mit denen sich die angeschlossenen Mieter in Lohbrügge-Nord konfrontiert sehen, habe ich Verständnis für den großen Unmut, der aufgekommen ist und der sich kürzlich in einer Bürgerveranstaltung vor Ort gezeigt hat“, erklärt der Umweltsenator.

Heizkosten-Schock in Lohbrügge: E.on unterhält Lieferverträge

Betroffen sind mehr als 7200 Wohneinheiten. Der Umweltbehörde zufolge ist E.on Betreiber des Wärmenetzes vor Ort und bezieht Wärme aus dem Holzheizkraftwerk im Havighorster Weg 10a. Dieses werde von der KWA Contracting AG betrieben und stelle etwa 80 Prozent der Wärme bereit.

Die Lieferverträge für die Wärme mit Mietern unter anderem der städtischen Saga in Lohbrügge unterhält allerdings E.on. Das Unternehmen ist Kerstan zufolge außerdem Betreiber von Heizkesseln vor Ort, die Gas als Wärmequelle nutzen. Etwa 20 Prozent der Wärme werden aus Gas erzeugt.

Hamburgs Umweltsenator appelliert an Energiekonzern

Was den Senator ärgert: E.on kauft die im Holzkraftwerk erzeugte Wärme offenbar günstig ein, gibt diesen Preisvorteil aber womöglich nicht an die Kunden vor Ort weiter. „Nach meiner Kenntnis besteht mit der KWA Contracting AG eine Vereinbarung, die eine Gaspreiskopplung mit Preisdeckel bei 6,5 Ct/kWh vorsieht“, so Kerstan in dem Brief.

„Das Holzheizkraftwerk stellt damit in der aktuell angespannten Lage nicht nur eine sichere Alternative zum Gas dar, sondern dürfte mit dem vereinbarten Preisdeckel eine deutlich preisdämpfende Wirkung haben.“

Ungeachtet der Frage, ob E.on auch vertraglich dazu verpflichtet sei, den Preisvorteil an Kunden in Lohbrügge weiterzugeben, wolle Kerstan Schneckenburger fragen, „ob Ihr Unternehmen in dieser Angelegenheit den eigenen Kunden nicht entgegenkommen sollte“.

Kerstan wolle „dringend dafür werben, die finanziellen Spielräume, die dem Energiekonzern durch den ,Holzpreisdeckel‘ im Wärmeeinkauf entstehen, für eine direkte Entlastung der Menschen zu nutzen“.

Auch Finanzsenator Dressel von E.on enttäuscht

Auch Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) zeigte sich zuletzt „enttäuscht“ über E.on, da das Unternehmen nicht bereit ist, sich an dem Hamburger Härtefallfonds zu beteiligen. Dieser soll Menschen helfen, eine Energiesperre abzuwenden. Er hatte deswegen ebenfalls schon bei E.on insistiert – ohne Erfolg.

Bei den Bewohnern des Lohbrügger Nordens sitzt der Schock tief, da viele Betroffene 800 bis 2000 Euro nachzahlen und künftig 400 bis 850 Euro an monatlichen Abschlägen stemmen sollen. Ende Januar stellten sich Vertreter von E.on den Fragen von mehr als 500 Lohbrüggern.

Schon einmal trafen sich Lohbrügger, um ihren Unmut über ihre Heizkostenrechnungen kundzutun. Nun kommen sie am 28. Oktober vor dem Holzheizkraftwerk am Havighorster Weg zusammen.
Schon einmal trafen sich Lohbrügger, um ihren Unmut über ihre Heizkostenrechnungen kundzutun. (Archivbild) © BGDZ | Jan Schubert

Dabei erklärte ein E.on-Vertriebsleiter: Eigentümerin des Fernwärmenetzwerks und des Heizkraftwerks sei die SAGA. Diese habe die Berechnung der Heizkosten vertraglich mit E.on und der KWA Construction geregelt. Die SAGA bestätigt auf Anfrage, dass ihr die Netze gehören. Diese seien allerdings verpachtet an E.on.

Wirklich keinen Einfluss auf Preisgestaltung?

Eigentümerin und Betreiberin des Holzkraftwerkes sei die KWA. „Die KWA ist ein Beteiligungsunternehmen der Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH. Sie gehört nicht zur SAGA Unternehmensgruppe.“ Zuvor hatte die SAGA gegenüber der „Bergedorfer Zeitung“ bereits erklärt, E.on verantworte sowohl den Energieeinkauf, die Preisgestaltung als auch die Versorgung der angeschlossenen Wohnungen. Die SAGA habe „keine detaillierte Kenntnis und keinen Einfluss auf die individuelle Preisgestaltung“.

Und was sagt E.on zum Appell des Umweltsenators, die Betroffenen zu entlasten? Auf Abendblatt-Anfrage heißt es: „Wir verstehen den Unmut unserer Kunden über die gestiegenen Fernwärmepreise.“ Gleichzeitig aber könne sich E.on den Preisentwicklungen auf den Energiemärkten dauerhaft nicht entziehen.

„Denn die durch Holz erzeugte Wärme, die wir im Fernheizwerk Lohbrügge zukaufen, kaufen wir nach einem sogenannten Erdgasäquivalent ein, bei dem die Einkaufspreise an die Preisentwicklung von Erdgas gekoppelt sind.“

E.on erteilt festem Preisdeckel eine Absage

Diese Vereinbarung sei mit dem Lieferanten zu einer Zeit getroffen worden, als die Beschaffung von Erdgas deutlich günstiger war als die Beschaffung von Holz. Dies, so E.on, habe den Kunden jahrelang deutliche Preisvorteile verschafft. Durch die aktuelle Preisentwicklung auf dem Erdgasmarkt habe sich dieser Effekt umgekehrt, sei aber immer noch Bestandteil der Preisgestaltung von E.on.

Aber: „Im Jahr 2022 sind die Gaskosten gegenüber 2021 nochmals deutlich gestiegen. Dadurch wird für den Abrechnungszeitraum 2022 in Lohbrügge erstmals eine preisdämpfende Regelung im Vertrag mit dem Vorlieferanten der Holzwärme zum Zuge kommen.“

Die entsprechende Gutschrift werde E.on „selbstverständlich direkt an unsere Kunden weitergeben und in der Jahresabrechnung für 2022 berücksichtigen“. Hierüber habe das Unternehmen seine Kunden bereits informiert. Ein fester Preisdeckel, wie vom Umweltsenator beschrieben, sei dagegen „nicht Bestandteil der vertraglichen Vereinbarungen mit unserem Vorlieferanten“.

Heizkosten: Kerstan zeigte sich "irritiert"

„Irritiert“ zeigte sich Kerstan daraufhin in einer E-Mail an E.on und forderte den Energiekonzern deshalb auf, nachdrücklich zu prüfen, ob das Unternehmen „tatsächlich bei dieser Aussage bleiben wolle“. Laut Informationen der Behörde seien in den Verträgen mit KWA sehr wohl Preisdeckelungen mit dynamischen Komponenten enthalten. Diese führten, so der Senator, angesichts der gestiegenen Gaspreise zu Übergewinnen in Millionenhöhe bei E.on.

Vor diesem Hintergrund fordert Kerstan E.on nun auf, einen Vorschlag zu machen, wie der Konzern „mit Blick auf die aus unserer Sicht nicht akzeptable Mehrbelastung der von Ihnen versorgten Haushalte Abhilfe schaffen“ wolle.