Bergedorf. Glasklare Lage oder doch alles nur Gerüchte? So entschied der Richter am Amtsgericht in Bergedorf im Prozess gegen zwei Männer.

In der Szene sei das doch seit sechseinhalb Jahren „glasklar“. Bahman Harjabi („Ich weiß so gut wie alles“), einer der Zeugen im Brandstifter-Prozess gegen die beiden iranischen Staatsbürger J. und T., hatte sich viele Jahre gewundert, warum der vermeintliche Anstifter J. nicht längst hinter Gitter saß. Die beiden Männer sollen verantwortlich sein für den Brand auf dem Firmengelände von „Deine Limo“ im Sommer 2016. Dass das Amtsgericht Bergedorf jedoch nicht auf „Gerüchteküche oder Vermutungen“ in seinem Urteilsvermögen baut, machte der Richter Sebastian Gößling bei der Begründung des Freispruchs zugunsten der Angeklagten deutlich.

Denn glasklar ist hier nur eines: Klarheit, wer am 2. Juni 2016 den Großbrand am Rudorffweg in Lohbrügge legte und 16 Luxusfahrzeuge mehr oder minder komplett zerstörte, gibt es immer noch nicht. Ausgerechnet diejenigen, die dazu beitragen sollten, verursachten durch widersprüchliche Aussagen maximale Verwirrung.

Wie intensiv sind die Beziehungen der Belastungszeugen untereinander?

Es beginnt schon damit, wie die Brüder Bahman (34) und Milad Harjabi (37) zu dem Geschädigten Hamid Khawaja – er führte damals gemeinsam mit seiner Ex-Frau „Deine Limo“ – stehen, wie gut sie sich kennen. Weder Geschäftsbeziehungen noch eine Freundschaft würden sie zu Khawaja pflegen, heißt es immer wieder in Saal 115. Dass allerdings untereinander Limousinen-Touren und Geschäftstipps ausgetauscht wurden, darüber plaudern die Harjabis wiederum ganz offen.

Auch die Geschehnisse vom 1. Juli 2020 werden von Sebastian Gößling ausführlichst hinterfragt: Damals erschien Hamid Khawaja, der selbst lange Zeit Ermittlungen angestellt hatte, bei der Polizei. Sein langjähriger Freund J. habe Milad Harjabi schwer belastet. Er sei der Initiator hinter dem Feuer. Anschließend fuhr Khawaja bei dem vermeintlichen Konkurrenten vor, stellte ihn zu Rede: „Komm raus! Geh zur Polizei!“

1000 Euro, wenn Asylbewerber T. die „Limos abfackelt“

Doch der Verdächtige belastete wiederum Mohammad J., von dem Milad und Bahman Harjabi das Unternehmen „Clublimo“ übernahmen. Vor dem Amtsgericht berichtete Milad Harjabi von einem Morgen im April 2016. Da habe ihn J. völlig aufgelöst angerufen, denn soeben sei ein Brandanschlag auf seinen Limousinenservice verübt worden. „Alles ist verbrannt. Ich bin fertig. Das, was der kann, kann ich schon lange“ – gemeint war damit Hamid Khawaja. Ihn wolle er nun „fertig machen“, soll J. gesagt haben.

Ergänzt wird diese Geschichte durch ein Treffen im Haus von J. Da bekam Bahman Harjabi mit, wie J. den ebenfalls anwesenden Asylbewerber T. verbal bearbeitete, ihm 1000 Euro dafür bot, wenn er die „Limos von Khawaja abfackeln“ würde. Doch der Angefragte, der damals in einer Flüchtlingsunterkunft an der Osterrade wohnte, lehnte immer wieder ab.

Als die Harjabi-Brüder dann aber bei einer Trauerfeier ihres verunglückten Cousins in Stuttgart die Nachricht erhielten, dass der Limousinenservice am Rudorffweg abgebrannt war, war für sie die Sache klar. J. hatte es „durchgezogen“, prahlte damit später auch herum. Der vermeintliche Anstifter soll Milad Harjabi gegenüber dann auch die Tat in einem Wandsbeker Restaurant zugegeben haben.

Bergedorfer Richter lehnte das Gerichtsverfahren wegen Mangels an Beweisen ab

Ein undurchschaubares Geflecht, das Gößling durch akribische Nachfragen sezierte – und in dem ihm letztlich die „Überzeugung“ für eine Verurteilung fehlte. Damit schloss er sich den Plädoyers von Staatsanwältin und Verteidigern an. Die Vorgeschichte zu diesem Prozess liest sich ebenfalls weniger deutlich: Denn zunächst hatte der Bergedorfer Richter Götz Schwerin eine Hauptverhandlung abgelehnt mit dem Hinweis, es bestünde bei der Beweislage kein hinreichender Tatverdacht. Erst als die Hamburger Staatsanwalt dagegen Beschwerde einlegte und ein Landgerichtsbescheid vorlag, konnte das Verfahren eröffnet werden.

Und Hamid Khawaja? Der 44-Jährige wohnte wie der Großteil seines offenkundigen Bekanntenkreises dem Urteilsspruch nicht mehr bei. Der Billstedter hatte zuvor mehrfach betont, „vier Jahre Gas bei seinen Nachforschungen“ gegeben zu haben, um nun mit der Sache „endlich abschließen“ zu können. Das wird er vermutlich auch weiterhin nicht können.