Bergedorf. Nach vier Jahrzehnten verabschiedet sich der Chirurg und Urologe Dr. Joachim Greger von seinen Patienten. Ein Mediziner klarer Worte.

Sein Skalpell ist längst in der Kiste, doch die 25.000 Röntgenbilder müssen noch entsorgt werden: Dr. Joachim Greger schließt zum Jahresende seine Praxis am Weidenbaumsweg 19 – nach über 40 Jahren, in denen er Tausenden Bergedorfern zur Seite stand: „Am Anfang waren es so 1000 Patienten im Quartal, zuletzt etwa 500 bis 700“, sagt der Mann, der immerhin schon seinen 82. Geburtstag feiern konnte. Und zwar gleich in Doppelfunktion: als Chirurg und Urologe.

In Eppendorf aufgewachsen, schickte ihn sein gestrenger Vater („er war städtischer Finanzpräsident am Rödingsmarkt“) zunächst zum Medizinstudium nach Würzburg. Nach sechs Semestern wechselte er nach Kiel, wo die liebenswerte Oma Margarethe wohnte: „Da durfte sogar meine Freundin übernachten, das war ungewöhnlich zu jener Zeit. Aber Oma konnte gut mit Menschen umgehen, weil sie früher eine Kneipe hatte.“ Außerdem konnte er von Großmutters Haus ganz bequem die Fähre nehmen und schnell die Universität erreichen.

Arzt Dr. Joachim Greger geht mit 82 Jahren in Ruhestand

Die Facharzt-Ausbildung schloss Dr. Greger schließlich in der Hamburger Klinik in St. Georg ab, bevor es wieder zurück nach Kiel ging: Die erste Operation war spannend, denn „da durfte ich bei einem Blinddarm assistieren“. Es folgten zahlreiche Stationen in München, Würzburg und Lüneburg (wo er sich in Krankenschwester Uta verliebte und sie bald zum Traualtar bat).

„Eine Wirbelsäule habe ich nie gemacht, immer nur Weichteile“, sagt Dr. Joachim Greger, der viele Jahre in St. Georg operierte: Haut- und Blasentumore, Leisten- und Hodenbrüche standen ebenso auf der Tagesordnung wie Gallenblasen und Harnleitersteine: „Meist ging ich durch den Bauch, oder es gab einen Flankenschnitt“, erzählt der Mann, der auch „sehr gern Hüften, Knie und Sprunggelenke operierte“, also ganz handwerklich mit Platten, Schrauben und Prothesen umging.

Hohe Zahl an Patienten zur Praxisfinanzierung erforderlich

Begeistert jedenfalls sei die Kassenärztliche Vereinigung gewesen, als sich ein doppelter Facharzt in Bergedorf niederlassen wollte – wobei der Start nicht leicht war: „Ich brauchte 950.000 Mark von der Bank, denn das Röntgengerät – damals noch mit Schichtaufnahmen statt Digitalbildern – war sehr teuer. Und der Finanzberater fragte, ob ich auch noch ein Schiff kaufen wolle“, erinnert er sich kopfschüttelnd.

Da musste also gerechnet werden, um die 194 Quadratmeter große Praxis mit ihren vier Untersuchungsräumen halten zu können: „Für kleine OPs bekam man 250 Mark, für größere bloß 50 Mark mehr. Also habe ich lieber auf die Patientenmenge gesetzt, das bringt mehr Geld. Aber Privatpatienten waren es höchstens 200 im Quartal.“

Golfspielen ist dem leidenschaftlichen Porsche-Fahrer zu langweilig

Für große Operationen fuhr er stets in die Klinik nach Mümmelmannsberg – „bis mir auf dem Parkplatz meine Autoscheibe eingeschlagen wurde“. Denn er sei ein leidenschaftlicher Porsche-Fahrer: „Ich habe bestimmt ein ganzes Einfamilienhaus mit 911ern verporscht“, meint der Chirurg, der sich auch sonst nicht von Klischees beeindrucken lässt: Schließlich trägt er eine Rolex-Uhr, fährt gern nach Sylt und liebte es, in seinem hinteren Praxiszimmer vor der Kaffeemaschine zu rauchen – „aber Golfspielen ist mir zu langweilig“, betont der leidenschaftliche Pianist.

„Diese Scheren werde ich jetzt wohl nicht mehr brauchen“, meint Dr. Joachim Greger.
„Diese Scheren werde ich jetzt wohl nicht mehr brauchen“, meint Dr. Joachim Greger. © BGZ | strickstrock

Jedenfalls habe er immer direkt mit den Menschen gesprochen, selten eine „erektile Dysfunktion“ erwähnt: „Dann geht halt der Pimmel nicht mehr hoch oder der Sack ist voller Wasser“, machte der Urologe ohne Umschweife deutlich – und dachte immer auch an hormonelle Veränderungen, untersuchte die Hirnanhangdrüse, hinterfragte psychische Probleme. „Ich wollte immer gut aufklären und nichts verschweigen“, sagt der Arzt, der selbst nur einmal ernsthaft krank gewesen sei, sich in der Praxis mit Hepatitis B angesteckt hatte.

Zu größeren OPs in die umliegenden Kliniken geschickt

„Sie haben meiner Frau sehr geholfen“, hörte er auch häufig, denn längst nicht nur dankbare Männer kamen in die Bergedorfer Praxis. Schenkelhalsfrakturen und Hüftgelenke zählen ebenso zur sogenannten peripheren Chirurgie wie ein Abszess, schnellende Finger mit zu kurzen Sehnen oder ein Ballenzeh (Hallux), erklärt der Doktor, der mit einem freiberuflichen Anästhesisten zusammenarbeitete.

Aber lange schon schickt er seine Patienten zu größeren Operationen in die umliegenden Krankenhäuser in Reinbek, Bergedorf und Boberg – bei denen er sich nun zum Abschied ebenso bedankt wie bei der Reha Bergedorf und der Radiologie Conradia. Nicht zuletzt bei seinen treuen Patienten und den Mitarbeitern („ich habe viele Arzthelferinnen ausgebildet“).

Eine Altersgrenze für Kassenärzte gibt es nicht mehr

Arzthelferin Maria Schulz zum Beispiel ist seit 15 Jahren in der Praxis und hat zuletzt beim Einpacken der Geräte geholfen: „Die großen Operationen macht er ja schon seit zehn Jahren nicht mehr. Und zuletzt war hier auch wegen Corona weniger los, nur noch 400 Patienten im Quartal.“

Also wird die Sache ganz pragmatisch angegangen: Der Mietvertrag läuft aus. „Mich zwingt nicht eine Hand, die zittert“, sagt Dr. Joachim Greger: „Ich hab’ es einfach lange routiniert gemacht und bin sehr zufrieden mit dem, was ich geleistet habe“, so der 82-jährige Witwer.

Eine Altersgrenze gebe es übrigens nicht, bestätigt auch Sebastian Franke von der Hamburger Ärztekammer: „Nur wenn Patienten sich melden, geben die Kollegen von der Berufsordnung einen Hinweise an die Sozialbehörde. Die schaut dann auf die Approbation, wenn das Patientenwohl gefährdet ist.“

Eine chirurgische Praxis zieht ins neue Bergedorfer Tor

Das indes war bei Dr. Greger nie der Fall, der Mann fühlt sich topfit – und „vielleicht fange ich auch wieder mit dem Rudern im Achter an“, überlegt der Eppendorfer.

Außerdem sei er sehr froh, dass er keine große Lücke hinterlassen muss: Schon im April will Dr. Henning Sauer eine Praxis im Bergedorfer Tor eröffnen. Er ist Unfallchirurg, Chirurg und Orthopäde. Zuletzt leitete er die Handchirurgie im Geesthachter Johanniter-Krankenhaus.