Hamburg. Viele Hamburger Krankenhäuser haben Pflegekräfte aus dem Nicht-EU-Ausland eingestellt. Diego Bohorquez Gomez ist einer von ihnen.

Das Wetter, dieses nasskalte Hamburger Wintergrau. Ja, Diego Bohorquez Gomez gibt gerne zu, dass er das an seiner neuen Heimat nicht so sehr mag. Sonst aber fühlt sich der Kolumbianer in Hamburg ziemlich wohl, „es ist eine richtig schöne Stadt“, sagt der 32-Jährige. Dass ihm sein neues Zuhause gefällt, daran hat sein Arbeitgeber ein großes Interesse: Denn Bohorquez Gomez ist einer von fünf Kolumbianern, die vom BG Klinikum Boberg nach Deutschland abgeworben wurden. Die Südamerikaner sollen hier helfen, den dramatischen Fachkräftemangel in der Pflege zu lindern. Und schon bald sollen weitere Kräfte folgen.

In etlichen Hamburger Krankenhäusern arbeiten inzwischen Pflegefachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland. In Boberg sind es derzeit etwa 15. Im Bethesda werden seit Ende Januar ein Kolumbianer, fünf Mexikanerinnen und zwei Mexikaner eingearbeitet, auch sie wurden im Ausland angeworben. Doch mit der Akquise allein ist es nicht getan, weiß Bobergs Pflegedirektor Torsten Weiner. „Ein ganz wichtiger Punkt ist die Integration. Ohne ein gut durchdachtes Konzept, wie man die internationalen Pflegekräfte integrieren und ihnen einen guten Start in ihr neues Leben ermöglichen kann, kann es nicht funktionieren.“

Fachkräftemangel im Bereich Pflege auch in Hamburg - Lösung gefunden?

Die Boberger Klinik wendet daher – als Pilotprojekt – ein Training an, das von der BGW (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege) entwickelt wurde. In drei Modulen von jeweils einem Tag werden die Führungskräfte, die Pflegekräfte sowie andere Beteiligte zu Fragen rund um die Integration geschult. In der Pilotphase geht es jetzt darum auszuloten, ob diese Inhalte dieses Trainings gut sind oder noch verbessert werden können.

Es sind viele Hürden zu überwinden, bevor eine Pflegekraft anfangen kann

Die Module können aber nur ein Baustein sein. Denn die Akquise von Auslandsfachkräften geht mit einem Berg von Problemen einher. „Bevor die Fachkräfte überhaupt zu uns kommen können, muss ein umfangreicher bürokratischer Prozess durchlaufen werden“, sagt Pflegedienstleiterin Annika Kuppe. Pflegekräfte aus dem Nicht-EU-Ausland müssen in ihrer Heimat zunächst Sprachzertifikate bestimmter Institute vorlegen. Es folgen Anträge, Vorstellungsgespräche, schließlich das Beantragen der Visa. Sind die Pflegekräfte in Deutschland, geht es weiter: Sie gelten zunächst nur als „Pflegehelfer“, müssen noch eine Anerkennung mit Abschlussprüfung durchlaufen. Ein enormer Stressfaktor für die Neuankömmlinge. Manch einer gibt frustriert auf.

Doch Pflegefachkräfte wie Diego Bohorquez Gomez zeigen, dass alles klappen kann. Seit einem Jahr arbeitet der 32-jährige Single im BG Klinikum – und sein Deutsch ist schon jetzt so gut, dass er das meiste versteht und sich gut ausdrücken kann. Trotzdem war der Anfang nicht leicht. Die Kultur, die Sprache, das Wetter – alles ist neu und fremd. Und natürlich die Arbeit: „In Kolumbien ist Pfleger ein ganz anderer Beruf als hier“, stellt er fest. Dort seien sie überwiegend im Büro mit Organisatorischem betraut. In Deutschland arbeiten die Fachkräfte hingegen direkt am Patienten. Ihm liegt das, „die Arbeit macht Spaß“, sagt er. Und auch der Verdienst ist gut.

Diego Bohorquez Gomez fühlt sich in Boberg sehr wohl

Aber er hat auch Glück gehabt, etwa, weil er Landsleute im Arbeitsumfeld hat. So hatte ihm das BG Klinikum zwar für die Anfangszeit eine Bleibe auf dem Klinikgelände zur Verfügung gestellt. Doch erst mit der Hilfe seiner Landsleute fand Diego Bohorquez Gomez eine eigene Wohnung in Lohbrügge, nur 20 Minuten von der Arbeit entfernt. „In Hamburg ist es nicht leicht, eine Wohnung zu finden“, hat er bemerkt. Die Hilfe seiner Kollegen in diesen und anderen Bereichen hat eine Verbindung geschaffen: „In Boberg habe ich eine Familie gefunden“, sagt er. Die Wertschätzung ist gegenseitig. „Die Kolumbianer sind in den Teams ein echter Zugewinn“, stellt Pflegedienstleiterin Annika Kuppe fest. „Sie sind immer fröhlich und voller Leben.“

Trotzdem: Heimweh bleibt nicht aus, räumt Diego Bohorquez Gomez ein. „Es ist dann schwer, dass meine Familie so weit weg ist.“ Und die Kultur ist auch oft fremd. Was denn zum Beispiel? „Dass man an den Wohnungstüren die Schuhe ausziehen soll!“, sagt er schmunzelnd. „Also, so was gibt es in Kolumbien nicht!“

200.000 Fachkräfte fehlen – die Anwerbung bleibt ein Kraftakt

Trotzdem gefällt ihm Hamburg. Und auch Schwerin – die einzige andere deutsche Stadt, die er bisher kennt – fand er sehr schön. „Mit der Sprache wird es auch besser“, stellt er fest. Und so kann er sich vorstellen „lange zu bleiben“. Wie lange? Er grübelt. „Zehn oder 15 Jahre bestimmt.“

So bleibt das Anwerben neuer Fachkräfte für deutsche Kliniken wohl noch länger ein Kraftakt. 200.000 Fachkräfte fehlen Schätzungen zufolge in Deutschland. Die Suche im Ausland bleibe „alternativlos“, meint Bobergs Pflegedienstleiterin Annika Kuppe. Die bürokratischen Hürden müssten deshalb deutlich vereinfacht werden. Nicht nur für den beruflichen Bereich. Eine Boberger Pflegekraft versucht seit Längerem, ihr Kind (4) nach Deutschland nachzuholen. Bisher vergebens.