Hamburg. Bergedorfs Traditionskanzlei Müller schließt. Ihren einzigartigen Safes drohte schon die Verschrottung. Doch dann kam es ganz anders.

Sie erzählen Bergedorfer Rechtsgeschichte: Die beiden historischen Tresore der traditionsreichen Anwaltskanzlei „Zweimal Müller – Rechtsanwälte in Bergedorf“ haben seit ihrer Anfertigung um 1917 unzählige Dokumente, Verträge, Schlüssel und auch hohe Geldbeträge der Bergedorfer geschützt. Doch jetzt gehen sie auf Reisen.

Weil Wolfgang Müller, Rechtsanwalt in dritter Generation, und Ehefrau Christiane in den Ruhestand wechseln, werden die mit Nussbaumholz verkleideten Raritäten am Montag per Kran aus der bereits aufgelösten Kanzlei im zweiten Stockwerk am Sachsentor 38 gehievt. Ziel der Reise ist das Gewerbegebiet im 20 Kilometer entfernten Oldershausen in Niedersachsen. Dort sitzt der Metallbau-Spezialist „Bodo on Stage“, der ebenfalls Bergedorfer Wurzeln hat und sich buchstäblich in letzter Sekunde die Safes gesichert hat.

Beinahe wären die historischen Safes verschrottet worden

Bei aller Wehmut über den Abtransport der Erbstücke, „die fester Bestandteil unser Familienkanzlei sind, seit ich denken kann“, überwiegt bei Wolfgang Müller die Freude: „Wir haben unser Büro im Sachsentor schon leergeräumt und wussten nicht wohin mir den alten Safes. Schlimmstenfalls hätten wir sie verschrotten lassen müssen, denn wir haben privat keinen Platz für sie. Zum Glück fanden wir mit Bodo und Manuela Lishke vor ein paar Tagen noch zwei begeisterte Abnehmer.“ Die bezahlen nun den aufwendigen Transport, dafür gibt es die Schmuckstücke selbst kostenlos.

Das Foto vom Umzug der Kanzlei
Das Foto vom Umzug der Kanzlei "Zweimal Müller" in 2016 zeigt den Spezialtransport mit Kran und Sperrung des Sachsentors. © Zweimal Müller Rechtsanwälte in Bergedorf | Wolfgang Müller

Zu Geschichte der Tresore kann Wolfgang Müller einiges erzählen: „Kurz nach der vorletzten Jahrhundertwende hat mein Großvater Johannes Müller die beiden Schränke angeschafft.“ Im Jahr 1917 trat er als Referendar in Bergedorfs älteste Anwaltskanzlei ein. Ihre Geschichte reicht bis ins Jahr 1855 zurück, als in Bergedorf Justiz und Verwaltung getrennt wurden und damit der Beruf des Rechtsanwalts seinen Ursprung hatte.

Großvater Johannes Müller wurde 1917 Teilhaber der ältesten Bergedorfer Kanzlei

Johannes Müller ließ sich nicht lumpen und schaffte zu seinem Einstand gleich zwei Tresore an. „Als Anwalt braucht man eigentlich nur einen“, weiß Wolfgang Müller. „Aber offenbar dachte mein Großvater, dass nach der Unterzeichnung seines Sozietätsvertrags mit dem alten Inhaber Dr. Walther Timm in der Doppelkanzlei eben auch zwei Tresore erforderlich sind.“

Die Schmuckstücke sind bis heute nahezu originalgetreu erhalten geblieben: Jeder thront über einem normalen Holzschrank, der ebenfalls aus Nussbaumholz besteht. Die Tresore bestehen unter ihrer Verkleidung aus doppelten Stahlwänden, in deren Hohlraum Sand gefüllt ist. Jede Konstruktion wiegt mehr als 500 Kilogramm.

Auch moderne Einbrecher sind schon am Tresor gescheitert

Nicht nur die Schränke haben Sammlerwert, auch ihre Schlösser, sagt Müller. Aus einem hätten Sammler den historischen Verschluss ausgebaut, der andere Safe sei dagegen nach wie vor in Funktion – und sehr widerstandsfähig: „Vor einigen Jahren wurde über Nacht in unsere Kanzlei eingebrochen. Morgens bot sich uns dann ein Bild der Verwüstung. Alle Schränke waren aufgebrochen, nur die beiden Tresore nicht. Alles Geld uns sämtliche Unterlagen waren unberührt. Dabei haben die Einbrecher beide Tresore intensiv bearbeitet, wie ihre Spuren belegten.“

Umzüge sind die geschichtsträchtigen Safes übrigens gewohnt: Insgesamt fünfmal wechselte die Kanzlei Müller mit ihnen die Adresse, hieß zwischenzeitlich „Müller & Morgenbesser“, „Müller & Huth“ sowie zuletzt nun „Zweimal Müller“, weil Ehefrau Christiane Müller hier 2015 nach der Kindererziehung wieder in ihren Beruf als Juristin zurückkehrte.

Der Transport der Geldschränke war bei den Umzügen immer etwas Besonderes, erinnert sich Wolfgang Müller. Ganz außergewöhnlich sei 1995 der Wechsel vom Haspa-Haus an der Vierlandenstraße zur Ernst-Mantius-Straße gewesen: „Damals hat ein Möbelpacker es ganz allein vollbracht, einen einen des Safes durchs Treppenhaus zu bugsieren.“ Das habe danach niemand mehr geschafft. „Später brauchte es stets ein ganzes Team von Packkräften, wobei durchaus mal eine Steintreppe beschädigt wurde, denn die Last der Tresore war einfach zu groß.“ Beim letzten Umzug 2016 seien sie nur noch mithilfe eines Lastkrans bewegt und durch die Fenster am Sachsentor 38 gehoben worden.

So geht es nun auch wieder hinaus, samt Teilsperrung der Einkaufsstraße am Montag von 8 bis 10 Uhr. Die neue Besitzerin Manuela Lishke (58) freut sich: „Ich wollte schon immer einen echten großen Tresor haben. Hauptsächlich als Deko. Und etwas Besseres als diese Stücke, kann ich mir gar nicht vorstellen.“